Dienstag, 15. August 2023

Magical Vacation


Magical Vacation ist ein JRPG, das nur in Japan erschienen ist, aber einen ziemlich guten englischen Patch spendiert bekommen hat. Trotzdem ist es weitgehend ziemlich unbekannt, dabei wirkt es auf dem Papier eigentlich beinahe perfekt: Das Spiel hat herausstechende, wunderschöne Grafik, ein sehr interessantes Magie-System, das auf Elementen basiert, eine Party mit bis zu 6 Mitgliedern, sowie 15 Charaktere, aus denen man dafür wählen kann, viele Items zum Sammeln, ausrüsten und benutzen (Loot hat immer einen Wert) und Dungeons mit ihren ganz eigenen, kreativen Gimmicks.
Ich wollte Magical Vacation für all das wirklich lieben. Mein Herz weint. Denn ich habe es früh bereits als anstrengend empfunden, gegen Ende hin hätte ich aber eigentlich fast aufgegeben. Würde ich nicht alles durchspielen, und würde ich nicht einfach so dringend wollen, dass das Spiel seine Stärken entfalten kann, hätte ich es definitiv abgebrochen. Dabei hätte es doch so, so viel Positives!

Das Setting ist zu Anfang eine Magieschule, in der die Schüler, naja, eben Magie lernen. Man erstellt einen Protagonisten oder eine Protagonistin, und muss hier gleich das Element auswählen, auf das man sich stützen will. Wer glaubt, dass das schon ganz cool ist, der muss sich erst mal ansehen, was es überhaupt alles gibt - ganze 16 Elemente existieren in der Welt, von denen 3 in einem ersten Durchgang zwar nicht gewählt werden können, aber selbst dann sind es immer noch 13. Und was man sich da alles aus den Fingern gesaugt hat! Neben den Klassikern Feuer, Wasser, Luft, Erde, Blitz gibt es noch ein paar naheliegende Sachen wie Holz, Käfer und Gift, und dann noch so spannende Dinge wie Ancient, Sound, Biest, Schönheit und Blade (ich vermische hier Deutsch und Englisch je nachdem, wie es für mich Sinn macht, damit man sich etwas darunter vorstellen kann). Licht, Dunkelheit und Liiiiebe sind spezielle Magien, für die man bestimmte Dinge im Spielverlauf machen muss, um sie für ein New Game+ erhalten zu können.
Ich habe es bei mir nie geschafft, irgendwelche anderen Zauber als meine Wood-Magic zu nutzen, aber anscheinend soll es schon irgendwie gehen - aber englische Hilfen zum Spiel sind rar gesäht und sich nicht immer ganz einig.
Wie auch immer, ich startete also mit Wood Magic, und man bekommt gleich am Anfang mit, dass ein großer Schulausflug ansteht. Man lernt seine Mitschüler kennen, also die späteren möglichen Partymitglieder, und das alleine ist eigentlich schon eine riesige Freude. Sie sind alle nach irgendwas Essbarem benannt und haben wirklich coole Portraits - außerdem haben sie unterschiedliche Rassen. Und ich spreche hier nicht von Elfen oder so profanem Kram, nein. Einer ist ein Hund, einer eine Marionette, einer eine... Kartoffel (WAS BIST DU CHOCOLAT?),... es gibt beinahe alles, was man sich vorstellen kann. Auch später in der großen, weiten Welt. Und das macht einfach Spaß. Man hat gleich das Gefühl, hier auf etwas Besonderes zu stoßen. Ja, es könnte alles so schön sein.

