Montag, 9. September 2019

Life is Strange: Chrysalis


Ich bin wahrscheinlich mal wieder die Letzte auf diesem Planeten, die Life is Strange spielt. Aber das ist bei solchen Titeln ja immer so bei mir - ich schiebe gerade die, die einen richtig guten Ruf haben, immer lange vor mich hin. Weil ich nicht immer in der Phase bin, mich emotional in solche Abgründe zu begeben. Oder so. Aber hey, es lief dieses Jahr mit Valiant Hearts schon ganz gut, also war ich endlich bereit, auch Life is Strange anzugehen.
Ich muss sagen, ich bin überrascht wie wenig ich mich bei der Bekanntheit des Spiels eigentlich gespoilert habe. Ich wusste, wie der Hauptcharakter aussieht, kannte den Namen der Blauhaarigen, und habe ein Gameplay alà The Walking Dead erwartet. Also Entscheidungen und eventuell QTEs, nur ohne Zombies. Das hat dazu geführt, dass ich erst mal übelst geflasht von der Fähigkeit war, die Zeit zurückzudrehen. Ja, Leute, ich wusste nicht mal davon irgendwas.^^ Ansonsten hat die erste Episode aber vor allem ein gemütliches Tempo und wollte wohl, dass der Spieler erst mal in die Welt eintaucht und einen gewissen Bezug herstellen kann. Und das hat ganz formidabel funktioniert.

Erst einmal ist Max eine extrem mögenswerte (?) Protagonistin. Ich war zu Beginn ein wenig überwältigt davon, dass sie nicht nur zu allen möglichen kleinen Details etwas zu sagen (oder denken) hat, sondern auch ein recht umfangreiches Tagebuch führt. Nach anfänglicher Überwindung meiner Faulheit, alle Texte zu lesen, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das schon gleich sehr zur Immersion beiträgt. Und je länger man spielt, desto flüssiger liest sich alles, weil es sich immer natürlicher anfühlt. So als würde man wirklich einem echten Menschen über die Schulter schauen, oder gar ein bisschen zu diesem Menschen werden.
Also ich identifiziere mich schon sehr mit Max. Ich habe zwar nichts mit Fotografie am Hut, und vielleicht habe ich auch nicht so eine Leidenschaft für irgendetwas in mir (und schon gar kein Talent :D), aber dafür sind da viele andere Sachen. Ich wäre auch die, die lieber nicht auffällt, sicher nicht bei den stylebewussten, reichen Kids Zugang finden würde und ich sehe mich definitiv in der Rolle der Freundin, die sich einfach fünf Jahre nicht meldet und sich immer mehr dafür schämt, ohne dagegen etwas zu tun.
Äh, aber wie auch immer. Wir werden also mit viel Feingefühl in das Leben von Max geworfen, wie sie im Unterricht von einem riesigen Wirbelsturm träumt, nach ein paar restlichen Minuten in der Klasse zur Toilette geht und den Mord an einem Mädchen mitansehen muss. Und plötzlich dreht Max die Zeit zurück und erlebt diesen Tag nochmals von dem Moment an, als sie im Unterricht erwachte. Geiler Scheiß zum Auftakt, auch wenn es danach lange Zeit lang wieder sehr ruhig wird.


Aber das ist eben der zweite Grund, warum man sehr schnell eine Bindung zu dem Spiel aufbaut. Die eigentliche Mission in der ganzen ersten Episode ist (nachdem man eben verhindert hat, dass Nathan, der Schnösel der Schule, ein Mädchen erschießt), einen Flashdrive vom eigenen Studentenzimmer zu holen und einem Typen namens Warren zu geben. Man verbringt dennoch Stunden damit, herumzulaufen, zu quatschen und einfach Momente zu erleben. Neben den vielen Details in der Umgebung, zu denen Max etwas zu sagen hat, ohne dass es wichtig ist (aber trotzdem interessant), gibt es sehr viele Nebencharaktere, die tatsächlich wie eigenständige Menschen wirken. Alle machen irgendetwas, bis Max sie anspricht, und alle haben ihre Geschichten und Charakteristika, selbst wenn das eigentliche Gespräch mit ihnen nicht lange dauern sollte. Ich bin sicher, dass nicht alle von ihnen ihre großen Auftritte bekommen, und dennoch sind sie da, leben ihr leben, und ich nehme ihnen das ab. Die Welt wirkt also richtig lebendig. Das ist vermutlich das, was mir an dieser ersten Episode am meisten gefallen hat und mich auch gleich in seinen Bann gezogen hat. Auch das Zurückdrehen der Zeit wurde natürlich immer wieder relevant. Einige Rätsel mussten damit gelöst werden: Erst sieht man sich eine Situation an, die schwierig erscheint, um dann die Zeit zurückzudrehen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen, damit sich der Ausgang ändert. Oder man ändert Gesprächsverläufe, z.B nutzt man Informationen von einem späteren Zeitraum im Dialog gleich zu Anfang, um andere Aussagen zu bekommen. Vielleicht dreht man die Zeit auch einfach nur zurück, um ungeschehen zu machen, dass man eine Glaskugel zerbrochen hat, heh.^^
Es gibt viele Situationen, in denen man Max' Fähigkeit einsetzen kann, was natürlich extrem praktisch ist, aber mir auch ein bisschen Sorgen bereitet. Das ist jetzt alles sehr bequem, auch wenn es oft Lose-Lose Situationen gibt, in denen man sich nicht vollkommen richtig entscheiden kann, egal wie oft man nochmal von vorne anfängt.^^ Aber gerade für mich ist das trotzdem tipp topp, weil ich erst mal sehen kann, was passiert, wenn ich das oder was anderes mache. Hätte ich das mal in The Walking Dead gehabt. ;0 Natürlich ist das aber auch ein bisschen verdächtig und zu bequem.

