Mittwoch, 10. Februar 2016

999 vs. Virtue's Last Reward #3


Im dritten Teil meines Vergleichs befinden wir uns immer noch eher beim allgemeinen Spielverlauf, auch wenn es diesmal teilweise wirklich schon ins Detail geht. Nachdem die Sache mit den Schauplätzen und den Rätselräumen abgehandelt wurde muss nun noch das signifikante Kernelement beider Spiele verglichen werden: Das Nonary Game, bzw. der Aufbau und die Ausführung des Spieles an sich. Es geht hierbei noch nicht wirklich um storytechnische Dinge, zu denen komme ich bei den letzten beiden Punkten meines Vergleiches.
Das Nonary Game an sich ist ja in alle Dingen, die ich bereits erwähnt habe, irgendwo eingebettet - die geheimnisvolle Location, das fehlende Wissen des Spielers über den Ablauf, die Geschichten über mysteriöse Phänomene und ausführliche Charakterinteraktion tragen alle etwas bei. Nun fehlen noch die Aspekte, die wirklich direkt mit diesem Spielelement zu tun haben.

3. Das Nonary Game
 
In „999“ beginnt man das Nonary Game mit folgenden Informationen: Es gibt nummerierte Türen, durch die immer nur eine bestimmte Anzahl Leute durch kann. Irgendwann gibt es auch eine Tür mit der Nummer 9, die den Ausgang kennzeichnet. Es gibt ein Zeitlimit.
Aus diesen drei wichtigen Komponenten ergibt sich eine unglaublich beklemmende Situation – man kombiniert unweigerlich, dass am Ende nicht alle Charaktere gerettet werden können, aber kann sich darüber erst mal keine Sorgen machen, da man zuerst vor ganz anderen Problemen steht. Es muss nämlich schnell genug gerätselt werden, um überhaupt im Zeitlimit einerseits die Detonatoren in den Armbändern zu deaktivieren und andererseits durch alle vorangegangenen Türen zu kommen.
Die Tatsache, dass man die Tür Nr. 9 erst spät zu sehen bekommt (und in manchen Enden gar nicht), hilft hier unglaublich. Denn so hat man als Spieler ständig die Frage im Hinterkopf, was man bloß machen soll, wenn man erst mal dort angekommen ist. Wen soll man zurücklassen? Wer wird sich einen gewaltsamen Weg zum Ausgang bahnen? Wem kann man trauen? Egal was man im Spiel gerade erlebt, das Dilemma mit der 9er Tür schwebt unweigerlich immer irgendwo im Raum. Und dann, wenn man sieht, dass es zwei „Ausgänge“ gibt, ist das wie eine Offenbarung. Ich hatte da so eine Gänsehaut – alles hätte so reibungslos verlaufen können, jede Sorge war umsonst! Auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die 9er Türen nicht den tatsächlichen Ausgang darstellen und prinzipiell wahrscheinlich jede auch öfter durchschreitbar ist, wird dieser eine Moment trotzdem einzigartig.
Das Zeitlimit ist dann einfach so ein netter Beigeschmack. Es ist in jedem Fall nicht so wichtig, wie die Sache mit der 9er Türe, aber gibt einfach nochmal so einen kleinen, zusätzlichen Kick. Das klappt aber nur, weil die Zeit einem durch die Finger zu rinnen scheint. Bei Unterhaltungen, Suchaktionen und Diskussionen wandern die Uhrzeiger immer recht rasch weiter und man fragt sich öfter mal, ob das Nonary Game in diesen 9 Stunden überhaupt machbar ist.

Das ist übrigens auch eine tolle Sache: Einfach alles richtet sich nach der schicksalhaften 9, wie der Name des Spiels ja auch subtil andeutet. ;0 Zahlen im Allgemeinen sind in „999“ immer und überall präsent und bedeutsam. Jedes Zeitlimit besteht aus irgendwas mit einer neun (z.B. einem Vielfachen davon), viele Rätsel basieren auf einem System, bei dem Zahlen mit Buchstaben dargestellt werden und die Nummern auf den Armbändern der Charaktere spielen auch öfter als im offensichtlichen Sinn eine Rolle. Auf so etwas stehe ich einfach. Schade ist nur, dass gegen Ende aus diesem System ausgebrochen wird – der tatsächliche Ausgang hat nichts mehr mit der Nr. 9 zu tun und manche Zahlen der Armbänder stimmen nicht mit den bisherigen Annahmen überein (und somit ist nicht jede Nummer von 1-9 enthalten). Das hätte man sicher besser lösen können und durchbricht einfach total das Mysterium der Zahlen und die wundervolle Kontinuität des Spiels. „Virtue’s Last Reward“ hat so etwas zum Glück nicht abgezogen, das liegt aber auch daran, dass so ein Twist dort gar nicht möglich gewesen wäre.

