Vorsicht: Dieser Blog enthält viele Spoiler zu Videospielen, die nicht explizit gekennzeichnet werden!
Dienstag, 9. Februar 2016
999 vs. Virtue's Last Reward #2
In diesem Eintrag wechseln wir von einem eher atmosphärischem Punkt zu greifbareren Dingen. Während die Sache mit der Location eine übergeordnete und breit gefächerte Sache war, die vielleicht nicht jedem so wichtig ist, lassen sich die Unterschiede im direkten Spielverlauf schon einfacher herunterbrechen. Zum Ablauf des Nonary Games im Allgemeinen komme ich bei einem späteren Eintrag, diesmal geht es nur um ein bestimmtes Element im Spiel: Die Rätselräume und alles, was darin geschieht. Dies ist immerhin die Sache, mit der man vermutlich die meiste Zeit verbringt und die auch am meisten mit dem Gameplay verwoben ist - deshalb lassen sich die Unterschiede hier besonders gut herausheben.
2. Escape Rooms
Wie schon gesagt, in „999“ ist alleine schon die Art, wie man zu den Räumen gelangt, irgendwie aufregend. Man hat auch die ganze Zeit das Gefühl, dass man hinter jeder nummerierten Tür eine Geschichte erleben wird und sich an die Umgebung gewöhnen sollte – man wird wahrscheinlich viel Zeit dort verbringen. Das liegt daran, dass fast überall auch wirklich etwas passiert. In der Küche werden die Charaktere plötzlich in einem Tiefkühlraum eingeschlossen, im Labor tappt Clover in eine Falle und muss befreit werden, in den Captain’s Quarter’s wird eine Leiche entdeckt und, und, und. Man geht in „999“ nicht in einen Raum und erwartet nichts. Man erwartet alles. Hinter jeder Tür könnte sich ein spannendes Ereignis verstecken, in jeder Kiste könnte ein interessanter Gegenstand sein. Wichtige Funde, wie zum Beispiel irgendwelche Waffen oder das Lesezeichen, werden zwar gezeigt bzw. gefunden, aber nicht so offensichtlich präsentiert, dass man sofort weiß, auf welche Art und Weise sie wichtig sein werden. Meist kommen sie viel später oder gar auf anderen Routen ganz anders zum Einsatz als man gedacht hätte. Die Rätsel selbst sind dann wohl Geschmackssache – ich fand sie besser als im Nachfolger, aber das kann wirklich auch an der Umgebung und den Ereignissen in den Räumen liegen. Ich fand alles total spannend, das färbte dann natürlich auch irgendwie auf die Knobeleien ab. Extra hervorheben möchte ich allerdings den allerletzten Raum mit Rätseln. Der ist nicht nur genial designed – er stellt die Werkstatt von Zero dar, wo man viele Teile und Prototypen vorfindet, die zu Aufgaben in so manchem Bereich wurden – sondern trumpft auch mit symbolischen Rätseln auf. In der Werkstatt muss man einige Dinge lösen, die schon aus vorhergehenden Räumen bekannt waren, diesmal aber auch einen Zusammenhang zur Story haben. Mein Liebling dort ist eigentlich eine simple Rechenaufgabe, aber auf subtile Art und Weise gibt diese Hinweise auf die Personen, die in der Geschichte nicht zu den Unschuldigen gehören – die Nummern vom 9th Man, Ace, Santa und June werden nach und nach aus einer Gruppe anderer Zahlen entfernt. Als mir das beim ersten Mal aufgefallen ist, habe ich Gänsehaut bekommen (während mein Freund das zum Beispiel gar nicht bemerkt hat).
