Sonntag, 24. April 2022

The Infectious Madness of Doctor Dekker

Ich habe noch nie ein FMV-Spiel selbst gespielt, weil ich mir hier immer unsicher bin ob es nicht ein bisschen "cringey" werden könnte. Meine bisherigen Erfahrungen stützen sich auf Youtube Videos von unter anderem Gabriel Knight 2: The Beast Within (seeehr toll aber auch unfreiwillig komisch) und Phantasmagoria (der zweite Teil ist schon sehr übel), nichts davon konnte mich aber je vollkommen überzeugen so etwas in der Art auch selbst zu spielen.
The Infectious Madness of Doctor Dekker habe ich geschenkt bekommen und das war dann eben die Gelegenheit. In diesem Spiel verkörpert man einen Psychiater, der für den kürzlich verstorbenen Dr. Dekker die Praxis übernimmt - und dessen Patienten. Der namensgebende Doktor wurde ermordet und der Verdacht liegt nahe, dass einer von ihnen der Mörder ist. Einerseits versucht man also den Täter zu entlarven, gleichzeitig lernt man in den Therapiesitzungen aber auch die Probleme der Patienten kennen und versucht ihnen mehr oder weniger, oder vielleicht auch nur eventuell, zu helfen. 

Dies macht man indem man ihnen Fragen stellt. Also ja, direkt per Tastatur eingibt. Eigentlich muss man nicht mal Fragen stellen, sondern nur bestimmte Schlüsselwörter triggern, damit man dem Gegenüber eine Reaktion entlockt. Auf Wunsch kann man im Menü einstellen, dass diese Wörter in den Untertiteln auch extra gekennzeichnet werden, was ich bei meinem ersten Durchgang allerdings ausgestellt hatte. Und da bin ich dann schon auf das ein oder andere Problem gestoßen.
Man muss sich erst ein bisschen auf das einstellen, wie die Leute reagieren, die Illusion einer echten Reaktion zerbröselt schnell. Auf manche Dinge kann man selbst zum Beispiel antworten, hier ist es aber sehr wichtig trotzdem das Gesagte so gut es geht zu wiederholen, ein einfaches "Ja" oder "Nein" wird gar nicht erkannt. Und es wusste niemand was ich mit "Hey" meine, als ich es statt "Hello" verwenden wollte. Auch Variationen einer Frage sind nicht wirklich möglich. Wenn ich Claire nach dem Tod frage bezieht sich ihre Antwort auf eine bestimmte Sache, obwohl es in ihrem Fall zwei Themen gibt, die damit zusammenhängen - nämlich eben Dr. Dekker und ihren Ehemann. Die jeweiligen Namen zur Frage hinzuzufügen funktioniert nicht. Das ist mir in meinem zweiten Durchgang nochmals extra aufgefallen, da ich da schon wusste was mit David (dem Ehemann) passiert ist und Claire das auch bereits anteasert, ich aber natürlich ums Verrecken nicht genauer nachfragen konnte. Klar ist gerade dieses Beispiel dem Verlauf des Plots geschuldet, aber ich hatte schon echt oft Situationen in denen das mit den Antworten einfach nicht so gut funktioniert hat. Dabei ist es hier sogar nicht mal nötig, eben Sätze auszuformulieren oder Fragezeichen zu setzen. Genauso kann man bisher Gesehenes immer nochmals abspielen und erhält durch eine Sternchen-Kennzeichnung auch Infos, wo man noch nachhaken kann und wo nicht. Es wird einem also eh relativ einfach gemacht, und trotzdem klappt es aber nicht einwandfrei. Bei manchen Sachen konnte ich mir selbst beim zweiten Durchgang nicht erklären, wie zum Teufel ich darauf kommen soll - zum Beispiel Bryce an einer Stelle zu fragen, warum er abgelenkt erscheint, was mir selbst überhaupt nicht aufgefallen wäre. Intuitiv ist also so einiges nicht wirklich.


