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Sonntag, 21. September 2025
Potionomics
Ich bin ja jetzt nicht unbedingt so der Typ für Shop Management Spiele. Ich meine, ich finde einige davon schon durchaus interessant und habe auch schon ein paar solcher Demos gespielt, aber meistens kann ich mich doch nicht dazu durchringen, so ein Spiel auch zu kaufen. Oft erscheinen mir Länge und Commitment zu groß, als dass es in meinen militant geführten Backlog passen würde. Potionomics hatte aber eine Sache, die mich dann endlich auch mal überzeugt hat, zuzuschlagen: Quirkyness.
Natürlich hat es auch ein paar andere Zutaten, die es mir schmackhaft machen: Es geht darum, Potions zu brauen, zu verkaufen und in einem Wettbewerb gegen andere anzutreten, und das System hat mich ursprünglich ein bisschen an die Atelier Reihe erinnert, auch wenn es im Detail dann schon anders und auch weniger komplex ist. Was gut war, weil ich es so tatsächlich auch komplett verstanden habe. ;0 Außerdem gibt es einige Charaktere, die alle einen bestimmten Nutzen haben (z.B. einen Shop besitzen, oder die man als Abenteurer in Dungeons schicken kann) und für jeden von ihnen auch eine eigene Freundschaftsleiste. Man kann also ihre persönlichen Geschichten verfolgen, wenn man die Bindung zu ihnen verstärkt, und man kann sie dabei auch Romancen, wenn man möchte.
Soweit, so klassisch. Die Besonderheit sind eben die Charaktere selbst, und eigentlich der ganze Unterton des Spiels. Es gibt viel Humor, entgleisende Gesichtsausdrücke, ausufernde Gesten und eine extrem bunt gemischte Gruppe.
Die Geschichte des Spiels gewinnt jetzt keinen Blumentopf, oder, äh, keinen Antidot, ist aber durchaus liebevoll erzählt. Eine junge Frau namens Sylvia erbt den Potionladen ihres Onkels in einem Städtchen namens Rafta, aber damit leider auch einen Haufen Schulden, den er hinterlassen hat. Da diese Schuld durch den Tod des Onkels magisch an sie gebunden ist, kann sie gar nicht anders, als sich damit zu befassen. Eine Eule namens Owl, die auch ganz bestimmt nicht der totgeglaubte Onkel Oswald ist, weist Sylvia auf eine Reihe von Potion-Wettbewerben hin, bei denen es Geldpreise zu gewinnen gibt, mit denen sie ihre Schulden begleichen kann.
Und so bereitet man sich Woche für Woche (was in dem Spiel allerdings immer 10 Tage sind) auf den Wettbewerb vor, verdient mit anderen Potions ein wenig Taschengeld, um den Shop auf Vordermann zu bringen, schickt Abenteurer los, um neue Zutaten zu bekommen und unterhält sich mit den Bewohnern von Rafta.
Grundsätzlich ist ein Tag in Potionomics in 6 Zeiteinheiten aufgeteilt, und bis zu jedem Wettbewerb hat man 10 Tage Zeit. In dieser muss man drei Potions mit den richtigen Anforderungen brauen, und diese werden dann mit denen des Kontrahenten verglichen (und man kann vor Ort noch überzeugende Argumente vorbringen, um sein Produk anzupreisen). Es gibt also ein Zeitlimit, das allerdings locker ausreicht, um das Spiel zu schaffen - zumindest wenn man im gemütlichen Modus spielt. Diesen kann man zu Anfang auswählen, wenn man zum Beispiel nicht will, dass jede "Travel" Aktion (also der Besuch bei den ganzen Shops und NPCs in der Stadt) einen Zeitslot kostet. Und dann kann man auch am Anfang auswählen, ob man freie Liebe praktizieren will, oder eine richtige Romanze nur mit einem Charakter möglich sein darf. Hab ich natürlich auch angewählt, denn wie soll man sich bei der Auswahl denn bitte jemals entscheiden?? D;
Äh, aber wir waren noch beim Tagesablauf. Also, es kostete in meinem Fall nur Zeit, die Potions zu brauen (also man wirft die Zutaten in den Kessel, und der braut dann selbst eine gewisse Zeit vor sich hin), den Shop zu öffnen, um mit Kunden zu handeln, und die Social Links voranzutreiben. Lustigerweise kostet es keine Zeit, den Rang der Beziehungen dann zu erhöhen, obwohl das meistens sehr ausufernde Dates sind. :D
Wie auch immer. Die Potions brauchen sehr unterschiedliche Zeit (je nachdem was es für eine Potion wird und ob man extra Fuel benutzt), der Shop öffnet immer für 2 Runden, und die Zeit, die man mit NPCs verbringt, kann 1-4 Runden dauern. So, und das ist alles, was man da beachten muss, wenn man den Cozy Mode spielt.
Kommen wir zum Vorgang des Brauens. Alle Zutaten bekommt man durch andere Leute, Sylvia sammelt sie nie selbst. So schickt man Abenteurer in verschiedene Dungeons, rüstet sie für mehr Erfolg mit Potions aus und wartet dann, bis sie wieder zurückkommen. Achso ja, das kostet natürlich auch unterschiedliche Zeiteinheiten, aber da wartet man eben auch einfach ab.
Jede Zutat hat 5 verschiedene Zugehörigkeitsarten, die mit A-E bezeichnet werden. Es gibt unterschiedlichste Kombinationen, manche Zutaten haben nur eine Zugehörigkeit, andere mehrere oder manche sogar alle. Im Spiel heißt das alles "Magimins", eine Art Magieeigenschaft, mit der alle Zutaten aufgeladen sind. Oder so. Auf jeden Fall ist auch die Anzahl wichtig - also zum Beispiel hat ein komischer Schleimhaufen 20 Magimins in der B Kategorie, und 40 in der E.
