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Samstag, 14. Oktober 2023
The Sexy Brutale
Tequila Works, der Entwickler dieses Spiels (gemeinsam mit Cavalier Game Studios), war mir bereits von RiME ein Begriff. Dementsprechend habe ich auch einiges erwartet - wurde aber erst einmal eher enttäuscht. Erst am Ende konnte ich, und zwar nur was die Geschichte angeht, dann doch irgendwie nachvollziehen, dass hier dasselbe Studio involviert war.
Auf den ersten Blick ist The Sexy Brutale sehr... clunky. Die Grafik ist gewöhnungsbedürftig, die Fortbewegung und Steuerung sind ungelenk, und unnötige Animationen stellen einen manchmal vor eine Geduldsprobe. Gerade Letzteres ist hier tatsächlich ein valider negativer Punkt, denn in diesem Spiel geht es um Zeit. Bestimmte Dinge müssen vor oder nach einem bestimmten Zeitpunkt erledigt werden, und wenn man bis Mitternacht unterwegs ist, dreht sich alles wieder zurück und man fängt von vorne an. Jeglicher Fortschritt und die meisten gesammelten Items gehen dabei verloren. Natürlich ist diese Zeitschleife das Herzstück des Gameplays, wird sinnvoll in die Geschichte eingewebt, und eigentlich ist insgesamt alles relativ großzügig angelegt. Aber das weiß man ja nicht von Anfang an. Ich habe mich im ersten Drittel des Spiels übelst gestresst, bevor ich endlich ein Gefühl dafür entwickelt hatte, was ich überhaupt tun kann und soll, wie das beste Vorgehen ist und dass man bei den meisten Sachen relativ entspannt "einfach mal gucken" kann. Und naja, man kann natürlich jederzeit die Geschehnisse wieder auf den Anfangspunkt zurücksetzen, aber das Herumlaufen kam mir manchmal so umständlich vor, dass ich eigentlich eher vermeiden wollte, wieder von vorne anzufangen.
Ganz fair ist dieser Ersteindruck jetzt nicht, denn nach dem dritten Mord hatte ich dann einfach den Dreh raus, und konnte deutlich mehr Spaß an allem finden. Dann erkennt man auch, dass die Lösungen der jeweiligen Fälle immer relativ naheliegend sind - also eigentlich immer in der Umgebung, wo man zuletzt aufgehört hat - und man fast automatisch in die aktuelle Aufgabe hineingeschoben wird. Ich war nur am Anfang einfach sehr dumm.
Aber gut, um das zu erklären sollte ich vielleicht auch einmal beschreiben, worum es überhaupt geht.
The Sexy Brutale beginnt damit, dass der Protagonist namens Lafcadio vor einer Standuhr erwacht - natürlich ohne Erinnerungen. Eine sehr hässliche Frau aus rotem Schleim (vermutlich ist es eher Blut, aber die Grafik ist halt wirklich oft nicht schön) trägt uns dann auf, den Mord an einem Gast zu verhindern. Wir befinden uns nämlich in einer riesigen Villa, in der sich neben anderen Unterhaltungsetablissements das namensgebende Theater befindet. Der Marquis dieses stattlichen Gebäudes hat Leute von Rang und Namen, und vor allem enge Freunde, zu einer großen Aufführung eingeladen. Nun gehen aber seltsame Dinge vor sich - alle Gäste tragen Masken, die Angestellt auch und verhalten sich darüber hinaus überaus seltsam, und früher oder später scheinen alle Anwesenden von diesen Angestellten umgebracht zu werden.
Lafcadio muss einen nach dem anderen retten. Allerdings sterben die Gäste, deren Tod er gerade nicht verhindert, in jeder Zeitschleife trotzdem wieder, weil alle Ereignisse an diesem Tag tatsächlich organisch immer gleich ablaufen - und Dinge nun auch einmal gleichzeitig passieren. Das wirft natürlich eine gewisse Frage nach dem, was hier wirklich vor sich geht, auf, was man dann auch in einem fulminantem und überraschend emotionalem Finale herausfindet.
Nicht alle Spieler mochten den melancholischen Unterton und die Bedeutung des Endes, aber ich bin halt ein Sucker für sowas, und konnte da außerdem eben auch endlich das Gefühl wiederentdecken, das in RiME quasi über das ganze Spiel hinweg da ist.
