Wie ich schon vor einiger Zeit angekündigt hatte, habe ich im Rahmen eines "Let's Play Togethers" im August mit dem Spiel "Koudelka" angefangen und wurde dann Ende des Monats auch prompt fertig damit. Dies lag einerseits an der Motivation durch die anderen Spieler, aber auch am Spiel an sich, das mir wirklich gut gefallen hat und die eher mäßigen Kritiken meiner Meinung nach nicht verdient.
Das Spiel erschien 1999 als Versuch von ehemaligen Squaresoft-Mitarbeitern (als neues Entwicklungsstudio namens "Sacnoth"), das RPG-Genre weiterzuentwickeln. So unterscheidet sich Koudelka nicht nur merklich in Spieldauer und Schauplatz vom Rest der damaligen Rollenspiele, sondern wartet auch mit ein paar Survival-Horror-Elementen auf. Wirklichen Anklang fand das Spiel aber nicht, ich glaube es ist vor allem wegen "Shadow Hearts" im Nachhinein etwas bekannter geworden - Koudelka ist nämlich der Vorreiter dieser Reihe und bietet die Grundlage für die Geschehnisse dort. Ich selbst habe die Nachfolger noch nicht gespielt, habe aber gelesen, dass vor allem Shadow Hearts (also Teil 1) noch recht enge Verknüpfungen zu Koudelka aufweisen soll.
Auf jeden Fall verstehe ich auch die Kritikpunkte, die oft angesprochen werden, aber für mich überwiegt das Positive so sehr, dass ich über die eigentlich absolut hinwegsehen konnte. Vor allem weil die Schnitzer im Gameplay meiner Meinung nach immer durch etwas Positives ein bisschen ausgeglichen werden, was ich auch später noch genauer beschreiben werde. Erst einmal möchte ich aber von meinem Spielerlebnis im Allgemeinen berichten, denn die Story, die Charaktere und vor allem die Atmosphäre sind die Kernpunkte, die "Koudelka" zu einem guten Erlebnis gemacht haben.
Grundsätzlich lässt sich die komplette Geschichte in 10 Stunden durchspielen, die man nur an einem Ort verbringt: Im Kloster Nemeton im Wales des Jahres 1889. Trotzdem ist genug Raum für eine detailreiche Story und viele Schauplätze, was sich erst nach und nach entfaltet, aber früh genug angedeutet wird, um Spannung aufzubauen. Alles startet damit, dass Koudelka in das Kloster eindringt, weil sie von der Stimme einer Frau dorthin gerufen wurde. Man weiß nur, dass unsere Protagonistin eine Art Medium mit dem Hang zum Übernatürlichen ist, während auch die anderen beiden Partymitglieder, die man relativ früh einsammelt, nicht besonders ausufernde Beweggründe zu haben scheinen, sich an diesem Ort zu befinden. Edward, der eine Art Dieb oder Schatzjäger ist, wollte dem Gerücht nachgehen, dass ein reicher Kerl viele Kostbarkeiten in dem Kloster horten würde. James wurde als Bischof vom Vatikan ausgeschickt, um ein offenbar gestohlenes Schriftstück aus dem Kloster zu bergen. Da sich in dem Anwesen Monster herumtreiben, schließt sich die ungleiche Party zusammen, um besser voranzukommen. So weit, so gut.
Noch während ich also rätselte, was an alledem (für ein Rollenspiel) so ungewöhnlich sein soll, wurde ich gleich mal mit der Anwesenheit von anderen Menschen überrascht: Ein altes Ehepaar wohnte in dem monsterverseuchtem Kloster und schien gar nichts Ungewöhnliches dabei zu finden. Noch überraschter war ich, als Ogden und Bessy (so ihre Namen) versuchten, die Party zu vergiften und damit klar wurde: Die haben etwas gegen Besucher.
Man muss dazu sagen, dass vieles an der Geschichte auch mit der Umgebung zu tun hat - dass das Ehepaar offenbar Leute abmurkst, wird natürlich schon deutlich angesprochen und teilweise von Koudelkas Visionen unterstrichen, aber noch mehr davon hat man, wenn man die Räume bewusst wahrnimmt. Das Kloster wurde schon vor Jahrhunderten für Quälereien und Tötungen aller Art benutzt und der aufmerksame Spieler stößt auf allerlei Details, mit denen er sich diese Taten bildlich ausmalen kann - zusätzlich zu den diversen Tötungsmöglichkeiten, die Ogden und Bessy benutzt haben müssen.