Dafür sind aber die Clips selbst - also eben die Antworten der Patienten - ziemlich gut gelungen. Die Schauspieler haben mich eigentlich alle ziemlich überzeugt, zumindest die der Hauptpersonen. Das heißt jetzt nicht, dass mir niemand auf die Nerven gegangen ist, ganz im Gegenteil. Aber überzeugend fand ich eigentlich so ziemlich alle. Und das obwohl es bei allen Problemen eigentlich ein bisschen übernatürlich wird. Alle Hauptcharaktere außer der Assistentin des Doktors haben irgendeine besondere Kraft. Teilweise sind diese eventuell gerade noch schönzureden mit ein bisschen Fantasie, und teilweise sind sie einfach absolut verrückt. 
Ob nun alle Charaktere einen an der Klatsche haben oder tatsächlich besondere Fähigkeiten bleibt im normalen Spielverlauf relativ offen (es gibt sehr sehr versteckt die Möglichkeit auch dazu eine Verschwörung aufzudecken), und selbst bei manchen gefühlt deutlichen Hinweisen wird gleichzeitig dann wieder impliziert, dass man auch selbst als Arzt immer verrückter wird.
Auf jeden Fall sind die einzelnen Personen und ihre Geschichten definitiv interessant, aber nach einiger Zeit wurde mir dann bewusst, dass manche Leute mich eben nerven und dann wurden zumindest die Sitzungen mit denen ein bisschen anstrengend. Dafür kann aber das Spiel nichts, es kann einem halt nicht jeder sympathisch sein.
Am schlimmsten war für mich eigentlich Marianna, die ich irgendwie von Anfang an ein bisschen doof fand, und mich dann in einer Art Traumsequenz auch noch dazu zwang ihr "Ich liebe dich" zu sagen. Da wars dann komplett vorbei. Habe ihr regelmäßig in meinen Fragen Schimpfwörter mitgegeben, die natürlich völlig ignoriert wurden solange eine Phrase dabei war die eine Antwort getriggert hat - und selbst wenn nicht hätte sie mir einfach nur "Äh nö, das sagt mir nichts" gesagt, oder eine der vielen Varianten dieser Reaktion, wenn man kein Keyword getriggert hat.
Und dann fing sie auch noch an Nathan zu daten! D: Ich hätte ihm wirklich gerne gesagt, dass er sie vergessen soll und sie höchstwahrscheinlich eine psychopathische Mörderin ist, unabhängig davon ob sie Dekker umgebracht hat oder nicht, aber naja, sowas geht ja eben nicht.


Apropos "ob sie Dekker umgebracht hat oder nicht": Der Mörder ist in jedem Spieldurchgang zufällig gewählt und kann einer von insgesamt sechs Charakteren sein. Das ist ziemlich cool, auch wenn ich wirklich Schwierigkeiten hatte beim ersten Mal den Täter zu identifizieren. 
Dies lag unter anderem daran, dass im normalen Spielverlauf schon Unstimmigkeiten auftauchen, die ich als Anlass genommen habe Elin zu verdächtigen. So hatte diese mir erzählt, dass sie Dekkers Mutter als Krankenschwester schon vor dem Doktor kennengelernt hatte und erst aufgrund dieser Verbindung seine Praxis besuchte. Später hat sie mir aber einen Zettel gezeigt auf dem Dekker ihr während einer Sitzung prophezeit hat, dass seine Mutter in Elins Obhut sterben wird (was okay ist, da sie Sterbebegleitung macht), aber ich hatte es so verstanden, dass diese zu diesem Zeitpunkt schon tot sein hätte müssen. Sowas passiert dann eben, wenn man nicht jede auch optionale Info rausgepresst hat oder man aufgrund der vielen Informationen halt einfach nicht alles genau im Blick hat - was zum Beispiel auch passieren kann wenn man eine komische Reihenfolge bei den Fragen hat. Auf jeden Fall war mir das Grund genug sie für die Mörderin zu halten, und als sie es nicht war war ich so verwirrt, dass ich gar nichts mehr wusste. Ich wusste dann nicht mehr ob manch andere Unstimmigkeiten etwas bedeuten oder nicht und habe halt irgendwie wild drauflos geraten. 
Im Nachhinein gesehen dachte ich es war schon recht eindeutig, dass Claire Dekker in Wahrheit umgebracht hatte, aber in meiner Eile war ich nicht fähig kleine Logiklöcher (oder eventuell Sachen die ich falsch verstanden habe) von echten Hinweisen zu unterscheiden. Oder besser, von einem echten Hinweis - dazu gleich mehr.
Ansonsten gibt es für alle anderen Patienten und einen selbst noch unterschiedliche Enden, je nachdem wie man sich verhalten und welche (oder wieviele) Fragen man gestellt hat - der sich daraus ergebene Wert wird als "Insanity" bezeichnet und ändert eben den persönlichen Ausgang vor allem für einen selbst. Das ist schon ganz cool gemacht.

