Haven

Ich muss sagen, als ich Haven angefangen habe, war ich gleich einmal irgendwie enttäuscht. Für mich fühlte sich der Beginn sehr langsam an, da einige Funktionen des Spiels erst nach und nach freigeschaltet werden. Und das, was mir zuerst einmal als Einstieg in der Anfangsphase präsentiert wurde, konnte mich echt nicht überzeugen. Es würde mich also nicht wundern, wenn einige Leute über diesen Beginn gar nicht hinauskommen würden. Dann würde einem aber eigentlich der wahre Charakter des Spiels entgehen, denn mit bestimmten Komfortfunktionen steigt nicht nur der Spaß an der Erkundung, die essenzieller Teil des Gameplays ist, auch die Beziehung zwischen den Protagonisten wird immer detailreicher. Also man sollte Haven auf jeden Fall über die erste Stunde hinaus eine Chance geben, um abschätzen zu können, ob es einem gefällt. Äh, und das sage ich, obwohl bei mir der Funke trotzdem nie wirklich übergesprungen ist. Aber wer an der flotten Fortbewegung, um den fremden Planeten zu erforschen, Gefallen findet, und wem Kay und Yu ans Herz wachsen, der könnte hier trotzdem Spaß haben. 

In Haven geht es um ein Liebespaar, also eben Yu und Kay, die aus ihrer Heimat auf einen verlassenen, unerforschten Planeten geflohen sind, um zusammen sein zu können. Wo sie herkommen regiert ein System, ähnlich wie in bekannten dystopischen Klassikern (von denen ich zuletzt erst "Wir" von Yevgeny Zamyatin gelesen habe - war cool), in denen Lebenspartner vorgegeben und zugeteilt werden, offenbar um eine existierende Genkrankheit zu vermeiden. Viel mehr wird über dieses System aber auch nicht bekannt, da die allgemeinen Umstände der existierenden Welt nur am Rande angeschnitten werden. Es ist natürlich wichtig für die Protagonisten, allerdings versuchen sie oft auch einfach zu verdrängen, dass sie auf der Flucht sind und womöglich gesucht werden. Es gibt im Verlauf der Geschichte ein paar Plotpunkte, die die Situation verschärfen, oder dies zumindest versuchen, aber wirklich relevant bleibt eigentlich immer nur die Beziehung zwischen Yu und Kay. Denn die Message des Spiels ist ganz klar: Wahre Liebe überwindet alles. Und ist offenbar auch das Wichtigste. Für den relativ kurzen Zeitraum der Ereignisse geht das irgendwie in Ordnung, aber es ist schon sehr fragwürdig, ob das langfristig gut gehen kann. Vor allem wenn man bedenkt, dass das "gute" Ende eines ist, in dem Yu und Kay völlig einsam auf dem neuen Planeten bleiben. Thematisiert wird hier nur, dass der Lebensraum dort über kurz oder lang nicht mehr für Menschen geeignet sein könnte, aber nicht etwa, dass sich die beiden auch irgendwann voll auf den Arsch gehen könnten. Ich meine, ein ganzes Leben lang, nur zu zweit! 
Wie auch immer, ich will die Beziehung eigentlich gar nicht so kritisch betrachten, weil sie trotz realitätsfremder Aspekte einfach sehr ausführlich behandelt wird. Es wurden viel Zeit und viele Ressourcen in diese Bindung gesteckt. Das merkt man alleine an den zahlreichen Szenen, die man mit Yu und Kay erleben kann. Viele von denen sind optional, weil sie auch bei optionalen Aktivitäten vorkommen, die man nie machen muss und teilweise komplett ignorieren kann. 
Manche Dialoge sind zwar echt auch ein bisschen unangenehm, aber ich war trotzdem sehr beeindruckt, wie viele Themen (oder manchmal auch nur Blödsinn) den Entwicklern hier eingefallen sind, um die Gespräche zu gestalten. Das kam mir, vor allem nachdem ich mich ein bisschen an alles gewöhnt hatte, sogar relativ authentisch vor. Nur die häufigen Sex-Anspielungen hätte man an manchen Stellen sein lassen können - zumindest mal sicher an der, wo Yu die Bettseite mit Kay tauschen will, weil bei ihr alles klebrig ist. o.ô

Okay, also zusammengefasst: Die Beziehung zwischen den Protagonisten hat hier einen starken Fokus bekommen, der größtenteils auch durchaus gut gelingt, aber ein paar seltsame Momente aufweist und im Großen und Ganzen sehr beschönigt wird. Kay ist hierbei übrigens deutlich der Sympathieträger, den man kaum nicht mögen kann, während Yu ein bisschen nerviger sein kann. Es ist übrigens auch möglich, am Anfang des Spiels gleichgeschlechtliche Paare auszuwählen - also Yu als Mann zu spielen oder Kay als Frau. Ich habe mit der klassischen Konstellation gespielt, einfach weil es die ursprüngliche war. 

Aber was macht man überhaupt, wenn man sich nicht gerade Gespräche des Liebespaares anhört?
Grundsätzlich geht es eigentlich darum, den fremden Planeten zu erkunden, damit man das Luftschiff reparieren kann, mit dem Yu und Kay überhaupt erst hier gestrandet sind. Dieses dient auch als "Basis", also als Zuhause für die beiden, und man kann dort allerlei Kleinigkeiten unternehmen, die hauptsächlich zu mehr Szenen zwischen den Protagonisten führen. Wichtiger ist dort das Kochen und das Herstellen und Verbessern von Gegenständen für den Kampf.

