Mittwoch, 22. April 2015

Heavy Rain


Heavy Rain ist ein Spiel, das vorrangig eine spannende Geschichte erzählen will, in die der Spieler mit seinen Aktionen aktiv eingreifen soll. Vom Prinzip her ist es durchaus mit "The Walking Dead" zu vergleichen - das Gameplay dreht sich um Quick Time Events und Dialoge, die das weitere Geschehen beeinflussen. Allerdings legt Heavy Rain den Fokus deutlich mehr auf die QTEs und Interaktionen per Controller als auf tatsächliche Entscheidungen. Außerdem haben Aktionen hier weitaus mehr Tragweite - man muss quasi dauernd mit ernsthaften Konsequenzen rechnen, was man beim Spielen deutlich spürt. So wird man emotional noch mehr an die ohnehin mitreißende Story gebunden.
Die Geschichte fängt erst einmal relativ ruhig an - das Prolog-Kapitel dient vor allem dazu, die unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten auszuprobieren. So steigt man ins Tagesgeschehen von Protagonist Ethan Mars ein, der darauf wartet bis seine Frau mit den Kindern nach Hause kommt. Mit Pressen des L2-Buttons auf dem Controller kann man dabei seine Gedanken studieren, die immer recht hilfreiche Tipps geben, was man unternehmen könnte. So möchte Ethan sich erst duschen, bevor er sich anzieht und dann entweder arbeiten, sich im Garten ausruhen, etwas trinken und anderes Alltägliches machen kann. Die meisten dieser Aktionen steuert man wirklich aktiv - man klickt nicht einfach nur auf den Kühlschrank und dann läuft alles automatisch ab. Nein, man muss die Kühlschranktür öffnen, nach einem Getränk greifen und es dann auch noch trinken. Das sind mindestens drei unterschiedliche Bewegungen mit dem Joystick. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass oft solche Kleinigkeiten in mehreren Schritten ablaufen, aber es trägt auch extrem zur Immersion bei. Genauso wie die englischen Stimmen, denn die deutschen wirken schon am Anfang recht steif - ich habe die Sprache noch während dem Prolog geändert und war dann sehr zufrieden mit den Sprechern.

Im Prolog beobachtet man also ziemlich hautnah, wie Ethan Mars den Geburtstag seines Sohnes Jason erlebt, an dessen Ende sich eine Katastrophe ereignet - Jason wird von einem Auto überfahren und stirbt. Zwei Jahre später steigt man dann ins "richtige" Spiel ein. Inzwischen sind Ethan und seine Frau geschieden, er macht sich schwere Vorwürfe (weil Jason unter seiner Aufsicht war, als er starb) und schafft es nicht, sich ordentlich um seinen verbliebenen Sohn Shaun zu kümmern. Ganz nebenbei bekommt man durch Zeitungschlagzeilen von einen Serienmörder, der kleine Jungen entführt und tötet, etwas mit. Etwas später wird Shaun dann natürlich das nächste Opfer dieses sogenannten Origami-Killers und sein Vater setzt alles daran, ihn zu finden. Allerdings ist er nicht der einzige, der sich um das Überleben des kleinen Jungen bemüht.
In Heavy Rain spielt man eigentlich vier Charaktere, von denen Ethan zwar am meisten Kapitel abbekommt, aber sonst sind sie alle gleichberechtigt wichtig. Jeder von ihnen hat eigene Motive, um den Origami-Killer zu finden und jeder von ihnen kann auf diesem Weg versagen oder sterben. Ja, auch Ethan, es ist also keineswegs vorprogrammiert, dass Shaun gerettet wird - es gibt auch Enden, in denen der Junge stirbt und der Mörder nicht geschnappt wird. Wie schon gesagt, Aktionen in diesem Spiel haben starke Auswirkungen und bestimmen das Schicksal aller Charaktere völlig. Nicht auf eine billige Art und Weise, wo der Ausgang dann trotzdem vorprogrammiert ist. Wenn Ethan die Adresse, an der sein Sohn festgehalten wird, nicht herausfindet oder errät, ist er im Finale eben nicht dabei. Wenn niemand der Protagonisten an den Punkt kommt, Shaun finden zu können, dann gibt es das letzte Kapitel halt nicht und er stirbt. Gelingen und Versagen spielen hier also eine große Rolle, was, wie gesagt, noch mehr Spannung erzeugt. Vor allem, weil es nicht immer einfach ist, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.

