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Samstag, 15. März 2025
Ken Follet's The Pillars of the Earth
Also, ich hätte niemals ein Buch gelesen, in dem die Hauptprämisse ist, dass Leute ständig unbedingt ihre Kathedralen irgendwohin bauen wollen. Vermutlich hätte ich, wenn ich mich in letzter Zeit erst damit beschäftigt hätte, auch kein Spiel mit dieser Prämisse gespielt. Damals habe ich Pillars of the Earth gekauft, weil mir irgendwo versprochen wurde, dass es eine dramatische, emotionale Geschichte bietet, ohne genau zu wissen, worum es wirklich geht. Zumindest hatte ich nicht erwartet, einen so ausufernden Weg in den Schuhen eines Mönchs zurückzulegen, was dem Ganzen von Anfang an etwas ganz Eigenes verpasst hat. Es gibt auch noch zwei weitere spielbare Hauptcharaktere und zwei andere, die man kurzzeitig steuern darf, also ist trotzdem natürlich Abwechslung geboten. Mal davon abgesehen, dass die ganze Geschichte Jahrzehnte umfasst, wo sich die Lebenssituationen natürlich ohnehin immer wieder ändern, und das alles auch in höchst unruhigen, kriegsgebeutelten Zeiten stattfindet. Aber das zentrale Thema, die Kathedrale von Kingsbridge, bleibt natürlich immer bestehen. Auch sie verändert sich mit den Geschehnissen um sie herum, einmal als Symbol für die Hoffnung, dann wieder als Symbol des Leids, wenn die Welt um alle herum einmal wieder zusammenbricht. In gewisser Weise spiegelt sie immer das wider, was gerade erlebt wird, und das ergibt trotz aller Erzählstränge einen sehr schönen, roten Faden, weil am Ende alles immer wieder durch dieses Gebäude zusammenläuft. Und es stellt auch eine Art Heimat für den Spieler, wie dann auch für die Charaktere dar, weil es das ist, was man am besten kennt, und was einem am Herz liegt, zu beschützen.
In gewisser Weise bin also auch ich einer dieser kathedralen-besessenen Deppen geworden, bei denen ich mich im Spiel gefragt habe, wo die alle herkommen. :D
Grundsätzlich geht es in dem Spiel eben darum, die Abtei Kingsbridge wieder aufzubauen. Das Kloster ist unter Führung des letzten Prior James ziemlich heruntergewirtschaftet worden, es hat Schulden, kaum noch Priester und ist an allen Ecken und Enden heruntergekommen. Philipp, ein Mönch, der ein eigenes, deutlich kleineres Kloster anderswo erfolgreich leitet, möchte eigentlich nur James besuchen, wird dann aber durch viele verwinkelte Vorkommnisse und möglicherweise finstere Machenschaften dann der neue Prior von Kingsbridge. Alleine bis man an der Stelle angelangt ist erlebt man schon so einiges, denn nichts in Pillars of Earth ist Zufall und ohne Konsequenzen.
Ich habe die Parts mit Philipp eigentlich immer am meisten genossen, weil sie sich einfach so anders für mich angefühlt haben, als andere Adventures, die ich kenne. Sicher, der Outlaw Jack ist ein cooler Charakter, und die Adelige Aliena eine immens starke Frau, aber... ich kenne solche Arten von Charakteren halt einfach schon zu Hauf. Einen Mönch, der unfreiwillig in Komplotte der Kirche hineingezogen wird, und mit seinem eigenen Glauben immer wieder konfrontiert wird, nur um am Ende trotzdem wieder Gott und Hoffnung zu finden? In so einer konzentrierten, tiefgründigen und nachvollziehbaren (und vor allem spielerischen) Form hatte ich das noch nie, das war einfach immens spannend und atmosphärisch für mich.
