Dienstag, 18. Oktober 2022

Lord Winklebottom Investigates


Lord Winklebottom Investigates fiel mir bereits vor längerer Zeit auf - ich meine kommt, eine Giraffe als Detektiv, die Mordfälle löst, dabei immer Gentleman bleibt und sich die Fähigkeiten der Tierart zu Nutze macht. Dass dem so ist, und noch viel mehr hinter diesem Adventure steckt, konnte ich schon beim Spielen der Demo letztes Jahr feststellen, und ich war sehr gehypted auf den Release. 
Lord Winklebottom und sein Partner, das Nilpferd Dr. Frumple, sind natürlich ein bisschen eine Anspielung auf Sherlock Holmes und Dr. Watson, aber sie haben eigene Charakterzüge und Eigenheiten. Die Dynamik zwischen beiden ist ein Punkt, der im Spiel wirklich glänzt - sie sind ein vornehmes Duo, haben aber meist genau gegenteilige Meinungen, funktionieren in ihren Talenten als Ermittler aber doch wieder gleich. Nämlich schlecht. xD 
Also ernsthaft, wie die beiden je alleine einen Fall gelöst bekommen haben, ist mir ein Rätsel. Auch der Mord im Spiel kann eigentlich nur mit Hilfe eines anderen Charakters aufgeklärt werden, und als Spieler bekommt man daher ebenfalls nicht den entscheidenden Hinweis. Es wäre also falsch hier ein Murder Mystery zu erwarten, bei dem man durch aktives Miträtseln Fortschritte macht. Viel mehr dienen die Rätsel dazu, dass Lord Winklebottom und Dr. Frumple zwar viel über die Charaktere und deren Hintergründe herausfinden, aber im Endeffekt bei der Tat selbst keinen Schritt weiter kommen. Selbst die "Mordwaffe" können sich die beiden erst erschließen, nachdem der Spieler diese schon längst erraten hat. Das ist aber nicht ärgerlich, sondern einfach dem recht guten Humor des Spiels anzulasten.

Aber worum geht es denn überhaupt, außer um Mord und unfähige, aber unterhaltsame Detektive?
Ein alter, wohlhabender Freund von Lord Winklebottom hat ihm und seinem Partner eine Einladung auf seine Insel geschickt, um eine große Ankündigung zu machen. Während man aber noch nach einem Weg sucht, eine Überfahrt zu organisieren (dieser Part umfasste die Demo), wird der Gastgeber, ein Axolotl namens Aristotle Gilfrey, ermordet. 
Die anderen Gäste sind zu diesem Zeitpunkt alle schon da und daher natürlich auch alle verdächtig. Hier erinnert die Geschichte dann eher an Agatha Christie, wo jeder Charakter ein Motiv zu haben scheint. 
Und das ist auch die größte Stärke des Spiels: Die einzelnen Charaktere und ihre Eigenarten oder Geheimnisse. Hier sei sofort erwähnt, dass alle Synchronsprecher einen sagenhaften Job machen - das gesamte Spiel ist voll vertont. Die Stimmen passen zu all den verschiedenen Tieren und verleihen ihnen, neben eigener Ticks, so richtig Leben. So hat zum Beispiel die berühmte Schauspielerin Dame Celia einen Hang zur Kleptomanie und verstaut Diebesgut in ihrem Pelikanschnabel, der sich an die Form des geklauten Hab und Guts anpasst. Die Wissenschaftlerin Dr. Price kann als Chamäleon quasi unsichtbar werden, verändert aber je nach Emotionslage auch ihre Hautfarbe. Die Details, die in alle Personen geflossen sind, sind wirklich sehr toll. Ich hätte mir mit allen Beteiligten noch längere Dialoge gewünscht, teils wirken diese doch relativ kurz, weil man nur bestimmte Themen ansprechen kann und diese schnell ausgeschöpft sind. Ansonsten war ich aber begeistert von der Vielfalt und hatte teilweise aus lauter Freude an den Charakteren schon ein bisschen vergessen, dass einer von ihnen ja auch der Mörder sein müsste - und ich diesen zu finden versuchte. Im Endeffekt hat es mir also dann nichts gemacht, dass man sich gar nicht wirklich wie ein Detektiv fühlt, sondern doch wie ein ganz normaler Adventure-Gamer, weil das Spiel trotzdem mehr als genug Reiz bietet, um am Ball zu bleiben. 

Die Rästel sind größtenteils klassische Point & Click Kost, wobei die Items, die es aufzusammeln oder zu aktivieren gibt, teilweise einen Auslöser brauchen, um benutzt werden zu können. Sichtbar und auch anwählbar (sodass Lord Winklebottom etwas darüber sagt), sind alle Gegenstände von Anfang an. Aber oft kann man sie nur aufsammeln oder etwas an ihnen ändern, wenn man vorher Bedingungen erfüllt hat - also in der Geschichte so weit vorangeschritten ist, dass man auch weiß wofür man etwas brauchen könnte. 
Das ist am Anfang ein bisschen verwirrend und schwierig. Wenn man das nicht weiß, bleibt man sicher an der ein oder anderen Stelle stecken, da man ja eigentlich schon alles im gesamten Anwesen mal angeguckt hat. Ich habe im ersten Kapitel auch so ein paar Stellen gehabt, wo ich länger gebraucht habe um weiterzukommen. Später gewöhnt man sich allerdings total daran und kennt außerdem alle Räume im Anwesen so gut, dass man sich wie von selbst daran erinnert, was man in jeglicher Situation brauchen könnte. Daher würde ich auch sagen, dass Lord Winklebottom Investigates kein allzu schwieriges Adventure ist. Ich war froh darum, weil ich wirklich am zufriedensten war, wenn ich mich auf die vielen Tiere konzentrieren konnte, die diese Welt bevölkern. 
Die schönen, handgezeichneten 2D-Grafiken tragen dazu natürlich auch bei, ebenso wie die elegante britische Ausdrucksweise der 20er Jahre, und natürlich der treffende Humor des Ganzen. 
Ich persönlich habe ja immer so meine Probleme, mit humoristischen Adventures warm zu werden, aber hier hat das ganz vorzüglich funktioniert. Nicht nur, weil die Dialoge und Texte auch gut und witzig geschrieben sind, sondern weil trotzdem auch ein gesundes Maß an ernsthafter Story vorhanden war. Okay, die Sache mit dem armen, armen Pumphrey hat mich echt schockiert, während im Spiel eher Witze darüber gerissen wurden, aber naja. :'D 


Ich habe Lord Winklebottom Investigates übrigens nicht alleine gespielt, sondern über Skype mit einem Freund geteilt, sodass wir gemeinsam rätseln und uns amüsieren konnte. Ich denke aber, dass sich meine Erfahrung alleine ziemlich mit dieser gedeckt hätte, was Spaß und auch Schwierigkeit angeht, also habe ich das im Text nicht berücksichtigt. 
Auf jeden Fall würde ich dieses Adventure definitiv jedem empfehlen - Tierfreunden noch eine Spur mehr als bloßen Fans des Genres. Dass es sich um ein Indie-Game und eher kleines Entwicklerteam handelt, merkt man kaum, weil das Spiel rundum gelungen, liebevoll gestaltet und qualitativ recht hochwertig daherkommt. Ein rundum gelungenes Werk, würde ich sagen!

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