Dienstag, 14. Juni 2022

Wandersong


Wandersong ist eine bunte Wundertüte voller Überraschungen. Grob heruntergebrochen handelt es sich um einen Puzzle-Platformer, das Spiel ist aber mit all seinen Mechaniken und Facetten ziemlich einzigartig.
Es fällt eigentlich gleich auf den ersten Blick auf, dass es sich um einen Indie-Titel handelt. Die Grafik ist zwar passend und stellenweise sehr hübsch, aber trotzdem auch auffallend minimalistisch. Noch unpolierter ist allerdings die Steuerung. Springen ist manchmal unpräzise, Mausklicks funktionieren nicht immer einwandfrei, und am besten belegt man ein paar Tasten erst mal um, um keinen Fingerkrampf zu bekommen. Und wenn man gerade dabei ist, sollte man auch unbedingt ausstellen, dass sich die Auflösung automatisch anpasst, da es so immer wieder zu niedrigst möglichen wechselt.
Hat man das alles gemacht bzw. sich an manche kleine Unzulänglichkeiten gewöhnt, kann man sich aber in ein wirklich abwechslungsreiches und kreatives Abenteuer stürzen.

Schon die Prämisse der Geschichte ist vielversprechend: Ein einfacher, aber immer optimistischer und fröhlicher Barde möchte die Welt vor dem drohenden Untergang bewahren, hat aber nichts als seine Stimme als Waffe. Diese kann überraschend viel ausrichten, man zieht aber natürlich nicht durch die Welt und kämpft gegen Monster oder löst Aufgaben auf die herkömmliche Helden-Art. Viel eher ist man immer ein bisschen hinter dem eigentlichen "Helden" her (zumindest nach dem ersten Drittel des Spiels), der die Aufgabe hat die sogenannten "Overseer" zu besiegen, damit die dem Untergang geweihte Welt resetted werden kann. Der Barde allerdings, den man übrigens selbst extrem umständlich benennen kann - ein Beispiel wo die Spielmechanik wirklich ein Hindernis ist - will von den Overseern Teile eines Lieds lernen, um eben doch noch alle zu retten. Obwohl das jetzt natürlich doch irgendwie nach dem typischen Helden klingt wird das Prinzip trotzdem ziemlich gut dargestellt. Zum Beispiel erhält man die Achievements für das, was der "offizielle" Held macht und nicht für die Dinge, die man als Barde so erlebt. Auch storytechnisch wird das Thema oft und überzeugend aufgegriffen.
Aber zurück zur Spielmechanik: Außer der Fortbewegung und dem Hüpfen, was ganz normal mit den Pfeiltasten oder WASD funktioniert, steuert man alles mit Hilfe von Noten. Diese werden per Mausklick aktiviert und erscheinen als Rad um den Protagonisten herum. Jeder Note ist eine bestimmte Richtung zugeteilt, sowie auch noch eine bestimmte Farbe. Damit lassen sich viel mehr Dinge anstellen, als man zuerst vermuten würde. 
Im Laufe des Spiels singt man anderen Noten nach, verschiebt Plattformen, hält kurz die Zeit an, steuert ein Schiff übers offene Meer, kehrt Laub aus einem Garten und vieles, vieles mehr - all das nur mit diesem Noten-im-Kreis-Prinzip in Kombination mit der Fortbewegung, weil man beides (also auch das Springen) parallel machen kann. Jedes Mal wenn man glaubt man hätte alles gesehen, kommt wieder irgendetwas Neues wie man diese Mechanik einsetzen muss. 
Für weitere Abwechslung sorgen kurze Abschnitte, in denen sich fast das Genre des Spiels kurzzeitig ändert. So spielt man an einer Stelle den Helden, klassisch mit Schwert (=Action-Platformer), oder rutscht einen Hang hinunter und kann Münzen dabei sammeln (=Auto-Scroller?).


Gespräche finden übrigens auch nur über das Noten-Rad statt. Der Barde spricht nicht, er singt nur - mit einem nicht besonders schönen und gar nicht nach einer echten Stimme klingenden, aber dafür zweckmäßigen Ton. Oftmals kann man entscheiden wie man auf etwas Antwortet und muss dafür dann auch die richtigen Noten auswählen. 
Ganz allgemein ist das Thema Musik natürlich erfreulich präsent. Die simplen Singereien des Protagonisten werden oft atmosphärisch untermalt. Beispielsweise gibt man beim Steuern des Schiffes per Noten eine bestimmte Richtung vor und die ganze Crew stimmt in den Ton mit ein - das ist ziemlich cool. Hin und wieder ist das auch unpraktisch, weil manche Szenen über Lieder erzählt werden und man sich nicht so gut gleichzeitig darauf konzentrieren kann die Noten zu treffen und auch noch den Text der Story zu verfolgen. Trotzdem ist es ein tolles Feature, auch wenn der Soundtrack nur wirklich richtig stimmig wird, wenn man den Rhythmus mit dem Barden auch halten kann. Wenn das klappt gibt es allerdings zahlreiche erinnerungswürdige Momente. 


Die Geschichte ist vor allem darauf ausgelegt, "wholesome" zu sein und spart dabei nicht wirklich mit bestimmten Tropes oder Kitsch. Das passt aber alles so gut ins Gesamtkonzept, dass ich nie das Gefühl hatte es wäre "too much". Es gibt oft auch etwas zu Lachen, sowie sehr einzigartige NPCS, was das Spiel insgesamt einfach wirklich zu etwas Besonderem macht. Außerdem hat vor allem die Spannung zwischen dem Barden und dem Helden auch einige Überraschungen zu bieten - zumindest ich habe auch aufgrund der Atmosphäre des Spiels bei den beiden einen anderen Ausgang erwartet und war emotional schon sehr schockiert, dass es doch anders kam. 
Das heißt, dass mich das Spiel trotz ein paar nervigen Stellen (hauptsächlich eben aufgrund der Steuerung bzw. Sprungpräzision) berührt hat. Und man kann Wandersong eben auch nicht absprechen, dass es sich schön abwechslungsreich spielt und wirklich immer wieder Neues bietet. 
Wer auch noch gerne musikalisch manchmal mitgerissen wird kann hier beruhigt zugreifen.

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