Später passieren auf dem Schulausflug, der als Tutorial dient, schlimme Dinge und die Schüler werden in eine andere Welt teleportiert. Das "Light Realm", in das man hier gelangt ist nur eine von drei unterschiedlichen World-Maps, die man bereisen wird. Man hat sich hier also wirklich einiges überlegt, vor allem auch weil die Orte alle logisch miteinander verbunden sind, und sie sich, genauso wie die einzelnen Realme allgemein, auch definitiv unterschiedlich anfühlen. Die Grafik ist fast überall ein wahrer Augenschmaus, und der Kreativität wurden kaum Grenzen gesetzt. Es gibt Städtchen, die von Quadraten bewohnt werden, oder geheime Eisschlösser mit Bewohnern, die nur aus Wasser bestehen, sprechende Töpfe, die man zum explodieren bringen muss, und genervte Fische, die einem das Geld abzwacken,... Das sind nur wenige Beispiele, und die Dungeon stehen dem in nichts nach.
In jedem gibt es eigene Mechaniken, die über Schalter- oder Kistenrätsel weit hinaus gehen. Einmal muss man zum Beispiel (im schönsten Dungeon von allen) Sterne sammeln, darf dabei aber nicht zu nahe an Gefäße gelangen, weil die einem sonst das letzte Partymitglied zurück zum Reisebus (quasi sowas wie der Hub, den man aber selten wirklich benutzt) schicken. Ein anderes Mal muss man unter vielen bunten Fröschen einen bestimmten finden, und wenn man sie anwählt dreht sich die ganze Party unkontrolliert an der Stelle. Vielleicht klingt das alles gar nicht so spannend, aber ich war oft schon sehr beeindruckt über die schiere Vielfalt an Aufgaben, um voranzukommen.
Leider waren sie trotz allem oft auch frustrierend, und das ist meiner Meinung nach hauptsächlich zwei Dingen geschuldet: Die Dungeons sind recht groß und verworren, und ich habe oft gar nicht mal erkannt, wo es weitergehen könnte. Aber dafür gibt es im Notfall natürlich auch Videos zum Nachgucken (die Walkthroughs in Textform helfen diesbezüglich leider NICHT weiter, und es gibt auch wirklich kaum welche in einer Sprache, die ich verstehe).
Erheblich schlimmer ist hier leider, leider das Kampfsystem. Es wäre eigentlich sehr interessant und spannend mit den ganzen Elementen, deren Spirits und den Fähigkeiten der Charaktere. Aber alles dauert. so. furchtbar. lange. Es gibt Zufallskämpfe und keiner von ihnen ist einfach eine Sache, die man schnell durchklicken kann. Jedes Gefecht erfordert Konzentration, viele Eingaben, und längere Animationen. Da ist natürlich die Tatsache, dass man 6 Partymitglieder hat (und auch bis zu 6 Gegner erscheinen können), dann plötzlich wieder eher ein Nachteil.
In dem rundenbasiertem System muss man für alle Mitstreiter zuerst eine Aktion wählen. Magie hat hier einen großen Stellenwert, und nur selten kann man durch normale Angriffe gute Ergebnisse erreichen (eigentlich nur bei der Blade Magic, die wirklich superior allen anderen gegenüber ist - außer dass sie nur einzelne Ziele in der vorderen Reihe treffen kann). Die Position der Gegner spielt eine Rolle, weil neben der Tatsache, dass bestimmte Aktionen die Monster hinten nicht treffen können, Zauber auch ein bestimmtes Wirkungsfeld haben. Ansonsten kann man ganz klassisch Items benutzen, Verteidigen oder Fliehen.
Zu den Items möchte ich nur kurz sagen: Es gibt viele, viele verschiedene, von Rüstungen über Stat-Verbesserungen, bis hin zu nützlichen Gegenständen wie Quests (wie oben schon angedeutet), aber was es nicht gibt sind Heilgegenstände, die mehr als ein Partymitglied heilen. Und während Zauber allgemein eine bestimmte Anzahl von MP kosten, die sich pro Runde je nach Stats regenerieren, verbraucht ausgerechnet die Heilerin für ihre Magie ALLE ihre MP. Daher ist auch das Heilmanagement im Kampf ein großes Thema - und verlangsamt das System damit zusätzlich, vielleicht ist das sogar einer der Hauptgründe, warum es nun mal so viel zu überlegen und zu managen gibt.