Da die Quick Time Events das hauptsächliche Spielelement sind, um über Erfolg und Misserfolg zu entscheiden - und das ein integraler Bestandteil des Spiels ist - sind sie teilweise absichtlich schwierig. Nicht nur manche Kombinationen von Buttons, die man gedrückt halten muss, erfordern fortgeschrittene Fingerakrobatik, manchmal wird die richtige Lösung auch missverständlich kommuniziert. So hat man in einer Szene zum Beispiel einen Autounfall. Der Wagen überschlägt sich, landet auf der Oberseite und der Charakter sitzt noch im Sitz - also steht auf dem Kopf. Die Knöpfe, die man dann drücken muss, passen sich an diese neue Lage an. Ein Pfeil nach oben bedeutet eigentlich, dass man den Joystick nach unten bewegen muss, weil die ganze Szene ja auf dem Kopf steht. Bis ich das mal kapiert hatte. @_@ Bei anderen QTEs, bei denen man sich zwischen mehreren entscheiden kann, ist nicht klar verständlich, was die jeweilige Aktion bewirkt. So ist ein Nebencharakter bei mir gestorben, weil ich dachte meine Auswahl würde zur Rettung beitragen, obwohl genau das Gegenteil der Fall war. Letzteres ist ein bisschen ärgerlich, während ich bei den restlichen Schwierigkeiten durchaus positiv beeindruckt bin. Es soll ja nicht zu einfach sein.
Dieses kleine Missverständnis ist auch alles, was ich am Gameplay bemängeln kann, insgesamt kann ich mich also nicht beschweren. Etwas mehr Kritik habe ich an der Auflösung der Story, die ein paar Logiklöcher beinhaltet, um mehr Dramatik zu bieten. Und, um es dem Spieler möglichst schwer zu machen, selbst Sherlock Holmes zu spielen und die richtige Lösung vielleicht selbst herauszufinden.
Dazu komme ich gleich aber nochmal.
Ich möchte erst einmal sagen, dass die Story - Abseits von einem Logikfehler, der mich schon sehr ärgert - wirklich erste Sahne ist. Spannend, gefühlvoll und absolut mitreißend. Viel davon hängt auch mit den tollen Hauptcharakteren zusammen, mit denen man wirklich eine Bindung aufbaut. Dabei helfen auch die unglaublich überzeugenden Emotionen der Charaktere - während die Grafik allgemein ganz nett ist, punktet sie vor allem bei den Gesichtern. Details gibt es hier vor allem in den Gesichtsregungen, die denen echter Menschen in nichts nachzustehen scheinen. Gefühle werden so direkt ins Herz des Spielers projiziert, was früher oder später dazu führt, die Charaktere zu verstehen und sich wirklich in sie hineinversetzen zu können.

Jedenfalls, die Geschichte dreht sich, wie gesagt, um den sogenannten Origami-Killer. Dieser entführt seit drei Jahren immer im Herbst kleine Jungen und hält sie zwei bis drei Tage lang in irgendeinem Loch gefangen. Im Herbst regnet es in der Stadt, in der das Ganze spielt, fast ununterbrochen - die Kinder ertrinken in ihrem Gefängnis, sobald sich genug Regenwasser gesammelt hat. Danach trägt der Mörder die Leiche irgendwohin, wo die Polizei sie finden kann und hinterlässt eine Origami-Figur und eine Orchidee am Fundort.


