Mittwoch, 27. September 2023

Tails Noir Preludes


Manch einer mag hier verwirrt sein, denn bis vor kurzem gab es kein Spiel, das "Tails Noir" hieß, und wovon sollte dann diese Prelude sein? Nun, witzige Geschichte. Die Macher von "Backbone" (mein Bericht ist hier zu lesen) haben, ohne jegliche Ankündigung und in wahrem Stillschweigen tatsächlich den Titel ihres Spiels geändert. Backbone heißt also nun Tails Noir, und das hier sind die Vorgeschichten dazu. Ja, wirkt überhaupt nicht shady oder so.
Ich habe dieses Spiel hier im Sommer geschenkt bekommen, als es noch den alten Namen hatte, und ich habe mich auch wirklich darauf gefreut. Als ich wenig später aber gesehen habe, dass plötzlich alles kommentarlos anders benannt wurde, verging mir diese Freude eigentlich wieder. Wäre das ein bisschen früher passiert, hätte ich das Spiel definitiv von meiner Wunschliste genommen, und niemand hätte es mir mehr geschenkt. Wie man es dreht und wendet, es ist schon wirklich eine seltsame Sache und hat einen schlechten Beigeschmack.
Aber, und das sage ich auch ein bisschen mit weinendem Auge, mir wäre dann etwas entgangen. Denn Tails Noir Preludes hat mir wirklich gut gefallen, und für mich persönlich auch die Charaktere aus Backbone, ähem, Tails Noir, weiter bereichert.


Die Preludes sind insgesamt vier Vorgeschichten. Drei von bereits bekannten und relevanten Charakteren aus Tails Noir, und eine von einer unbekannten Person, die aber eng mit dem Artefakt verknüpft ist - eben der übernatürlichen Erscheinung, die im Hauptspiel am Ende alles in eine komplett neue Richtung lenkt und schließlich Howards Verderben ist.
Die Geschichte von Edi, also eben jenem Wissenschaftler, beantwortet eigentlich keine Fragen zu diesem Mysterium, war aber für mich trotzdem spannend - weil ich wollte, dass er und sein Partner überleben, was gar nicht so einfach war.
Und damit komme ich auf die gesamte Spielmechanik zu sprechen: Entscheidungen, Entscheidungen, Entscheidungen. Natürlich kann man den Lebenslauf von Howard, Renee und Clarissa nicht grundlegend verändern, da wir ja schon wissen, was aus ihnen wird. Aber bei Eli ist das natürlich etwas anderes, da er in Tails Noir nicht vorkommt, und außerdem ist es auch gar nicht so notwendig, wirklich realitätserschütternde Entscheidungen zu treffen. Es geht mehr darum, die Charaktere persönlich zu entwickeln, statt ihre Taten zu beeinflussen. Bei Renee fand ich das am schwächsten, Clarissa war sehr interessant, Eli eben vor allem am Ende spannend, und Howard war einfach... oh Gott, the feels.
Ich mochte Howard und auch Larry ja im vorigen Spiel schon ziemlich, und nun ihre Beziehung zueinander, wo alles noch gut war, mitzuerleben, hat mich emotional schon wirklich sehr berührt.
Ansonsten hat es einfach Spaß gemacht, Unterhaltungen zu führen und die Protagonisten reagieren zu lassen, weil es einfach so viele Dialoge und Dialogmöglichkeiten gibt. Man hat wirklich das Gefühl, eine Unterhaltung merkbar zu lenken und den Ton von dieser zu bestimmen. Und mir hat das komplett für den Spielspaß genügt.
Die wenigen Minispiele, die eingebaut wurden, sind kaum der Rede wert und lockern das Geschehen ein wenig auf - nerven aber dann bei einem zweiten Durchgang, wenn man alle Achievements holen will.


Vermutlich ist es unabdingbar, Tails Noir zuerst zu spielen und daraus auch zumindest einen Teil der Charaktere zu mögen oder interessant zu finden. Ohne das gibt einem Preludes wahrscheinlich nicht wirklich etwas. Zwar würde ich das Spiel als charakterfokussierte Visual Novel schon empfehlen, aber ohne die Zusammenhänge ist die Substanz trotz allem etwas zu dünn.
Was ich allerdings ohne Abstriche wirklich als absolut top bezeichnen würde, ist die wunderschöne Pixelgrafik. Diese wurde meiner Meinung nach nochmal verbessert, dabei war sie in Tails Noir schon ziemlich hübsch. Hier in Preludes ist jeder Screen voll mit Details, dauernd bewegt sich etwas, wird stimmungvoll in Szene gesetzt oder ergibt ein atmosphärisches Gesamtbild und - das ist jetzt der große Unterschied zum Vorgänger - selbst beim Heranzoomen in Dialogszenen sieht immer noch alles toll und nicht so verwaschen aus.
Ansonsten sind alle Achievements recht leicht zu holen, die einzelnen Abschnitte der Charaktere sind sehr abwechslungsreich, und die Musik trägt auch gut zum Geschehen bei. Aber obwohl es in den Credits Voice Actors gibt, machen die Personen eigentlich nur Geräusche, und es ist nichts vertont.

Im Endeffekt muss ich mir eigentlich zweimal überlegen, ob ich einen so undurchsichtigen Entwickler, der viele Leute ja schon mit dem ersten Spiel enttäuscht hat (wegen nicht eingehaltener Kickstarter-Versprechen), unterstützen will. Preludes war jetzt eigentlich das, was dieses "zweite Mal Überlegen" war. Und damn, leider bin ich schon relativ begeistert. Also sind die Chancen hoch, dass ich weiteres Backbo- ich meine, Tails Noir, wohl auch spielen würde.

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