Die Stärken und Schwächen der Elemente sind auch durch die schiere Anzahl relativ unüberschaubar, und teilweise allgemein recht unintuitiv - das System lässt sich aber eigentlich nicht aushebeln. Benutzt man Wood gegen Insect, dann können alle Stats maximiert sein, man wird trotzdem kaum Schaden machen. Oh, und Feuer ist übrigens nicht stark gegen Wood, genauso wenig wie Wasser gegen Feuer stark ist. :)
Also dafür, dass das alles im Kampf schon relativ wichtig ist, fiel es mir oft schwer, mir dieses komplexe System zu merken. Naja, ich habe es mir auch nicht gemerkt, man muss dann sowieso mit dem zurechtkommen, wofür man sich entscheiden. Nicht nur mit dem Element vom Anfang, das man nicht wechseln kann, sondern auch mit den Partymitgliedern. Der letzte Boss sollte schon mit einem Level von über 70 (im Guide steht sogar 80) bekämpft werden, rein storymäßig ist man an der Stelle aber ohne Grinding vermutlich bei so... 55? Also sollte man sich eigentlich schon, bevor man das letzte mögliche Partymitglied erhält, ziemlich festlegen. Die Entscheidung fällt bei der Auswahl übrigens richtig schwer, jeder der Schüler*innen hat natürlich die Magien von jeweils einem der Elemente, es ist also alles vertreten. Und die meisten von ihnen haben tatsächlich auch einen Hintergrund, man lernt sie also alle kennen - bis zur freien Wahl hat man auch jeden von ihnen mindestens einmal gezwungenermaßen in der Party. Das fand ich sehr gut gelöst und ansprechend. Aber.


Ich war an der Stelle wirklich schnell schon so genervt, weil man für ein Level zu der Zeit ungefähr eine Stunde gebraucht hat. Nach 8 Spielstunden und 8 Levels mehr (@_@) habe ich meiner Protagonistin tatsächlich mit einem Cheat Max Stats verpasst. Vielleicht bin ich darauf nicht stolz, aber eh, ich wollte einfach nicht mehr so viel trainieren, weil einfach jeder einzelne Kampf so anstrengend ist. <_<
Und dieser letzte Absatz beschreibt eigentlich den genauen Zeitpunkt, wo ich Magical Vacation am liebsten abgebrochen hätte. Meine ca. 34 Stunden haben sich am Ende angefühlt wie mindestens 50, ich habe fast 3 Monate dafür gebraucht, weil ich mich später schon zwingen musste, wieder dazu zu gehen. Ich kann gar nicht so nachvollziehbar beschreiben, wie anstrengend es wirklich war - vielleicht war es für mich in der Zeit auch einfach gerade ganz und gar nicht das Richtige?
Denn wie ich schon sagte, das Drumherum ist eigentlich so cool, und hat so, so viel Eigenes, das wirklich gut ist, und von dem Leute sagen würden, dass "aktuelle" RPGs das alles nicht mehr haben. Kurz gesagt: Magical Vacation hat wirklich Seele. Ich wünschte so sehr, ich könnte es empfehlen. Selbst ohne die vielen negativen Punkte muss ich hier sogar noch darauf hinweisen, dass das Ending nicht übersetzt wurde. Also es gibt Dialog nach dem Endboss, sodass man zumindest noch ein Gespräch hat, aber danach muss man sich aus Standbildern selbst zusammenreimen, ob das Spiel einem noch irgendetwas sagen will (das will es, denn von Ganache und seiner Schwester, einem zentralen Plotpunkt, gibt es eine Abfolge von zusammenhängenden Bildern), weil nicht mal japanische Zeichen dastehen, sondern nur komische Zahlen und Nummern. xD Aber es gibt hier wenigstens Übersetzungen im Internet, zumindest im Magical Vacation Wiki.
Aber auch wenn ich insgesamt vielleicht momentan ein wenig salty bin, glaube ich trotzdem, dass auch viele andere Schwierigkeiten mit dem langsamen Kampfsystem haben würden. Und ich weiß gleichzeitig nicht, ob die tolle Welt, die liebenswerten Charaktere und die durchaus ordentliche Geschichte darüber so hinwegtäuschen können, wie es zum Beispiel ein Skies of Arcadia theoretisch kann.
Mir bleibt damit nur zu hoffen, dass Magical Starsign, der Nachfolger, die guten Dinge mitgenommen, und die schlechten aufpoliert hat. Das würde nämlich wahrscheinlich schon reichen, um ein richtig gutes Spiel zu haben.



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