Dienstag, 20. Mai 2014

Dreamfall: The Longest Journey #1 - Kollaps

Als große Verehrerin des Adventures "The Longest Journey" konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auch den Nachfolger irgendwann zu spielen. Vor Jahren hatte ich den schon mal angefangen, aber irgendwann bei einer besonders dummen Stelle Pause gemacht und danach irgendwie die Disc verloren. Irgendwann habe ich es mir dann in der "Adventure Collection" neu gekauft, aber aus irgendwelchen Gründen erst jetzt angefangen. Und ich glaube ich weiß auch wieder, warum ich damals aufgehört habe: Die Steuerung ist unglaublich unkomfortabel. Während der erste Teil noch ein klassisches Point & Click Adventure war hat man sich hier offenbar gedacht, dass dieses Gameplay nicht mehr zeitgemäß sei. So läuft man in "Dreamfall" mit der Tastatur durch 3D-Gebiete, dreht die Kamera bei Bedarf mit der Maus mit und stellt sich darüber hinaus auch noch hirnlosen Faustkämpfen. Oh, und einen Schleichmodus gibt es natürlich auch. Man merkt dem Spiel aber deutlich an, dass das Genre sich mit dem Gameplay irgendwie beißt - alle Mechaniken sind sehr unausgegoren und wirken als wären sie nur da, um halt da zu sein und nicht, um etwas zum Spielerlebnis beizutragen. Am schlimmsten ist aber tatsächlich die Kameraführung, die extrem unpräzise ist und vor Hindernissen keinen Halt macht. Möchte ich also wie gewohnt meinen Charakter von hinten ansehen, um ihn ordentlich laufen lassen zu können, klappt das nur wenn nichts im Weg ist. Steht da irgendwo ein Baum oder ein Mülleimer muss ich als Spieler eben auf diesen starren, bis ich meinen Charaktere davon wegbewegt habe.
Das war dann aber auch genug des Ärgers, denn wenigstens eine Sache haben die Entwickler gut gemacht: Die Geschichte. Eigentlich war der Auftakt schon recht interessant, zumindest für Kenner von "The Longest Journey". Gleich im Intro wurde nämlich ein alter Bekannter gezeigt - Brian Westwood hing bei irgendwelchen Mönchen herum und machte sich bereit für eine erneute Reise (vermutlich nach Arcadia). Dort angekommen lockte er aber anscheinend das "Ungeträumte" an, was ein gruseliges, schwarzes Nichts war und ihn gleich mal verschlang.

Danach wurde dann die Protagonistin Zoe Castillo vorgestellt, die im Koma lag. Ihr Bewusstsein war aber irgendwie noch vorhanden, denn dieses erzählte uns schließlich die Geschichte, die man spielt, in Rückblicken. Man weiß also am Anfang gleich mal: Da gibt es eine dunkle, gefährliche Macht und unsere vermeintliche Heldin wird die ihr bevorstehende Aufgabe offensichtlich nicht ohne schrecklichen Zwischenfall erledigen. Aber was passiert dazwischen? Was hat die eine Sache mit der anderen zu tun? Und wann sehen wir endlich mehr von April? ;P
Nach diesen Teasern begann das "richtige" Spiel relativ banal. Man lernte Zoe etwas besser kennen, die sich gerade in einer Selbstfindungskrise befand und ohne rechte Motivation in den Tag hinein lebte. Sie hatte ihr Studium aufgegeben und sich von ihrem Freund getrennt, um herauszufinden was sie wirklich will. Die ganze Sache fühlte sich wie ein Tutorial an, wozu der Auftakt wohl auch dienen sollte - so lernte ich in der Sporthalle von dem... tollen Kampfsystem (man schlägt oder blockt und sonst nichts) und bekam ein paar Hinweise zum Stand der Technik in diesem Zeitalter. Das Spiel ist natürlich, wie "The Longest Journey", in der Zukunft angesiedelt, aber die Technik ist jetzt nicht so weit vorangeschritten, dass es abgefahren spacig wäre. Vor allem Kommunikationsmedien sind im Spiel recht fortgeschritten, außerdem scheint die Zivilisation von einer Art Internet recht abhängig zu sein - ein gewisser "Kollaps" hatte das Netz offenbar schon einmal zerstört, was anscheinend geschichtlich recht wichtig zu sein schien.
So interessant war das Ganze jedenfalls erst mal nicht, selbst die dauernd auftauchenden Nachrichten auf verschiedenen Bildschirmen (ein Mädchen rief nach Zoe und sagte dauernd "Rette April!") konnten mich jetzt nicht wirklich neugierig machen. Aber das änderte sich dann überraschend schnell. Zoe sollte ihrem Exfreund Reza einen Gefallen tun und ein Paket für ihn abholen. Er deutete an, dass er als Journalist an einer riesigen Sache dran war, aber so wirklich gefährlich hörte sich der Botendienst jetzt auch nicht an. Aber dort ging dann plötzlich der Shit ab.