Die Umgebung hat es sowieso in sich. Nach und nach entfaltet sich die Größe des Klosters und weiß zu begeistern. Es gibt neben den Räumen der Hausmeister, die man zu Anfang erkundet, unzählige Gebiete: Eine Bibliothek, Kellerräume, eine Folterkammer, ein Gefängnis, Lagerräume, Gärten, einen Friedhof, eine Kirche und so weiter...
Alles fügt sich passend in ein Großes und Ganzes ein - einerseits fühlt sich alles ( im positiven Sinne) beklemmend und zusammengehörig an, andererseits kann man nur staunen über die Vielfalt und Weitläufigkeit des Geländes. Vor allem, wenn man dann Patrick's Gemächer findet, die noch einmal einige Räume hinzuaddieren und ein Kernpunkt für die Story sind:
Patrick war ein alter Studienfreund von James, der mit ihm um eine Frau namens Elaine wetteiferte. Patrick konnte ihr aber eindeutig ein besseres Leben bieten als James, also zog Letzterer sich zurück, um Priester zu werden, während die anderen beiden heirateten. Sie wohnten da dann offenbar in Patrick's Gemächern, wo Ogden und Bessy sich schon um das Kloster kümmerten. Okay, damals gab es den Leichenberg durch die beiden natürlich noch nicht, aber so weit ich das verstanden habe, mussten zumindest schon so Geister wie Charlotte oder Vigna und Valna existieren. Die stammen ja aus einer ganz anderen Zeit... Außerdem hatte Ogden als Kapitän auch irgendwie ein Schiff versenkt, was ihm sehr zu schaffen machte - vermutlich war er schon am Durchdrehen, aber Elaines Gesellschaft konnte ihn da noch irgendwie genug beruhigen oder so. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob das so abgelaufen ist.
Wie auch immer, eines Tages war Patrick auf Geschäftsreise, irgendwelche Diebe wollten die Schätze im Kloster plündern und töteten dabei Elaine. Das verkraftete niemand so recht, und während vor allem Ogden fortan jeden Eindringling ermordete, versuchte Patrick seine Geliebte wieder zum Leben zu erwecken. Dies wollte er mit der sogenannten "Émigré-Schrift" möglich machen, die von irgendwelchen magischen Typen stammte und Tote wieder auferstehen lassen sollte. Hier kam dann James ins Spiel, denn er sollte später das gestohlene Buch wieder zurückbringen, wohlwissend dass es sein ehemals bester Freund hatte.
Patrick hatte jedenfalls offenbar nicht genug Kräfte, um seine Frau wieder zurückzubringen, denn er schaffte es nur, ihren Körper zum Leben zu erwecken. Ihre Seele blieb irgendwo hängen, und diese war es dann, die schließlich Koudelka um Hilfe bat. Während die beiden also einen direkten Bezug zu allem hatten, blieb nur Edwards Motivation für seinen Aufenthalt von Anfang an gleich und hatte offenbar nichts wirklich Geheimes an sich.
Jedenfalls war Elaines Körper durch eine Art Lebensbaum erweckt worden, der sich in der Kirche breit gemacht hatte und wohl auch ziemlich zerstörerische Kräfte hatte. Patrick selbst wurde auch von dem umgebracht, was mir nun nicht besonders leid getan hat, auch wenn seine Taten jetzt nicht vollkommen unverständlich waren.
Kurz zusammengefasst also: Patrick hatte Mist gebaut und einen seelenlosen, bösen Körper erweckt, der vermutlich auch nicht unbedingt positive Einwirkungen auf das Gebiet hatte. Ogden und Bessy hatten es sich (vielleicht auch mit Einfluss des Lebensbaumes) nach Elaines Tod und Patricks Verschwinden zur Aufgabe gemacht, jeden aus Rache umzubringen, der das Kloster betrat. Und nun sollten wir die Seele von Elaine ruhen lassen, indem wir ihren Körper und natürlich auch den Lebensbaum zerstören.
