Wir bleiben gleich bei dem Thema "Nonary Game". Allerdings geht es mir, nachdem die allgemeinen Mechaniken bereits geklärt wurden, heute um die Geschichte dahinter. Jedes dieser Spiele verfolgte schließlich einen bestimmten Sinn und die Veranstalter hatten unterschiedliche Motive, um es stattfinden zu lassen. Es geht hier also um die Beweggründe und somit auch ein bisschen um die Menschen, die Zero in den jeweiligen Spielen verkörpert haben – zum Rest der Charaktere komme ich dann im nächsten Beitrag. Natürlich kommen wir jetzt immer mehr in die Gefilde, wo es noch mehr um persönliche Vorlieben geht als bisher, vor allem weil gerade bei Plotdetails jeder Spieler für sich selbst entscheiden kann, mit welchen Erklärungen er sich zufrieden gibt und mit welchen nicht. Aber ich werden meine Ansichten wenigstens halbwegs gut und nachvollziehbar begründen. Hoffentlich. ;)
4. Die Motive
Ich möchte gleich von Vornherein sagen: Das
Motiv für das Nonary Game in „999“ wird für mich am Ende so gut präsentiert, dass vermutlich nichts in „Virtue’s Last Reward“ damit mithalten hätte können.
Es ist auch so ein emotional vielschichtiger Weg bis dahin. Anfangs fragt man sich, warum man entführt
wurde und dieses Spiel auf Leben und Tod spielen muss. Ist es ein
morbides Experiment von irgendeiner Organisation oder einem mächtigen
Großkonzern? Irgendwann findet man heraus, dass es schon einmal ein
Nonary Game gab, das genau aus diesen Gründen stattgefunden hat – das
alleine ist schon gut gemacht, immerhin wurde der naheliegendste
Verdacht aufgegriffen und eingebaut, löste allerdings
nicht das Rätsel um die aktuelle Situation. Noch etwas später kommt man
zu dem Schluss, dass es diesmal um Rache geht und die vorigen
Veranstalter für ihre Taten büßen sollen. Das ist eine Auflösung, womit
der Spieler vermutlich auch zufrieden ist (ich war
es zumindest), weil es gut Sinn ergibt und schon irgendwie
nachvollziehbar ist. Aber dann, gegen Ende, wird offenbart, dass das
eigentliche Motiv die Rettung eines kleinen Mädchens ist. Das trifft wohl so ziemlich jeden völlig unvorbereitet. Natürlich auch deshalb,
weil dies zu einem Zeitpunkt enthüllt wird, an dem
man eigentlich dachte, die Geschichte schon durchschaut zu haben. Der
vorrangige Grund, warum dies so ein geniales Motiv für mich ist, ist aber das
Gefühl, das in dem Spieler dabei ausgelöst werden soll.
Die ganze Zeit fühlt man sich bedroht, fragt sich, warum zum Teufel Junpei das alles verdient hat,
rätselt, wer als nächstes draufgehen könnte, den Verstand verlieren
oder einfach alle umbringen würde… man ist sich sicher, dass
Zero der abgefuckteste Typ aller Zeiten sein muss und selbst wenn
sich der eigene Ärger irgendwann auf Ace projiziert, bleibt Zero eine
Feindfigur. Und dann erzählt plötzlich die junge June, was ihr
zugestoßen ist, man sieht ihr verzweifeltes Gesicht und
will nichts weiter, als sie zu retten. Das ist eine ganz merkwürdige
Erfahrung – man weiß, was sie getan hat und wie weit sie gehen musste,
aber in diesem Moment empfindet man nur Mitleid, Sympathie und den
Drang, ihr zu helfen. Oh, und man heult sich die
Augen dabei aus. Ich zumindest. Denn natürlich kann diese Wirkung nicht bei jedem erzielt werden, weil Geschmäcker immer noch verschieden sind. Aber alleine, dass auf so eine Reaktion abgezielt wurde und dies bei vielen Spielern sicher auch funktioniert hat, finde ich einfach cool.