Die meisten Aktivitäten schalten sich erst nach und nach frei, und die Kleineren sind auch völlig optional und eigentlich nur winzige Belohnungen für eine ausführliche Erkundung. Das Kochen an sich macht aber irgendwie Spaß, weil man die Zutaten dafür auch überall auf den einzelnen Inseln des Planeten findet, außerdem gibt es Mali wenn Yu und Kay hungrig kämpfen müssen.
Außerhalb der Basis gibt es einen Garten, in dem man selbst Zutaten heranziehen kann, diverse Haustiere (eines fungiert später als "Schnellreisesystem") und Übergänge zu anderen Bereichen des Planeten. Dieser besteht nämlich aus einzelnen Inseln, also auch einzelnen Maps. Diese Bereiche erforscht man schwebend - und unter bestimmten Umständen sogar fliegend -, was zwar echt flotte Fortbewegung ermöglicht, aber für mich auch irgendwie nicht besonders intuitiv war. Das ist sicher mein persönliches Problem, ich brauche irgendwie festen Boden unter den Füßen, um meine ohnehin schlechte Orientierung halbwegs zu behalten, fliegen ist für mich irgendwie ein Alptraum (das war schon in Skies of Arcadia auf der Weltkarte so!). Daher war für mich das schnelle Herumschweben eigentlich eher nervig und anstrengend, und die etwas später freigeschaltete Karte half mir dabei auch nicht wirklich. Ich bin oft viel zu lange herumgeirrt, ohne gefühlt Fortschritt zu machen. Dabei sind die Maps jetzt wirklich nicht besonders groß und weitläufig.
Zu finden gibt es neben kleinen Gimmicks und Reparaturteilen für das Schiff vor allem eines: "Rust". Das ist eine rote Masse, die schädlich für die Flora und Fauna des Planeten ist, und Tiere zum Beispiel aggressiv macht. Man kann diesen Rost komplett von einer Insel entfernen, was auch die Voraussetzung ist, um dort dann über die"Schnellreise" auf dem Rücken eines Art Rochens, hingelangen zu können. Die vom Rust betroffenen Kreaturen muss man "reinigen", was halt dann die Kämpfe sind. 

Das Kampfsystem könnte kreativ sein, ist aber meistens einfach nervig. Es ist nötig, dass Yu und Kay eine bestimmte Synergie im Kampf haben, aber das ist mit viel Zeitverschwendung verbunden. Es gibt zwei unterschiedliche Angriffe, ein Schild und man kann Items nutzen - alles davon muss aber erst per gedrückt gehaltenem Knopf aufgeladen werden. Die zwei Attacken können von beiden Charakteren auch gemeinsam ausgeführt werden, das Schild von einem schützt auch den anderen, und manchmal muss man aufs Timing achten... aber das wars eigentlich auch schon. Man hätte sicher mehr aus dem Duo-System herausholen können. Nervig ist aber vor allem, dass bei jeder Art von Gegner meist nur eine bestimmte Taktik wirklich zum Erfolg führt, und das ist einfach anstrengend, wenn die feindliche Truppe aus unterschiedlichen Kreaturen besteht. Es gibt später ein paar Hilfsmittel (eben durch das "Crafting" in der Basis), aber selbst das kann nicht davon ablenken, dass die Gefechte einfach zu lange dauern, und dabei zu langweilig sind. Kleines Trostpflaster ist aber, dass man mit allen Tieren nach der Reinigung interagieren kann, und das ist zugegebenermaßen schon niedlich. Ich mag es, dass Yu und Kay außerordentlich tierfreundlich sind und manchen von ihnen eben sogar Namen geben und so. 

Insgesamt kann man jedenfalls festhalten, dass ich vom Gameplay allgemein nicht gerade begeistert war. Mit zunehmender Spieldauer wurde es immer etwas angenehmer, eben durch kleine Verbesserungen, die nach und nach eingeführt werden. Aber so wirklich gut fand ich es trotzdem nie, sondern halt einfach "deutlich ertragbarer". 
Darüber hinaus konnten die beiden Hauptcharaktere für mich halt trotz aller Liebe zum Detail nicht einziger Träger der Geschichte sein. Also, ich wollte am Ende definitiv, dass Yu und Kay weiterhin zusammen leben können und sie nicht in ihre Heimat zurückmüssen, um dann nach einer Gehirnwäsche bei irgendwelchen anderen Partnern zu leben. Aber wäre es passiert (denn dieses Ende gibt es), wäre ich auch darüber hinweg gekommen. Übrigens ist nur eine einzige Entscheidung im Spiel am Ende ausschlaggebend dafür, wie die Geschichte von den beiden Liebenden endet, und das beschreibt das Finale eigentlich auch schon ganz gut: Es ist ziemlich ereignislos. Es gibt keinen Endboss oder eine letzte Konfrontation, eigentlich nur diese eine Wahl und dann noch ein bisschen Herumfliegen. Unter normalen Umständen fände ich das wohl ein wenig lahm, in dem Fall war ich aber sogar recht froh, weil ich keine Lust auf ein großes Gefecht oder noch ausufernde, lange Ausflüge hatte.^^ 
Ich hoffe trotz allem, dass anderen das Spiel deutlich besser gefällt als mir, und sehe dafür durchaus das Potenzial. Und eben auch die Arbeit und sicher das Herzblut, die hier hineingesteckt wurden. Ich glaube gerade die Fliegerei kann anderen deutlich mehr Spaß bringen als mir, und das bessert sicherlich gleich einiges vom gesamten Spielerlebnis. Für mich war das aber leider nix. 
Ich habe übrigens auch an einigen Stellen gelesen, dass der Soundtrack so cool sein soll, aber... mir ist der nicht mal aufgefallen. xD Also noch etwas, das ich nicht als Pluspunkt werten kann, der aber theoretisch für manche wohl einer wäre. Naja.