Um Potions zu machen, sind bestimmte Kombinationen und Mengen erforderlich. Das einfachste, eine Heilpotion, kommt zum Beispiel zu Stande, wenn man die gleiche Anzahl an A und B Magimins in den Kessel wirft. Die Kessel selbst haben Limits, wieviele Zutaten und Magimins sie überhaupt fassen können, was mit fortschreitender Spieldauer mehr wird (aber natürlich braucht man für jedes Upgrade und neue Utensilien auch Geld).
Es dauert auf jeden Fall meistens eine ganze Weile, bis man eine gute Potion gebraut hat, denn mit den einzelnen Zahlen, Verhältnissen und dann auch noch Eigenschaften (riecht das Gebräu gut, stinkt es wie die Pest?) kann man sich wirklich ausgiebig beschäftigen. Aber es ist nie so komplex, dass es überwältigend wird, und mir hat es wirklich viel Spaß gemacht.
Ausstellen und verkaufen kann man die Tränke dann im Shop, was eigentlich ein "Gefecht" ist, das sich diverse Deckbuilder als Vorbild nimmt. Es kommen nach der Reihe Interessenten an die Theke, und man kann die Preise dann mit dem Kartendeck, das man hat, noch hochhandeln. Das ist definitiv das Haupteinkommen, das man haben wird, aber je länger das Spiel geht, desto weniger braucht man es dann noch. Was auch gut ist, weil es auch einiges an Zeit einnimmt. Zu Anfang braucht man also für jeden Tag eigentlich ziemlich lange, weil man noch gewisse Komfortfunktionen und eben auch das nötige Kleingeld für vielerlei Sachen noch nicht hat. Gegen Ende konnte ich mich dann eigentlich hauptsächlich nur noch um die Social Links kümmern, weil ich so reich war und von allen Potions einen üppigen Vorrat hatte.
Neue Karten bekommt man übrigens auch durch das Steigern der Social Links. Grundsätzlich geht es beim Verhandeln hauptsächlich darum, das Interesse des Kunden zu steigern, was durch eine Leiste angezeigt wird, die man einfach immer weiter nach oben steigert. Die Leute haben allerdings auch nur beschränkt Geduld und ein paar schnippische Kommentare auf Lager, die Sylvia in Stress versetzen. Bei 100% Stress heißt es Game Over, bei keiner verbleibenden Geduld verlässt der Kunde ohne Kauf den Laden. Auch das ist ein leicht verständliches System, und man wird vermutlich selten die Karten wirklich komplett austauschen, weil selbst das Anfangsdeck durchaus brauchbare Züge bietet. Trotzdem ist es natürlich cooler, den jeweiligen NPCs auf den Karten-Artworks zu sehen, und ein paar gute Kniffe in der Hinterhand zu haben.
Das komplette Prinzip des Spiels hat für mich wirklich motivierend gewirkt, und ich hatte eigentlich keine Phase, wo ich keine Lust hatte, mal eine Session zu starten. Wie gesagt, am Ende hatte ich dann eigentlich kaum mehr etwas zu tun, was noch mit den Potions zu tun hatte, und in meinem Modus wäre das Spiel damit wahrscheinlich vielen Leuten zu einfach. Mir hat es natürlich gut gepasst, ich wollte ja eigentlich chillen und mich von den tollen Charakteren berieseln lassen.
In Rafta sind Geschlechter und Rassen völlig egal. Sylvia kann anbandeln mit wem sie möchte, ob Mann, Frau, Non-Binär oder Walross. Ja, richtig gelesen, und wen würde es jetzt wundern, dass das Walross meine erste Romanze war, die ich rigoros verfolgt habe? ;0
Niemand von den NPCs ist irgendwie langweilig, nicht nur ihr Design ist einfach immer supergut (vor allem die Gesichtsausdrücke sind so ausdrucksstark und toll, die alleine könnte man einfach nur eine ganze Weile lang anstarren und genießen), auch ihre Geschichten haben immer irgendwo etwas Besonderes. Bei Xid zum Beispiel, die ein Popstar war und nun ihre eigenen Songs schreiben will, was ja jetzt nicht höchst aufregend klingt, bekommt man regelmäßig richtige Lieder präsentiert, die sie einem vorsingt. Das gibt es sonst in keiner Route.
Die Vertonung ist übrigens allgemein richtig gut (to be fair, die Songs sind es eigentlich tatsächlich gar nicht soo, aber ich appreciate den effort) und für jeden Charakter absolut passend getroffen, und leidenschaftlich synchronisiert. Ich glaube das gab es auch erst bei der PS5-Version neu, genauso wie den Cozy-Modus, weil den Leuten anscheinend im Original doch alles ein bisschen stressig geworden ist. Und eben, niemand will Stress, wenn man eigentlich lieber ein lustiges Date mit Korsak hätte, um sein Tier-Poop Journal weiter füllen zu können.
Also, ich bin ziemlich begeistert. Potionomics ist sicher nicht für alle etwas, da müssen schon einige Komponenten zusammen wirklich für jemanden passen - aber für mich war es anscheinend eine richtig gute Mischung. Ich hatte immer Spaß, ich hatte immer etwas vor, und ich hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Wirklich richtig gut, ich wünschte, Shop-Simulatoren wären öfter so langfristig motivierend und hätten vor allem so eine tolle, witzige Welt zu bieten wie Potionomics.
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