Ich habe hier und da gelesen, warum Leute die Auflösung teilweise auch blöd fanden – einige wiesen darauf hin, dass Akane einfach nur total verrückt sein muss und sie nicht verstehen, wie man da dann noch so eine Sympathie aufbringen soll. Das kann ich auf jeden Fall auch nachvollziehen, aber ich persönlich bin voll auf den Plottwist angesprungen. Statt Zero auch noch als
Bösewicht zu identifizieren, richtete sich mein kompletter
Hass nur noch auf Ace und nach der Flucht hatte ich June und Santa quasi alles verziehen. xD Die Tatsache, dass
von Anfang an geplant war, alle Unschuldigen am Leben zu lassen, half da
auch nochmal. Für mich sind
die Motive für das Nonary Game damit zwar unorthodox und auch leicht verrückt, aber nicht völlig unverständlich.
Dass das Ende offensichtlich aktiv möchte, dass man ein bisschen mit den augenscheinlichen Bösewichten Frieden schließt, liebe ich einfach sehr. Viel wird hierbei aber natürlich auch durch den guten Aufbau der betroffenen Charaktere gewonnen – allen voran June, die im normalen Spiel wahrscheinlich kaum jemandem wirklich unsympathisch wird.
Dass das Ende offensichtlich aktiv möchte, dass man ein bisschen mit den augenscheinlichen Bösewichten Frieden schließt, liebe ich einfach sehr. Viel wird hierbei aber natürlich auch durch den guten Aufbau der betroffenen Charaktere gewonnen – allen voran June, die im normalen Spiel wahrscheinlich kaum jemandem wirklich unsympathisch wird.
In „Virtue’s Last Reward“ gibt es ein paar
Details, die das übergeordnete Ziel des Nonary Games nicht mehr so
intensiv an den Spieler ranlassen. Grundsätzlich ist das Motiv ja eine
durchaus nette Sache – es sollen Fähigkeiten gestärkt werden,
um die Welt vor der Vernichtung zu retten. Man kann ja nicht behaupten,
dass das nicht sogar bessere Intentionen als im Vorgänger wären. Aber aus diversen
Gründen fühlte es sich für mich nicht an, als wäre das wirklich wichtig.
Ein Problem dabei ist, dass man recht wenig über
die Sache an sich erfährt und weniger Bezug dazu bekommt. Ja, Tenmyouji war dabei als Radical-6
ausbrach und Reaktoren gezündet wurden, Akane und (old) Sigma ebenso.
Aber die Flashbacks und Erzählungen darüber sind nicht
nur spärlich, es wird in dem Bezug auch mit Einzelschicksalen gespart. Weil die Hälfte der Leute einerseits beim Radical-6-Ausbruch gar nicht dabei war, und die andere Hälfte so lange "geheime Identitäten" besitzt, dass man nur in gewissen Enden bzw. ganz zum Schluss einen Einblick bekommt. Das ist dann auch angemessen
dramatisch, aber vielleicht schon etwas spät. Womöglich wollte man
sich die Details über die Geschehnisse, die man verhindern soll, für den dritten Teil aufsparen – das
ist sehr verständlich aber ändert eben leider nichts daran, dass man da im zweiten Teil noch nicht soo richtig fühlt, wie wichtig das sein soll.
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass man
selbst Zero ist. Als Plottwist ist das eine tolle Sache, aber sie trägt ebenfalls dazu bei, dass man mit dem Motiv nicht so richtig warm wird.