Wie auch immer, es bricht auf jeden Fall Krieg aus, die Kathedrale in Kingsbridge brennt ab, das ganze Land leidet, Grafe werden gehängt und ihre Nachkommen gejagt, Babies werden ausgesetzt, Priester sterben links und rechts, und all das - wie gesagt - über mehrere Jahrzehnte. Es ist ein riesiges, dramatisches Abenteuer, mit dem mir niemals langweilig geworden ist. Die Immersion war für mich auch sehr hoch, und als ich mit dem Spiel fertig war habe ich mich oft dabei erwischt, wie ich irgendwie das Gefühl hatte, wieder zurück in diese oft unfaire Welt kehren zu müssen, um Philipp, Jack, Alliena, Martha, Ellen und von mir aus auch Tom irgendwie durch all dieses Leid zu bringen.
Ein bisschen cheesy kann es schon sein, weil der Plot dann doch an einigen Stellen etwas konstruiert wirkt. Es hängen halt wirklich ALLE Dinge irgendwie zusammen, und wenn eine Person irgendetwas bestimmtes machen muss, oder gemacht haben soll, dann ist das nie ein neuer Charakter (außer es geht um Kleinigkeiten), sondern immer irgendjemand, der sowieso schon da war. :D Aber da der Cast recht groß ist, und der Mittelpunkt des ingame Universums keine Person, sondern eine Kathedrale ist, ist dieser Punkt wirklich sehr leicht verschmerzbar. Mich hat es jedenfalls nicht gestört, ich wollte irgendwann in meiner kleinen Bubble auch niemand Neues mehr haben. ;P
Ich dachte am Anfang außerdem, dass Tom Builder der Hauptcharakter sein würde, weil man mit ihm den Prolog spielt und er eigentlich der Typ ist, der sogar sichere Arbeit ausgeschlagen hat, um seinem Traum folgen zu können, eine Kathedrale zu bauen. Aber da er diesen letzten Trait irgendwie an jeden Menschen vererbt hat, dem er nur eine kleine Spur väterlich begegnet, war es dann später kein Problem mehr, dass er recht selten vorkam. ;P Okay, jetzt habe ich oft genug erwähnt, dass diese Leute besessen von dem Bau der Kathedrale sind, es ist wirklich genug.
Ich habe jedenfalls gelesen, dass zumindest beim Buch kritisiert wird, dass die Charaktere zu eindeutig gut und böse eingeordnet sind, finde aber alleine schon Tom ein gutes Beispiel dafür, dass man das im Spiel nicht wirklich so sagen kann. Ich bin ihm gegenüber sehr hin- und hergerissen, weil er schon ein guter Mensch sein möchte, aber es dann doch halt immer mal wieder verkackt. Und bei Alfred (was ist am Ende eigentlich mit dem passiert?) oder Remigius weiß ich bis heute nicht, wie ich sie einordnen soll. Es stimmt schon, die wichtigsten Antagonisten sind wirklich abartig hinterhältig oder schlicht unfassbar böse (oh William, nie war jemand so eindeutig scheiße wie du), aber es gibt trotzdem auch andere hassenswerte Charaktere, die trotz allem ihre guten Züge und Lichtblicke haben. Und bei den Helden hat jeder von ihnen Fehler gemacht, oft wirklich erhebliche (Jack, der die Kathedrale halt total abgefackelt hat). Ja, im Endeffekt wird ihnen immer verziehen, und sie alle bekommen auch ein relativ schnulziges Happy End, aber alles andere hätte mein Herz auch ein bisschen gebrochen - nach all dem Leid verdienen sie eine schöne Konklusion. Ich hätte es nicht anders haben wollen.