Die Übermittlerin des Pakets wurde von irgendjemandem eingesperrt und fast umgebracht (Zoe to the rescue!) und gab uns das Ding dann nur, weil sie den Namen "Castillo" kannte. o.o Ich rieche hier eine Zeitreise, bzw. hoffe ich übelst darauf. :D
Jedenfalls war Reza dann nicht zu Hause, dafür lag aber eine Leiche in seiner Wohnung. Als wäre das nicht verstörend genug, wurde Zoe in dem Zimmer von irgendwelchen EYE-Einheiten (wohl ein Sonderkommando der Regierung oder so) gleich mal erwischt und mitgenommen. Heilige Scheiße. Verängstigt ließ ich Zoe denen die Wahrheit erzählen, was Reza womöglich in die Scheiße ritt, aber wen interessierte das da schon? Da war eine tote Frau in seinem Wohnzimmer, verdammt. Jedenfalls wurde Zoe auch wieder frei gelassen, aber sie durfte die Stadt nicht mehr verlassen und musste es melden, falls ihr toller Exfreund ihr eine Nachricht zukommen ließ. Ja toll. Das verblendete Mädchen versuchte natürlich auch, Reza zu erreichen und war nicht mal richtig sauer, dass er sie in so eine Situation gebracht hatte. Aber egal, ich war an diesem Punkt extrem interessiert wie es weiter geht und hätte das dem Spiel gar nicht zugetraut. Der Anfang war so nebensächlich, dass ich einfach nicht erwartet hatte, dass so bald so viel auf einmal passieren würde. Und schon gar nicht, dass es mich dann doch so packen würde.
Als würde Zoe mit all den Geschehnissen nicht schon genug in Schwierigkeiten stecken, hinterließ Reza ihr auch noch eine Nachricht, die im Falle seines Verschwindens automatisch an sie gesendet werden sollte. In dieser trug er ihr auf, sein verschlüsseltes Notizbuch aus seinem Appartement zu holen, was natürlich nicht die einfachste Aufgabe war. Zoe musste da nicht nur ein Türschloss hacken und durfte erstmals die dämlichen Schleicheinlagen ausprobieren, sondern wurde schließlich auch noch von mysteriösen Punk-Zwillingen beinahe getötet. Danke, Reza. Für das Notizbuch interessierte sich dann aber eh niemand und so konnten wir das zu Olivia bringen, die als beste Freundin unserer Protagonistin gerne helfen wollte (und jeden möglichen technischen Scheiß kann – von ihr kam auch der Hack für das Türschloss). Eine Sache aus Rezas Notizen konnte dann auch gleich entschlüsselt werden: Venice, Newport. The Fringe. Charlie.
Jeder, der „The Longest Journey“ gespielt hat, weiß genau, was das sein soll. In Venice verbrachte man große Teile des Spiels und Charlie war einer der besten Charaktere dort. Zumindest für mich. Ich war also dementsprechend aufgeregt und jubelte sehr, als Zoe beschloss, trotz des Verbotes nach Venice zu reisen.

Als wäre das nicht nostalgisch genug gewesen, wechselte das Geschehen in eine verschneite Landschaft und man sah zum ersten Mal die wundervolle April Ryan wieder. Die aufgehübschte Grafik lässt sie natürlich etwas anders aussehen, aber immerhin wurde für sie dieselbe Synchronsprecherin wie im ersten Teil benutzt! *__* Es gab eigentlich mit ihr nur eine kurze (extrem nervige) Kampfeinlage, aber ein paar Bruchstücke konnte man sich als Spieler schon zusammenreimen: April war immer noch in Arcadia, also der magischen Welt, die sich offenbar ziemlich verändert hatte. Anscheinend waren irgendwelche Feinde aufgetaucht (die "Azadi"), gegen die gekämpft werden musste und die ein ziemliches Problem für das Land darzustellen schienen. April hatte sich außerdem einer Gruppe merkwürdiger Leute angeschlossen, die gemeinsam mit ihr in den Kampf zogen. Aber mehr war da dann nicht.
Irgendwie gefiel mir nicht, was ich da zu sehen bekam. Das Leben in Arcadia hatte April nicht gut getan und ich bin sicher, dass sie dort seit dem Ende von The Longest Journey rumhängt. Wahrscheinlich hat sie keine Möglichkeit mehr gefunden, nach Hause zurückzukehren und wurde durch das und andere, bittere Erlebnisse abgebrüht. Es war, als würde man jemanden steuern, den man gar nicht kennt. Zoe fühlt sich beim Spielen mehr an wie April, als April selbst.^^ Aber gut, das war auch nur ein extrem kurzer Moment, aus dem man kaum eine allgemeine Aussage ableiten kann.