Der verbliebene Sohn von Ethan Mars, Shaun, gerät nach ein paar spielbaren Kapiteln also in die Fänge des Killers und es bleiben ca. drei Tage, genauer gesagt 150 mm Niederschlag, um ihn zu finden. Ethan weiß das nur, weil der Mörder ihm eine kleine Schachtel zuschickt. Glücklicherweise befinden sich statt einem Finger nur fünf Origamis und ein Handy mit einer Speicherkarte darin. Das Ganze ist Part einer Art Schnitzeljagd - wenn Ethan die fünf Prüfungen des Mörder besteht, bekommt er die Adresse, wo Shaun sich befindet. Als wäre das nicht schlimm genug, hat Ethan aber auch noch andere Probleme. Seit dem Tod von Jason hat er regelmäßig Blackouts, die oft über Stunden gehen. Er kommt regelmäßig an einem völlig anderen Ort zu sich - mit einer Origami-Figur in der Hand. Auch als Shaun verschwand, hatte Ethan so ein Blackout und dies lässt ihn zu dem Schluss kommen, dass er wohl schizophren ist und sich selbst auf die Probe stellen möchte. Während ich das keine Sekunde lang geglaubt habe, verdichten sich die Beweise für die Polizei. Irgendwann steht Ethan also unter Mordverdacht, und muss, während er sich durch wirklich harte Prüfungen des Killers schlägt, auch noch dauernd vor den Gesetzeshütern fliehen.
Zum Glück bekommt er Hilfe von Madison Paige. Die ist Reporterin und trifft ihn zufällig in einem schäbigen Motel, weil sie mit heftigen Schlafproblemen zu kämpfen hat. Erst wittert sie die Chance auf eine große Story, mit der Zeit fühlt sie aber wirklich mit Ethan mit und möchte aus eigenen Stücken, dass er seinen Sohn retten kann. Sie hilft ihm dann des Öfteren (vor allem beim Fliehen vor der Polizei) und stellt eigene Nachforschungen an, die sie einige Male in Gefahr bringen.
Der dritte im Bunde ist Norman Jayden, der als FBI-Agent zum Origami-Fall hinzugezogen wurde. Er hat ein technisches Wunderwerk am Start - eine Brille, mit der er die Umgebung auf Spuren untersuchen und diese gleich analysieren kann. Das ARI, wie es genannt wird, hat aber wohl auch Auswirkungen auf seinen Körper - dies wird zumindest stark angedeutet. Norman ist außerdem süchtig nach der Droge Triptocaine und bekommt heftige Entzugserscheinungen wenn er es nicht nimmt. Ob Tripto ihm nun gegen die Nebenwirkungen von ARI helfen soll, oder sein Zustand nur von den Drogen kommt, wird nie genau erklärt. Er ist jedenfalls intelligent genug, um Ethan als Killer auszuschließen, der für ihn einfach nicht ins Täterprofil passt. So kapselt er sich von dem Polizisten Blake, dem größten Arsch der Nation, ab und will Shaun auf eigene Faust finden.
Der vierte Charakter ist Scott Shelby, der als Privatdetektiv arbeitet und selbst Hinweise zu den Serienmorden sucht. Er befragt hierbei vor allem die Eltern von vergangenen Opfern und ist eigentlich der erste, der auf einer richtig heißen Spur ist. Auch er muss sich bei den Ermittlungen oft aus Gefahrensituationen herausmanövrieren und hat hin und wieder mit Asthma zu kämpfen. Oh, und er ist der Origami-Killer.

Haha! Natürlich erfährt man erst gegen Ende, dass Shelby der Mörder ist, bis dahin ist er einer der liebenswertesten Charaktere überhaupt. In den meisten Kapiteln mit ihm hilft man den verbliebenen Eltern, zumindest wenn man möchte. So vereitelt man einen Überfall auf einen schwächlichen Ladeninhaber oder bewahrt eine Mutter vor dem Selbstmord und kümmert sich um ihr Baby. Es gibt durchaus Hinweise aufs Scotts wahre Identität - sein Asthma wird in einer Rückblende über den Origami-Killer als Kind angedeutet und die Beweise, die er im Laufe des Spiels sammelt, fasst er nicht ein Mal an. Trotzdem sind die ganzen Hinweise, die Jayden die meiste Zeit über so sammelt, völlig irrelevant und weisen nicht im Geringsten auf Scott hin. Außerdem gibt es eine Sache, die meiner Meinung nach absolut vorsätzlich verhindert, dass man als Spieler auf die richtige Fährte kommt. Irgendwann in der Mitte des Spiels wird ein Mann ermordet, der Shelby und Lauren (eine Mutter, die darauf besteht, dem Detektiv zu helfen) im Fall wirklich weiterbringen hätte können. Der Kerl wird im Hinterzimmer seines kleinen Ladens umgebracht, während der Spieler Scott steuert und sich gerade irgendwo anders umschaut - trotzdem soll er am Ende auch hier der Mörder gewesen sein. Wie soll das denn gehen? Ich habe geblinzelt und damit diese Szene verpasst?^^
Das geht meiner Meinung nach absolut nicht. Wenn ich einen Charakter steuere, dann nehme ich an, dass ich in dem Moment alles von ihm miterlebe. Das ist einfach logisch. Dann aber zu sagen  "Oh, diese Szene haben wir nicht gezeigt, weil das ja alles viel zu früh aufgelöst hätte, aber es war einfach so." ist so billig, dass ich es kaum fassen kann. Gerade bei einer Kriminalgeschichte ist zumindest eine gewisse Grundlogik doch das A und O. Die Gänsehaut, wenn am Ende alles Sinn ergibt, blieb mir hier jedenfalls aus, weil es nun mal keinen Sinn ergibt.
Ansonsten war ich mit der Auflösung aber zufrieden. Es war supercool gemacht, wie im Spiel aufgedeckt wurde, dass Shelby der Origami-Killer ist, und seine Motive waren auch irgendwie cool.
Vor 30 Jahren (oder so, es gibt bei der Zeitspanne auch Logikdiskrepanzen mit dem Alter von Scott) ertrank sein Zwillingsbruder auf einer Baustelle in Regenwasser und sein eigener Vater hätte helfen können. Das tat er aber nicht, und Shelby wollte einen Vater finden, der für sein Kind alles geben würde. Womit wir wieder bei Ethan und den anderen wären.