Vom Stil her fühlt man sich als Daedalic Kenner wirklich sofort zu Hause. Die Hintergründe sind so schön detailliert gezeichnet, und strahlen ein bisschen einen Chains of Satinav Vibe aus. Das hat mir gleich richtig gefallen. Auch das Gameplay ist bis auf wenige QTEs, wo man nur im richtigen Timing mit der Maus klicken muss, ziemlich klassisch Point & Click - auch wenn es keine ausufernden oder komplizierten Rätsel gab, wofür ich aber ganz dankbar war. Die Erzählung wäre mir zu sehr durchbrochen gewesen, wenn ich wirklich ein paar Kopfnüsse knacken hätte müssen, während William Hamleigh meinen Bruder wie einen Hund draußen angekettet hat, und angepisst darauf wartet, dass ich aus seiner verrotteten Vorratskammer noch irgendetwas Brauchbares zu Essen auftreibe. Dafür gibt es natürlich Entscheidungen, die aber in den wenigsten Fällen wirklich Einfluss auf das Geschehen haben. Mir fällt eine sehr wichtige ein, von der abhängt, ob Tom Builder bis zum Ende überlebt oder nicht, aber sonst ist die Geschichte so ziemlich vorgegeben, denke ich. Also zumindest werden die bestimmten Hauptcharaktere immer ihr Happy End erleben, und das fand ich durchaus okay so. Für mich war dieses Spiel vorrangig ein Adventure und eine Erzählung, sodass ich unterschiedliche Stränge und Ausgänge gar nicht wirklich wollte. Mich hat es eher beruhigt, dass ich bei all den Schrecklichkeiten, die so vorkamen, nicht auch noch direkt Schuld an einer war. Also ich als Spieler, die Protagonisten selbst waren natürlich an sehr vielen Dinge schuld. :D
Schön fand ich auch, dass nach jedem Kapitel die eigenen Entscheidungen auch aufgelistet wurden, sodass sie trotzdem irgendwie Anerkennung fanden, ohne die Geschichte zu zerbrechen. Und wenn man wirklich investiert ist, dann macht es zumindest fürs eigene Gefühl definitiv einen Unterschied, ob man versucht hat, die Kriegsflüchtlinge mit allem was man hat zu versorgen, oder sie vor dem Tor wegzuschicken.
Das Spiel ist außerdem voll vertont, und entgegen meiner sonstigen Vorlieben habe ich nicht nur auf Deutsch angefangen, sondern sogar alles in dieser Sprache durchgespielt! Denn die Synchronsprecher waren gut. o.o Okay, vielleicht nicht alle, ein paar Frauenstimmen und Prior James waren ein bisschen komisch, aber das sind alle, die mir einfallen, die ich kritisieren könnte. Alle anderen Charakteren klangen echt gut, vor allem Philipp, Remigius, William, Waleran, Aliena und Ellen. Die haben mir einfach besonders gefallen. Dass ich das nochmal erlebe!
Unterm Strich habe ich also wirklich nur Positives zu berichten, und ich merke auch nach einigen Tagen noch, dass Pillars of the Earth einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Ich habe schon noch öfter darüber nachgedacht, und mir bleiben vor allem die Besonderheiten im Gedächtnis - nicht die eher klassisch, aber dabei manchmal schnöden Parts von Jack und Aliena, deren Liebesgeschichte ich nicht einmal unbedingt gebraucht hätte. Dafür aber alle Parts mit Philipp, die rustikalen und ärmlichen Verhältnisse der Bevölkerung damals (vor allem in Kriegszeiten), und das beeindruckende "Wunder" am Ende, das man auch als total cheesy auffassen könnte, mir aber wirklich richtig gut gefallen hat.
Wer Lust auf eine lange Erzählung voller Intrigen, Gewalt und Leid hat, ohne den Zuschauer aber mit zu vielen Grausamkeiten zu überfordern, dafür aber mit einer Reise unterschiedlichster Charaktere, die man richtig lieb gewinnen kann und über Dekaden begleitet... der ist hier richtig. Pillars of the Earth ist meistens mehr Geschichte als Spiel, aber interaktiv genug, um auf dem Papier vielleicht trocken wirkenden Stoff wirklich atmosphärisch zu erzählen. Ich fands ziemlich toll.
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