Gleich nach dem kurzen Ausflug zu April kam Zoe in Venice an. Erst war da eine Gasse, die unglaublich schmuddelig aussah, aber sobald ich durchgegangen war, eröffnete sich mir ein bekannter Anblick. Vor mir erstreckte sich die kleine Brückenlandschaft mit der Uhr, durch die man im ersten Teil so oft gehen musste. Sofort wusste ich, wo ich hin muss, um zu Aprils altem Wohnheim zu kommen und sofort war mir klar, in welcher Richtung das „Fringe“ war. Auch wenn alles anders, vor allem abgefuckter, aussah, erinnerte man sich sofort an alles, was man hier erlebt hatte. Und das hat mich so richtig geflasht.
Ich habe bis zu diesem Moment hin und her überlegt, ob ich über Dreamfall schreiben soll, aber da war ich mir dann sicher. Ich musste einfach niederschreiben, was für nostalgische Gefühle mich da ereilten und vor allem welche Tragik mit all diesen Erinnerungen verbunden war. Das Studentenheim war offenbar zu einem Hotel umfunktioniert worden, das eher aussah wie eine geschlossene Fabrik, die irgendwas Ekliges herstellt. Aber da war noch die Bank, auf der April Cortez begegnet ist und wo die Geschichte ihren Anfang fand. Drüben beim Fringe war es fast noch schlimmer – das alte Studentencafé war zu einer exklusiven VIP Bar geworden, die überhaupt nicht in das Ambiente mit den ganzen Obdachlosen passte. Aber da war noch die Tür, durch die man paradoxerweise zur alten April gekommen war, und da war… natürlich Charlie.
Auch er bekam offenbar dieselbe Synchronstimme verpasst, was ich richtig toll fand. Er selbst hat sich ähnlich verändert wie April – er war verbitterter und vorsichtiger. Aber das war in dieser Zeit nur das, was man am besten als „realistischer“ beschreiben konnte. Die Dinge hatten sich geändert, nach dem Kollaps war Venice zum Drecksloch geworden und es gab nichts mehr, das von der Hochzeit der „Kunsthauptstadt“ übrig geblieben war.

Ich muss zugeben, dass mein Herz mehr als ein Mal brach in der kurzen Zeit, die ich Venice bisher gesehen habe. Ich wünschte mir so sehr die Zeit zurück, als man mit April vergnügt durch die Gassen lief, um mit einer Gummiente ein Ventil zu reparieren oder mit den vertrauten Personen wie Emma, Charlie und Cortez zu reden. Ich dachte die ganze Zeit daran, wie unglaublich gerne ich „The Longest Journey“ wieder spielen würde, während hier nur auf meinen Gefühlen herumgetrampelt wurde. Außerdem wollte ich Charlie ins Gesicht brüllen, dass April in Ordnung war, aber das ging natürlich nicht.
Stattdessen erzählte uns der Kerl, dass Reza (oder Jericho, wie er unter seinen Reporter-Kontakten bekannt war) am Vorabend im Fringe gewesen war. Anscheinend hatte er nach Plänen für das „Ground House“ (das im Original noch eingedeutscht Grenzhaus geheißen hatte) gefragt und der Verdacht lag nahe, dass er dort einbrechen wollte. Wie gesagt, es war nun das Victory Hotel, aber Charlie meinte sogar, dass es vielleicht nicht einmal das war. Offenbar gab es eine Reihe von Gerüchten, die er nicht näher beschreiben wollte, aber die bestimmt auch der Grund waren, warum Reza daran interessiert war. Wer weiß, vielleicht hatte er etwas über die Reisen von Stark nach Arcadia herausgefunden? Ob das alte Grenzhaus die Fähigkeit hat, Portale zu erschaffen?

Ich bin unglaublich gespannt. Das Spiel hat mich spätestens jetzt total gefangen – vielleicht nicht mit Hochgefühlen, sondern mit schmerzhafter Sehnsucht nach der alten Zeit, aber das ist nicht weniger intensiv. Wenn Dreamfall sich weiter so steigert schaffe ich es vielleicht sogar irgendwann noch, vollkommen über das beschissene Gameplay hinwegzusehen. Das ist nämlich die einzige Sache, die mich noch ein bisschen davon abhält, die Erfahrung ausnahmslos zu genießen.

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