Immerhin konnte man nicht wirklich den Zero nehmen, der sich an alles erinnert, weil der Twist sonst ja nicht funktionieren würde - man steuert Sigma die ganze Zeit und ist überall dabei, wie soll man da eine Identität geheim halten? ;0 Jetzt ist also zwar der Verantwortliche irgendwie da, aber auch nicht wirklich, weil er nichts weiß – man hat keine Gelegenheit, Sympathie oder
Verständnis für jemanden aufzubringen, der genau genommen
niemals wirklich vorkommt. Denn die Person, die man steuert und die einem vielleicht ans Herz wächst, ist ja in der Form und zu diesem Zeitpunkt trotzdem nicht dieselbe, die das Spiel gemacht hat… ist klar, was
das Dilemma hier ist? Akanes Anwesenheit hilft hier auch überhaupt
nicht für irgendwelche positiven Eindrücke, weil sie als Mitbeteiligte nun so wirkt, als wären ihr
Einzelschicksale vollkommen egal. Ja, ich hatte June in 999 sicher zu sehr idealisiert, und ihre Entwicklung kann mit ihren Hintergründen
auch als logisch anerkannt werden, aber es geht ja nur darum, dass sie nicht unbedingt zu einem positiven Gefühl am Ende beiträgt. Für mich fühlte sie sich da auch wie eine Fremde an, weil so gar nichts mehr von der alten Akane übrig war, und damit wurde etwas
abgekapselt, was im ersten Teil noch so wichtig
war. Aber das ist vielleicht auch Absicht, um ihre und Junpeis Geschichte dramatischer zu finden (ich fand nur doof ;0).
Jedenfalls, das „größere“ Motiv alleine würde trotz der
geringen Empathie ja vielleicht noch gut funktionieren - mit einer Weltenrettung kann jeder Spieler irgendwo was anfangen. ;) Aber das
dritte Nonary Game dient ja nur indirekt dazu. Wenn man es simpel herunterbricht hat das Spiel den
Sinn, die Fähigkeiten von Sigma und Phi, durch verschiedene Realitäten
und Zeiten zu springen, zu schulen. Der ganze Kram mit der Nevada
Testsite kommt eben erst im nächsten Teil – dieser hier ist die
Vorbereitung dafür, und das spürt man einfach. Am Ende hat man nicht
das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Die komplette Konstruktion des
Nonary Games – all die Vorbereitung auf dem Mars, das Einfrieren
bestimmter Charaktere, die „Rettung“ der gealterten Akane –
dient nur zum Training. Jeder Verlust, den man erlitten hat, jedes
Opfer das gebracht wurde – Training. Das ist ein bescheuertes Motiv. Ja,
vielleicht ist es für die Story nötig, aber es funktioniert für mich als
Spieler nicht besonders gut. Man steht am Schluss
mit einem Haufen unbeantworteter Fragen da und weiß nur, dass man
gerade so viele Stunden einzig und allein damit verbracht hat, jemanden vorzubereiten.
Das hinterlässt so ein unbefriedigendes Gefühl und steht damit in
komplettem Gegensatz zu „999“.
Falls also doch irgendwie gelungen ist, dass
sich der Spieler für die Weltenrettung (mehr) interessiert (als ich),
wird dem wahrscheinlich spätestens mit dieser Konklusion ein Ende
gesetzt. „Virtue’s Last Reward“ verkommt zu einem Prolog
für etwas Größeres, in dem das Nonary Game Mittel für einen Zweck war,
der einem kein Erfolgsgefühl vermittelt. Deshalb ist das Ende auch mein größter Kritikpunkt - während das Spielen trotz anderer Atmosphäre immer noch Spaß macht und die Geschichte im Verlauf immer noch spannend ist, senkte das Ende meine Begeisterung für VLR erheblich (aber immerhin mochte ich die Einbindung des Spielers, der zum Schluss direkt angesprochen wird, doch sehr).
Wenigstens schafft das Spiel es aber, das ganze Motiv
selbst auf eine Art und Weise kritisch zu sehen. Junpei merkt ganz zum Schluss an, dass er
die Dinge der letzten Jahre ja sowieso erlebt hat, und bei einer erfolgreichen Rettung eher nur eine alternative Realität entstehen
würde. Und in der hätte er Quark vielleicht niemals gefunden, was ihn zu
einem anderen (und wohl weniger glücklichen) Menschen gemacht hätte. Für ihn ist die ganze Sache also auch Mist. ;0
Zu ihm und den restlichen Beteiligten komme ich dann aber, wie gesagt, beim nächsten Mal.
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