Bei manchen Einsätzen ihrer Fähigkeit sieht Max schon ziemlich schmerzverzerrt aus. Da kommt bestimmt noch was, damit ich den Schmarrn weniger benutze. Eventuell werde ich manchmal weniger Schwierigkeiten damit haben, mich zwischen zwei Ausgängen zu entscheiden, als  zu überlegen, ob es sich lohnt, die Zeit überhaupt zurück zu drehen?
Aber gut, das ist alles Zukunftsmusik. Momentan ist mein größtes Problem bestimmt, dass in ein paar Tagen dieser riesige Wirbelsturm auf die Stadt zukommt und alles zerstören soll.
Denn Max scheint auch die Zukunft zu sehen, zumindest im Bezug auf diese Katastrophe. Und neben all den großen und kleinen zwischenmenschlichen Dingen, die bisher alle sehr interessant scheinen, ist das vermutlich der Grund, warum wir überhaupt in dieser Situation stecken.^^ Und mit "wir" meine ich mich, Max und Chloe, die zum Glück eine Person ist, der man all die geheimen Vorkomnisse am Ende der Episode erzählen konnte.
Sie ist auch die Kindheitsfreundin, die Max "fallen gelassen" hat, und außerdem auch das Mädchen, das in der Toilette am Anfang gerettet wurde. Oh, und natürlich die Freundin (und vermutlich mehr als das) von Rachel Amber, die vor einem halben Jahr verschwunden ist. Das scheint auch noch eine irre wichtige Sache zu sein, auf die ich schon sehr gespannt bin. In Episode 2 werde ich dann auch wie gewohnt (von den anderen episodenhaften Spielen) ausführlich erzählen, was alles passiert ist, aber das erschien mir hier einfach noch nicht besonders sinnvoll. Einige Entscheidungen habe ich mir aber aufgeschrieben, einfach aus Interesse, ob ich die Konsequenzen sehe. Neben den vier "großen" Entscheidungen (siehe dann das Bild weiter unten) habe ich noch einiges anderes gemacht:

Ich habe die Petition gegen die Überwachungskameras unterschrieben, habe mein Portrait malen lassen, habe Kates Türschild verändert, nachdem da was Beleidigendes oben stand, ich habe Victorias Fotos in Ruhe gelassen (erst nach einem Rewind), habe Dana ehrlich nach der Schwangerschaft gefragt (auch erst nach einem Rewind), ich habe Alyssa vor dem Football gerettet, und habe einen Vogel vor dem Tod bewahrt.
Bei den großen Entscheidungen habe ich mich selbst aber am besten in Max wieder erkannt. Dem Direktor habe ich erst nichts von Nathans Pistole (da, wo man Chloe am Anfang rettet) erzählt, aber dann die Zeit zurück gedreht, weil ich um Max' Ausbildung gefürchtet habe. Natürlich hat das Petzen nichts besser gemacht, aber das war mir dann trotzdem lieber.^^" Bei Victoria wäre ich genau der blöde Idiot gewesen, der erst Rache will und dann trotzdem Mitleid hat. Also habe ich genau so gehandelt. Kate habe ich erst nicht geholfen, weil ich keinen Ärger wollte. Und wenn sie nicht bemerkt hätte, dass Max nur zugesehen hat während sie vom Security Typen niedergemacht wurde, hätte ich das auch so gelassen. Ja, so eine Freundin bin ich. xD Aber da ich aufgeflogen bin, habe ich das nochmal korrigiert. xD Dafür bin ich aber bei Chloe zu Hause schön versteckt geblieben, und habe mir da die Alternative nicht mal angesehen. Deren Enttäuschung verkrafte ich leichter, weil die eh dazu gezwungen ist, noch eine Zeit lang mit Max rumzuhängen, haha.
Naja, und ansonsten kann ich nur sagen, dass ich Warren als Person ganz cool finde, er aber von Anfang an eigentlich blöd dargestellt wird. Bevor man ihn trifft wirkt er vor allem nervig, weil man hundert SMS von ihm hat, und er so gezwungen nerdig rüberkommt. Aber er selbst ist eigentlich sehr nett, und hat immerhin die Schläge von Nathan, der momentan wie eine tickende Zeitbombe wirkt, eingesteckt, damit Max fliehen kann. Das ist deshalb relevant, weil es doch bestimmt noch zu Love Interest Schwierigkeiten kommen wird. Mal sehen wer mein Herz dann erweichen kann, da kann ich momentan noch gar nichts sagen.


Ich bin bisher auf jeden Fall sehr angetan und möchte sehr dringend wissen wie es weiter geht. Und, damit es nicht ungesagt bleibt, der Soundtrack ist ganz ganz fantastisch. Das hier hat definitiv Game of the Year Potenzial, das fühle ich jetzt schon.

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