Ogden und Bessy erledigten sich quasi von alleine (auch wenn ich nicht verstanden habe, warum Bessy plötzlich geläutert wurde und sich und ihren Mann tötete) und bei Letzterem half uns ein Kerl namens Roger Bacon. Dieser hatte offenbar schon alles hier miterlebt - er war durch die Émigré-Schrift anscheinend erfolgreich am Leben gehalten worden und hatte die letzten hundert Jahre geschlafen. Das wollte ich aber nur kurz einwerfen, weil dieser Charakter offenbar auch in "Shadow Hearts" wieder auftauchen soll und er wieder so jemand war, den ich einfach nicht erwartet hatte. ;0
Überhaupt gab es so ein paar kleine Details, die mich überrascht haben, weil sie einfach zur Lebendigkeit der Welt beigetragen haben (auch wenn "Lebendigkeit" vielleicht hier nicht das passendste Wort ist ;P). Es gab nicht einfach nur das Kloster, bei dem man nach und nach Geheimnisse entdeckt hat, es gab auch kleine Einfälle, die alles noch etwas aufpoliert haben. Zum Beispiel Alias, ein Dieb der einen erst mit einem fallenden Kronleuchter ausschalten wollte, bevor man ihn im Kampf besiegen musste. Oder den Geist Charlotte, gegen den man kämpfen konnte, wenn man ihm nicht lieber die Briefe der Mutter (die man in einem Safe finden kann) übergeben wollte, um ihn zu erlösen. Gerade Charlotte spielte eine große Rolle, aber es stellte sich heraus, dass sie nichts mit der Kerngeschichte um Patrick zu tun hat. Und es ist absolut optional, ob man sich mit den Briefen beschäftigt oder nicht.
Das Ende war dann eine äußerst merkwürdige Sache. Es gibt insgesamt drei davon, wobei eines eigentlich ein "Game Over" ist und nicht wirklich zählt. Koudelka verliert ganz am Anfang, wo sie ins Kloster eindringt, ihren Anhänger und sehr viel später kann man diesen in einem Gebiet wiederfinden. Das ist aber wirklich leicht zu verpassen und deutliche Hinweise darauf gibt es im Spiel auch nicht, zum Glück droppen aber ein paar Gegner ganz am Ende Notfalls auch noch das benötigte Item. Hat man den Anhänger jedenfalls nicht, wird die Party beim ersten Zusammentreffen mit Elaines wiedererwecktem Körper geröstet - Game Over. Es kommt gar nicht zum Bossfight.
Die übrigens zwei Enden sind allerdings durchaus richtige Abschlüsse, auch wenn es auch hier eine ungewöhnliche Sache gibt: Wenn man den letzten Bosskampf schafft bekommt man eine Art Happy End, das extrem kurz ist und absolut nichts aussagt. Elaine und der Lebensbaum gehen in Flammen auf, James ist dementsprechend deprimiert und Roger Bacon beschließt, sich nicht wieder schlafen zu legen. Total lahm. Weil es auch nicht das "richtige" Ende ist.
Das Ende, das später auch für "Shadow Hearts" als gegeben gilt, erreicht man nur, wenn man Elaines letzte Form nicht besiegt. Ja, richtig gelesen, die Geschichte findet ihren echten Abschluss, wenn man das Spielziel nicht erreicht und beim Bosskampf verliert. Das ist echt merkwürdig, aber ich finde es auch irgendwie unfassbar genial und werde nicht müde, diese Tatsache jedem zu erzählen, der es hören will. xD
Zu sehen bekommt man dann trotzdem ein "gutes" Ende: Statt in Flammen aufzugehen wird Elaine durch James' Hingabe geläutert und beide dürfen quasi in den Himmel auffahren oder so. Danach verbringen Edward und Koudelka eine Nacht zusammen und es wird enthüllt, dass Koudelkas Spitzname bei ihrem alten Zigeunervolk so etwas wie "Schatz" bedeutet. Das ist dann natürlich unglaublich schnulzig, weil Edwards Lebensziel von Anfang an war, Schätze zu finden und er sprach auch mal von dem Gefühl, dass er den besonderen Schatz noch nicht entdeckt hatte. Das ist für mich typischerweise natürlich das Highlight gewesen. ;) Am Ende trennen sich die Wege von Koudi und Eddy, aber sie meint noch zu Roger Bacon, dass sie sich bestimmt wiedersehen würden. Na da bin ich ja gespannt.
Für meinen Geschmack hätten die Storydinge zwar noch ausufernder sein können, um sich intensiver anzufühlen, aber das Spiel wollte ja offensichtlich kurz und knackig bleiben (für ein RPG zumindest :D).
Die längste Zeit hält man sich aber wohl damit auf, herumzurennen und zu kämpfen. Die Encounter-Rate ist für ein Spiel der Zeit eigentlich extrem angenehm, aber die Gefechte selbst dauern meist eine Weile. Das liegt vor allem an recht ausufernden Animationen, auch wenn es zum Glück keine gibt, die im Ausmaß einer "Super Nova" á la FF7 sind. xD Viele Leute bemängeln das träge Kampfsystem, aber ich fand es jetzt nicht allzu schlimm. Vor allem, weil die Charaktere extrem schnell leveln. Fast nach jedem Kampf stieg meine Party eine Stufe auf, das hab ich ja noch nie gesehen. @_@ Deshalb hatte ich immer das Gefühl für ein Gefecht, möge es noch so lange dauern, ausreichend belohnt zu werden.
Neben Erfahrungspunkten gibt es auch öfter mal Items abzugreifen, die Überlebenswichtig sind, denn Waffen können in "Koudelka" kaputt gehen. Auch da verstehe ich die Kritik, aber ich persönlich hatte einfach absolut kein Problem damit. Ich hatte schon auf CD2 so viel Zeug, dass ich mein Inventar häufig aussortieren musste (weil es limitiert ist, was dann wiederum wirklich blöd war, vor allem weil auch Questitems da mit reinzählen). Nur Rüstungen sind extrem rar und wenn man Pech hat, findet man vielleicht eine oder zwei im gesamten Spiel. Dafür gibt es massenhaft Accessoires, die sowieso mehr bringen, weil sie teilweise recht starke Stat-Boosts geben und man gleich zwei davon ausrüsten kann.
Also wie sehr viel weiter oben gesagt, für mich gab es irgendwie bei den meisten Schwächen einen netten Ausgleich.
Zu guter Letzt gibt es auch noch ein paar Rätsel im Spiel, allerdings macht man dabei sehr selten selbst etwas. Meist beschränkt sich das Vorgehen darauf, bestimmte Schlüsselgegenstände zu finden, ohne wissen zu müssen, was man damit machen muss. Größtenteils kommt man an Sackgassen weiter, sobald man die Items hat - das Spiel erwartet nicht einmal, dass man selbst einen Finger dafür rührt, sondern gibt einem vor, was man benutzten kann (und demnach auch soll, weil es keine anderen Alternativen gibt). So ist "Koudelka" allgemein extrem linear - auch wenn man die meisten Orte jederzeit besuchen kann gibt es doch meist nur den Weg nach vorne, um weiter zu kommen. Optionale Dinge kann man an einer Hand abzählen: Der Kampf gegen Charlotte, oder der Kampf gegen Gargoyle (einen extrem starken, optionalen Boss) und damit der Fund des stärksten Schwertes "Sacnoth", sind noch relativ offensichtlich zu entdecken. Es gibt dann aber auch noch "Patrick's Creature", die man finden kann und die einem Tipps fürs Spielgeschehen gibt (hier gibt es auch den einzigen frühen Hinweis auf Koudelkas Anhänger!). Vermutlich war das eines von Patricks Experimenten, bevor er Elaine wieder erweckte, aber leider erfährt man darüber nicht mehr - ich hab das Ding auch gar nicht gefunden weil ich zu dämlich war, ein Item aufzuheben mit dem man in einen geheimen Raum kommen konnte. :x Dafür habe ich aber andere optionale Waffen gefunden, die eigentlich einfach rumliegen, aber eben etwas mehr Erforschung erfordern - das Lebenssauger-Schwert und Daniels Kreuz, wobei Letzteres sehr schwach ist aber immerhin vom Erbauer des Klosters stammt!
Nun habe ich aber genug über alles geschwafelt - es war aber auch schwer, sich zurückzuhalten, wenn man so viel Spaß mit einem Spiel hatte. Ich kann die Kritiken schon auch verstehen, aber für mich persönlich hat einfach alles gepasst und negative Dinge waren verschmerzbar. Jetzt werde ich auf jeden Fall die gesamte "Shadow Hearts"-Reihe in chronologischer Reihenfolge durchspielen und ich würde jedem, der die Spiele noch nicht kennt, dasselbe raten. "Koudelka" ist nämlich wirklich nicht so schlimm wie manche es beschreiben und war auch als eigenständiges Spiel für mich eine absolut gute Erfahrung.
Roger Bacon war noch das Beste an Koudelka!
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