Aber zurück zum Gameplay. Die Tode der Gäste verhindert man, indem man sie zum richtigen Zeitpunkt belauscht und beobachtet, und indem man kleine Rätsel löst, um etwas am Ablauf zu verändern. Man hat dabei gewisse Einschränkungen - zum Beispiel versperrte Wege oder herumlaufende Leute, die einen nicht entdecken dürfen. Es ist kurz zusammengefasst einfach ein Puzzle-Game mit dem gefaketen Anstrich eines Mystery-Games. Ich hätte auch behauptet, dass vielleicht ein bisschen Stealth mit dabei ist, aber als ich am Schluss noch alle Achievements gesammelt und das komplette Haus auf den Kopf gestellt habe, ist mir aufgefallen, dass es nur bedrohlich wirkt, wenn man jemandem begegnet. Man kann an den Leuten sogar einfach quer durch einen Raum vorbeilaufen und es passiert rein gar nichts. Also wieder ein Spielelement (wie das "Zeitlimit"), das mich zuerst nervös gemacht hat, obwohl in Wahrheit nichts dahinter ist. Ich weiß nicht, wie gut ich das finde.
Wenn man The Sexy Brutale wirklich durchschaut hat, kommt man sich teilweise etwas lächerlich vor, wie ernst man manche Mechaniken genommen hat, die aber keine tatsächlichen Konsequenzen haben. Das schwächt das Gameplay schon sehr ab und wird damit eigentlich noch mehr zu einem eher negativem Punkt.
Es hilft dabei auch nicht, dass zum Beispiel die Map im Hauptmenü überhaupt keine Hilfe ist, weil wichtige Hinweise auch darauf bleiben, wenn man sie schon erledigt hat, man den Text dort sowieso nicht lesen kann, und auch die Raumausstattung auf der Skizze nicht wirklich erkennbar ist. Also versuch mal einen Raum zu finden, wo ein Spiegel drinnen steht, damit du ihn als Portal benutzen kannst, ohne dass du auswendig weißt wo einer ist.
So quälte ich mich also gestresst und äußerst dumm durch die ersten drei Morde. Ich habe teilweise die Leute zuerst nicht mal gefunden, die ich beschützen sollte, weil ich halt auch das Gefühl hatte, mich nicht frei bewegen zu können und mir auch keine Zeit genommen habe, genauere Blicke zu riskieren. Erst beim vierten Mord wurde ich entspannter und kam mit den Limitierungen besser zurecht - weil ich mich einfach daran gewöhnt hatte und eben eh nie irgendwas Schlimmes passiert ist.
Da fing das Spiel auch an, mir mehr Spaß zu machen. Vielleicht lag es aber zusätzlich auch an den Fähigkeiten, die Lafcadio mit jeder Lebensrettung dazu bekam - damit öffnen sich mehr Türen, man kann Abkürzungen benutzen oder endlich in Gebiete, die einem schon ewig unzugänglich vor der Nase herumtanzten. Je stärker Laffy also wird, desto mehr kommt er herum, und desto spaßiger wird auch das Spiel.
Ich habe am Ende eben sogar alle optionalen Sammelsachen noch geholt und wirklich jeden einzelnen Eintrag in der Broschüre (so etwas wie ein Tagebuch) freigeschaltet, sowie alle Enden selbst erspielt - auch das ganz geheime, wofür man wirklich alles haben musste. Also noch kompletter als das hier geht es gar nicht.
Im Endeffekt war ich insgesamt trotzdem eher enttäuscht, weil ich mir von The Sexy Brutale eigentlich relativ viel versprochen habe. Es hat auch recht gute Bewertungen (wenn ich mich auf Steam entscheiden müsste, würde ich auch eher ein Thumbs Up als Down geben) und war vor ein paar Jahren, wo ich anfing mich mit kleineren Spielen zu beschäftigen, sogar noch relativ oft im Gespräch. Aber mir wird es jetzt nicht so wirklich im Gedächtnis bleiben, und wenn dann eher für den beschwerlichen Anfang, als für die anderen zwei Drittel, in denen ich schon auch Spaß hatte. Naja schade.
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