Wie gesagt, am Ende kann alles passieren - sogar, dass niemand Shaun findet und Scott Shelby einfach davonkommt. Um die genauen finalen Ereignisse zu bestimmen, dienen viele der früheren Kapitel. Während Ethan sich damit beschäftigt, die Prüfungen des Killers zu erledigen, kann er nicht sterben. Trotzdem sind sie alle wirklich unglaublich aufregend, vor allem wenn man nicht weiß, dass man da noch sicher überleben wird. Ethan kann aber verhaftet werden und wenn er Pech hat auch so lange im Gefängnis sitzen, um das komplette restliche Spiel zu verpassen.^^ Im letzten Kapitel kann er aber dann auch umkommen.
Jayden und Madison haben dafür während des Spiels mehrere Möglichkeiten, das Zeitliche zu segnen. Sie haben aber auch Einfluss auf Ethan - Jayden kann ihm ein Mal einen Ausbruch aus dem Gefängnis ermöglichen, während Madison ihm den Fundort von Shaun per Telefon durchgeben kann, sollte sie ihn richtig ermittelt haben, er aber nicht.
Shelby kann natürlich bis zum Finale nicht sterben, obwohl er oft in Situationen kommt bei denen der Spieler denkt, er wäre in ernsthafter Gefahr. Bei ihm hängt das meiste davon ab, wie die restlichen Charaktere sich geschlagen haben.
Es gibt für jede Person mehrere Variationen des Endings, selbst wenn der gröbere Ausgang derselbe ist. Ethan kann zum Beispiel, wenn alles gut ausgeht, mit Madison zusammenkommen, sich mit seiner Ex-Frau versöhnen oder alleine, aber glücklich Vater sein. Jayden kann, wenn er als Held gefeiert wird, trotz allem psychische Schäden von dem Tripto behalten oder eben nicht. Und Shelby wird, sollte er nicht erwischt worden, aber Lauren noch am Leben sein, von ihr erschossen.
Es gibt also wirklich unzählige Möglichkeiten für den Ausgang der Geschichte, was nicht einfach eine leere Phrase ist. Das ist auf jeden Fall eine der besten Ausführungen für verschiedene Enden, die ich kenne. Vielleicht sogar die beste.
Bei mir überlebten übrigens alle außer Scott (und Lauren) - Ethan wurde mit Madison und Shaun glücklich (scheiß auf die Mutter! Ernsthaft, die war blöd. :0), Jayden wurde gefeiert, war aber psychisch angeschlagen und der Origami-Killer bekam aus irgendwelchen Gründen ein sehr hübsches Grab. Vielleicht von seinen Adoptiveltern, die niemals vorkamen.

Nun, wie auch immer, ich denke ich habe jetzt so gut wie alles zu diesem Meisterwerk geschrieben, was mir wichtig war. Die Geschichte empfand ich als eine der spannendsten, die ich jemals spielen durfte und die Charaktere wuchsen mir wirklich sehr ans Herz. Ich hatte selbst Mitleid mit Shelby und ließ ihn am Ende eigentlich nur so schnell wie möglich draufgehen, damit Jayden nichts passieren konnte. In Jayden war ich so ein bisschen verknallt. ;D Ich war wahnsinnig glücklich, dass ich echt allen Hauptcharakteren, die nicht der Killer waren (;0), ein Happy Ende verschaffen konnte. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet. xD
Zum Schluss noch zwei Kleinigkeiten: Einer meiner Lieblingsmomente war, als sich herausstellte warum bei jedem Kapitel die Millimeter-Angabe angezeigt wurde - die stand schon seit Shauns Verschwinden am Bildschirmrand und es war ziemlich krass zu erfahren, dass das den Stand des Regens in seinem Gefängnis anzeigte. *__*
Ziemlich cool ist auch, dass dem Spiel ein spezielles Stück Papier beliegt. Während Heavy Rain installiert wird (oder was auch immer da passiert), sagen einem Bildschirmanweisungen wie man es falten muss, damit die Figur entsteht, die auch das Cover ziert. Einfach super.
Also, Game of the First Four Months 2015. Oder so. xD

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