Zu guter Letzt bieten die Räume auch für jegliche Charakterinteraktion einen Rahmen. Zwischen den einzelnen Escapes passiert ja auch immer recht viel, aber selbst während den Rätseln werden immer wieder, teils auch lange, Gespräche eingebaut. Das verstärkt nicht nur die Bindung zu den Leuten, es macht auch die Entscheidung, für welche Tür und welche Gruppe man sich entscheidet, weittragender. Weil es einfach wundervoll ist, die Lieblingscharaktere näher kennen zu lernen und anstrengend, die unsympathischen dauernd an der Backe hat. Das erzeugt Emotionen. Und zusätzlich bekommt man auch viele, viele Informationen und Hinweise zu den allgemeinen Vorgängen. Die morphogenetischen Felder, die Titanic-Geschichte und Ice-9 werden erklärt und Details über die Mitstreiter ausgeplaudert. Man kann schon mal übersehen, dass Santa einem erzählt, dass er in „Cradle Pharmaceutical“-Aktien investiert hat, weil es so viele kurze Gespräche gibt, aber viele Stunden später ergibt diese Winzigkeit einen Sinn und erklärt sogar wichtige Storydetails (nämlich, wie er und Zero sich überhaupt leisten konnten, so ein Nonary Game stattfinden zu lassen). Also, die Entwickler haben versucht, ihr wichtigstes Gameplayelement so interessant wie möglich zu gestalten. Mein Freund wollte immer lieber weiter die Story verfolgen statt zu rätseln, aber ich persönlich glaube, dass es kaum besser umzusetzen gewesen wäre.
In „Virtue’s Last Reward“ ist ja schon mal von Anfang an klar, dass man nach jedem erfolgreichen Escape zurück in die Lagerhalle kommt. Das alleine nimmt schon recht viel Spannung raus, wäre aber wohl noch kein Grund, sich wirklich zu beschweren. Leider wurde aber auch das ganze Drumherum sehr viel weniger detailreich und interessant gestaltet. Man weiß als Spieler nicht nur, dass es nach einem Raum definitiv wieder zu den anderen geht, man erkennt auch schnell, dass wichtige Gegenstände oder Informationen sich nicht einfach irgendwo finden lassen. So gut wie alles, was für den Verlauf der Geschichte wichtig ist, befindet sich in einem Safe. Also Schlüssel, Karten, Hinweise und Kernitems liegen einfach nur in diesem Kasten, den man nach erfolgreichem Rätseln öffnet. Aus diesem Muster bricht das Spiel nur ganz selten aus und brenzliche Vorfälle sind auch eher rar gesät. Vieles, das zur Geschichte beiträgt passiert nicht während, sondern zwischen den Escape-Phasen, was vielleicht den Vorteil bringt, dass meist alle Charaktere auch alle relevanten Informationen mitbekommen – allerdings leidet der Bezug zu den einzelnen Personen und Räumen dadurch deutlich. Das Gefühl, in abgeschiedenen Plätzen mit bestimmten Leuten eine Weile lang festzusitzen, ist nicht gegeben, und die Neugier und die Nervosität, was man wohl vorfinden wird, beschränkt sich eben am ehesten auf das Öffnen des Safes. Damit verkommen die Escapes zu einer Routine, die man einfach mal wieder hinter sich bringen muss, um mehr von der Geschichte zu erfahren. Dann war es zwar schon oft so, dass Sigma hauptsächlich mit den Leuten zu tun hatte, mit denen er auch die Rätsel gelöst hatte, aber es fühlte sich nicht an, als würde das „natürlich“ entstehen. Ich hatte immer das Gefühl, dass Sigma mit einer bestimmten Person interagiert, weil er gerade die Route von dieser verfolgt. Richtig sollte aber sein, dass die Route einem bestimmten Charakter zugeteilt wird, weil Sigma so viel mit diesem zu tun hatte. Versteht man, was ich damit meine?
Es fehlt den Räumen an sich in VLR also einfach etwas an Tiefe und Detail. Es gibt in ihnen im Vergleich seltener Geheimnisse, weniger Nebengeschichten und kürzere Interaktionen - beziehungsweise sind diese ganzen Dinge einfach an anderen Zeitpunkten viel konzentrierter. Zu entdecken und aufzulösen gibt es immer noch genug, die Aufteilung ist einfach nicht ganz so optimal. Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass diese Punkte an sich nicht so ein Problem wären und den Spielspaß allgemein nicht wirklich trüben. Vermutlich würden sie mir gar nicht wirklich auffallen, wenn es 999 für mich nicht einfach besser gemacht hätte.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen