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Samstag, 10. Februar 2024
Cats and the Other Lives
Irgendwie habe ich mir von Cats and the Other Lives nicht viel Aufregendes versprochen – eigentlich einfach ein kurzes, nettes Point & Click Adventure im Pixellook. Dabei kannte ich natürlich die Prämisse, dass man als Katze spielt, und dabei die Geschichten der Menschen mitverfolgt, mit denen man zusammenlebt. Trotzdem habe ich irgendwie nicht das hohe Maß an Kreativität erwartet, das sich mir dann präsentiert hat. Ich kann jetzt natürlich keine Vergleiche mit großen Titeln wie Stray ziehen, aber für das, was dieses kleine Indie-Spiel erreichen will, macht es seine Sache wirklich sehr gut. Und das betrifft nur mal das Gameplay - die Geschichte hat mich nochmal eine Spur mehr überrascht, denn ich habe nicht damit gerechnet, emotional so abgeholt zu werden.
Cats and the Other Lives spielt in einem großen Anwesen, dessen Hausherr gerade verstorben ist, und seine Familie kommt für das Begräbnis und um ein paar Angelegenheiten zu regeln. Sie alle haben so ihre kleinen und großen Probleme und Geheimnisse (natürlich auch untereinander), die man nach und nach eigentlich nur als „Zuseher“ erfährt. Das Spiel ist dabei auch sehr konsequent. Aspen, so der Name der Katze, kann selbst keine Türen öffnen und ist dabei auf Menschen angewiesen (was natürlich auch praktisch ist, weil man natürliche Blockaden hat und so leicht einem roten Faden folgen kann). Der gute Geruchs- und Hörsinn, oder das Sehen im Dunkeln, sind natürlich für einige Situationen auch von Vorteil und locken einen an die richtigen Orte. Dafür gibt es aber natürlich auch einige Ablenkungen, wie einen gruseligen Staubsauger oder einen Laserpointer, die auf die ein oder andere Art und Weise die feline Aufmerksamkeit auf sich ziehen – und man muss diese „Hindernisse“ irgendwie überwinden, um weitermachen zu können. Die meisten Rätsel oder Puzzles im Spiel betreffen genau solche Situationen: Zumeist hindert einen irgendetwas, oder auch irgendjemand daran, an den nächsten wichtigen Schauplatz zu gelangen, aber das ist völlig in Ordnung. Für mich hätte es sogar noch weniger Gameplay sein können, obwohl das vorhandene schon relativ spärlich gesäht und sehr einfach war - wenn auch überraschend abwechslungsreich mit einigen netten Ideen.
Aber mir hätte es wohl wirklich größtenteils genügt, die Menschen der Familie Mason zu belauschen, kennenzulernen und einen Blick in ihre Vergangenheit zu werfen. Ich hatte genug Freude daran, während der Gespräche mit einem rollenden, heruntergefallenen Lippenstift zu spielen, mich vor dem eigenen Spiegelbild zu erschrecken, oder die Möbel zu zerkratzen. ^_^
Das Spiel steht und fällt schon ein bisschen damit, ob man eben Interesse für die Charaktere entwickeln kann. Ich kann nachvollziehen, wenn das jemandem nicht gelingen sollte, da die Erzählstruktur ja doch relativ durchbrochen ist und man sich erst ein bisschen daran gewöhnen muss. Es ist aber wirklich lohnenswert, dran zu bleiben. Die Charaktere sind überraschend vielschichtig – allen voran der Verstorbene, den man als Geist der Vergangenheit mit Katzenaugen noch hier und da wahrnehmen kann – und haben oft hinter ihren klischeehaften offensichtlichen Eigenschaften auch noch andere Seiten an sich. Am deutlichsten spürt man das wahrscheinlich bei Shannon, die als dominante Mutterfigur wirklich meistens unsympathisch und vor allem extrem unempathisch wirkt, aber in Wahrheit auch genauso entschlossen gegen jeden Auftritt, der es wagt, ihre Kinder in schlechtes Licht zu rücken. Ihre Stärke ist auch zumeist ein Schutzmechanismus, und sie verbirgt so einige sensible Seiten unter ihrer harten Schale.
Grundsätzlich gilt: Anhand des Verhaltens Aspen gegenüber kann man eigentlich schon erkennen, wer eigentlich ein gutes Herz hat und wer nicht. Die wenigstens Charaktere sind wirklich komplette Arschgeigen, aber diese ein, zwei Ausnahmen sind auch jene, die eben die Katze nicht gut behandeln (äußert sich meist verbal, aber ich wurde auch mal getreten T_T).
Aspen ist aber nicht nur passives Publikum, sondern stößt die Familienmitglieder oft auf wichtige Dinge, die ihnen helfen, über ihre Schwächen hinwegzukommen oder sie sich wenigstens einzugestehen. Und hier ist es, wo das Spiel so richtig glänzt. Einerseits ist es einfach sehr gut gelungen, wie man im Rahmen der Logik als Katze trotzdem etwas Einfluss ausüben kann - natürlich kann man Liam, der sich im Badezimmer die Pulsadern aufschneidet, nicht direkt das Leben retten, aber man kann jemanden der anderen Menschen rechtzeitig darauf aufmerksam machen. Und man fühlt sich dann wirklich wie ein Held, und als wäre man so eine Bereicherung für diese Familie, obwohl man meist einfach nur Kleinigkeiten unternimmt, die dann den Unterschied ausmachen. Aspen ist schon eine sehr kluge Katze, kann aber nichts, was das Ganze unlogisch machen würde.
Und andererseits sind die emotionalen Momente an sich einfach sehr gut gelungen. Irgendwie haben die Entwickler es geschafft, genau den richtigen Ton, oder genau die richtigen Worte für diese Situationen zu finden, sodass man wirklich mitfühlt. Manchmal wird dabei nicht einmal viel gesprochen, wenn zum Beispiel Shannon und ihre Tochter Addie sich einfach wieder darüber vertragen können, ein lustiges Video von Aspen anzusehen (das natürlich auch während des Spiels entstanden ist, und ich mich auch lebhaft daran erinnern konnte). Auch die Pixelgrafik weiß trotz nicht vorhandener Gesichtszüge, ausdrucksstark allerlei unterschiedliche Emotionen zu transportieren.
Spätestens ab der Sache mit Liam war ich jedenfalls nicht nur angetan, sondern wirklich begeistert von diesem Spiel, auch wenn das unweigerlich dazu führen musste, dass ich dann schon sehr viele Tränen geweint habe - vor allem natürlich am Ende. Ich denke das wird etwas sein, was mich nicht mehr so schnell loslassen wird.
Gesteuert wird das ganze Spiel mit der Maus, es gibt keine Unterstützung für Tastatur, was manchmal gar nicht so praktisch ist. Es gibt ein paar "Chasing" Sequenzen, wo man eine Maus (oder ähnliches) verfolgen und dabei Hindernissen ausweichen muss. Die Maussteuerung funktioniert zwar ganz gut, aber es ist einfach trotzdem unintuitiv, nicht mit den Pfeiltasten steuern zu können, und meistens braucht man wohl trotzdem ein paar Versuche. Ansonsten ist das Gameplay klassisch Point & Click, mit den Hotspots, bei denen bereits mit niedlichen Grafiken angezeigt wird, wie man interagieren kann (schnüffeln, kratzen, ankuscheln, lecken, hochspringen und antapsen - wirklich sehr süß).
Die Chasing Sequenzen sind also wirklich das nervigste am Spiel, es gibt sonst irgendwie nichts, woran ich etwas auszusetzen hätte. Wenn man es schafft, sich über die kleine Einstieghürde hinweg von der Geschichte mitreißen zu lassen, dann kann ich garantieren, dass man ein besonderes Spielerlebnis haben wird. Mir wird Cats and the Other Lives auf jeden Fall lange im Gedächtnis bleiben, und es ist bisher mit das Beste, was ich dieses Jahr bisher gespielt habe. Und gerade weil ich es nicht erwartet hatte, ist es noch umso schöner. <3
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