In VLR musste das Nonary Game natürlich geändert werden, weil die „Zero Escape“-Spiele total auf Spannung und Überraschungsmomente ausgelegt sind und deshalb dasselbe Prinzip dazu einfach nicht mehr funktioniert hätte. Die Macher haben sich auch etwas einfallen lassen, um Spannung auf andere Weise zu erzeugen, aber das funktionierte für mich nur eine bestimmte Zeit lang. Ganz entscheidend, neben den schon angesprochenen Punkten in vorherigen Einträgen, ist für mich der Standort der Tür Nummer 9. Nach 10 Minuten (oder je nachdem wie lange man für das Tutorial-Rätsel braucht) sieht man sie schon – sie befindet sich einfach deutlich sichtbar in der Lagerhalle, die zentraler Ort des Spiels ist. Von Anfang an ist klar: Dies ist der Ausgang und theoretisch können alle Leute durch. Das Mysterium der Tür und der dringende Wunsch, sie endlich zu finden und damit fliehen zu können, sind überhaupt nicht gegeben. Ja, sie öffnet sich nur ein Mal, und ja, es können nur alle durch wenn wirklich jeder Teilnehmer kooperiert, aber alleine dass man von Beginn an die Rettung direkt vor Augen hat und in der Theorie komplett weiß, wie man das Spiel gewinnt, vermittelt am Anfang ein weniger bedrohliches Gefühl.
Was die Bedeutung der Tür nochmal ein bisschen schmälert ist die Tatsache, dass Zahlen sonst eine eher untergeordnete Rolle spielen. Diesmal geht man mit Farbkombinationen durch die anderen Durchgänge und auch die Armbänder zeigen keine Nummern, sondern Farben an. Letztere wechseln  nach jedem Escape, was ich aber als positiv herausheben möchte. Der Fokus ist in VLR eben etwas anders - die Charaktere sind diesmal noch abhängiger voneinander und können mit Zusammenarbeit und Vertrauen sogar ermöglichen, dass alle Beteiligten heil aus der Sache rauskommen (und das wissen eben alle auch von Anfang an). Misstrauen und geheime Identitäten sind damit präsenter denn je, was im "Ally & Betray"-Spiel regelmäßig seinen Höhepunkt findet. Also ja, das AB-Spiel funktioniert vor allem Anfangs unglaublich gut – ob man jemanden betrügt oder auf blindes Vertrauen setzt, treibt das Adrenalin schon in die Höhe. Die Ergebnisse erwartet man immer mit Spannung und alle Wahlen bieten meist durchaus die ein oder andere Überraschung. Aber zumindest das eigene Gewissen wird nach einer Weile dann doch gar nicht mehr belastet. Irgendwann weiß man nämlich leider, dass es vollkommen egal ist, was man tut, denn um das Spiel voll und ganz zu erleben muss man ohnehin jede Entscheidung einmal treffen. Das True Ending wird nur erlebbar, wenn man alle anderen Routen durchbekommen hat, es gibt also dann keinen richtigen oder falschen Weg, sondern einfach nur jeden Weg. Immerhin kann man zwischen denen schnell hin- und herspringen, was etwas angenehmer ist als in „999“. Die Art der Wegbeschreitung ist aber - was ich besonders cool finde - gerade storytechnisch für beide Spiele jeweils total sinnvoll.

Zeitlimits gibt es in VLR dann auch noch, wovon nicht alle wirklich Druck ausüben. Für den Spieler werden nur die kurzen Countdowns wirklich relevant – zum Beispiel wenn die 9er Tür nach 9 Sekunden schließt oder das Gift aus dem Armband nach 9 Sekunden in den Körper injiziiert wird. Diese Zahlen fühlen sich übrigens auch etwas gezwungen an, da die Neun an sich ja nicht mehr so relevant ist und halt dann irgendwo immer mal wieder eingebaut wurde, um da zu sein.
Das Zeitlimit für das Nonary Game an sich ist in VLR ziemlich ignorierbar. Zwar ist immer vorgegeben, bis wann ein AB-Spiel spätestens gespielt werden muss (also wie lange die Charaktere sich davor mit Rätseln aufhalten dürfen), aber das ist immer so großzügig gewählt, dass man sich nie unter Druck fühlt. Aber gut, immerhin muss da auch der Großteil der Story in diese Zeitspanne hineingepresst werden, natürlich kann es da nicht so knapp hergehen. ;0

Das Nonary Game als Spielelement ist in VLR also recht schnell durchschaubar – ein beklemmendes Gefühl kommt nur beim AB-Spiel auf, und auch das vergeht mit der Zeit. Das Spiel schaffen zu können fühlte sich für mich deutlich möglicher an als im ersten Teil und ich habe selten unmittelbare Gefahr gespürt.
Am wichtigsten sind bei Zero Escape aber nicht das Gameplay oder die Rahmenbedingungen, sondern im Endeffekt die Geschichte. Diese kann immer noch alles retten, und beim nächsten Mal sehen wir uns deshalb an, welche üblen Machenschaften überhaupt dazu geführt haben, dass die Nonary Games zustande kommen konnten.

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