Bei meinem zweiten Durchgang war übrigens Nathan der Mörder und einige Dinge von denen ich dachte es wäre beim letzten Mal ein Hinweis auf Claire gewesen, stellten sich dann aber wieder doch nicht als solche heraus (eben weil ich nun ja den Vergleich hatte und diese Sachen auch hier vorkamen, wo sie "unschuldig" war.). Es stellte sich da heraus, dass der Hinweis auf den Mörder hauptsächlich in einem einzigen Detail liegt, das bei Nathan sehr auffällig war, bei Claire damals aber meiner Meinung nach nicht wirklich. Da war ich dann wieder beruhigt, dass ich das beim ersten Durchgang nicht herausgefunden hatte, weil ich es nun eindeutiger nachvollziehen konnte.
Was ich bei meinem zweiten Durchgang dann ebenfalls noch herausgefunden habe: Achievements stacken nicht. Das heißt, die Voraussetzungen für alle müssen in einem einzigen Durchgang erfüllt werden. Spielstunden werden nicht gesammelt gewertet, gestellte Fragen werden nicht gesammelt gewertet, nichts wird gesammelt gewertet. Zusätzlich dazu gibt es keine Möglichkeit im Spiel einen manuellen Speicher, oder gar mehrere Speicherstände, zu haben. Jetzt erklär mir mal einer wie er 20 Stunden in einem einzigen Durchlauf erreichen will. Sooo spannend ist das Ganze jetzt nun wirklich nicht. Und für sechs Achievements bräuchte man 6 komplette Durchgänge, alle anderen generieren sich aber nur aus einem einzigen von denen. Das finde ich extrem doof und hat mich echt geärgert. Ich habe dann aus einem versteckten Ordner auf meinem PC den Speicherpfad des Spiels kopiert als ich kurz vorm Ende des zweiten Durchgangs war, damit ich wenigstens so noch ein paar der Errungenschaften erreichen kann (also immer denselben Spielstand wieder reinkopieren, damit ich wenigstens die Ending-Achievements alle holen kann).


Im Endeffekt war das Spiel jedenfalls definitiv interessant, aber gegen Ende ist es doch ziemlich abgefallen. Eben vor allem weil ich mit Marianna am liebsten gar nicht mehr reden wollte, Bryce war nun auch nicht mein Liebling und Jaya hat mich irgendwann auch eher genervt (vor allem mit den dämlichen Jumpscares dazu). Und das Prinzip nutzt sich auch definitiv relativ schnell ab. 
Dafür hat mich die Schauspielerin von Claire seeehr überzeugt, Elin werde ich auf positivie Art und Weise immer verdächtig finden und Nathan ist halt einfach der Beste. Ich habe es also durchaus geschafft auch einen positiven Bezug zu Charakteren herzustellen. Insgesamt war The Infectious Madness of Doctor Dekker aber eher eine nette Beschäftigung für mich als wirklich ein gutes Spiel.

2 Kommentare:

  1. Also storytechnisch ist das für mich immer noch eins der besten FMV Games das ich bisher gespielt habe. Dass der Mord eher nebensächlich wirkte mit den wenigen Hinweisen hat mich da auch gar nicht gestört da ich die übernatürlichen Stories viel interessanter fand. Den Mord habe ich aber irgendwie trotzdem mit nur einem Versuch gelöst :D

    Das Gameplay mag zwar nicht besonders gut sein, aber mittlerweile gibt es zumindest dieses Dropdown Menü mit dem man sich Fragen vorgeben lassen kann. Als ich das gespielt hatte hing ich an einer Stelle ewig fest weil ich nicht wusste was ich noch brauche um die Sitzung zu komplettieren. Und ich habe für meinen einen Durchgang auch wesentlich länger gebraucht als du für deine zwei, auch wenn es für das 20 Stunden Achievement noch lange nicht gereicht hätte.

    Wenn du aber ein anderes FMV Murder Mystery mit ähnlich guten Production Values, aber besser implementierten Gameplay spielen willst, dann solltest du dir vielleicht noch Her Story anschauen. Ist viel kürzer, aber da macht es noch mehr Sinn sich Notizen anzufertigen als bei Doctor Dekker (wo ich das ebenfalls gemacht habe), weil man sich mit Stichwörtern durch eine Videosammlung durcharbeiten muss um die Wahrheit zu ergründen. Da gibt es auch einen spirituellen Nachfolger mit Telling Lies, aber dessen größerer Umfang führt leider zu einer schwächeren da unfokussierter wirkenden Story.

    Die Entwickler von Doctor Dekker haben zwar auch noch andere, kürzere FMV Games entwickelt, die konnten mich aber nicht ganz so überzeugen, weswegen ich immer noch auf ein Doctor Dekker Sequel warte.

    Ansonsten fallen mir noch Simulacra und Five Dates als gute FMV Games ein, aber letzteres ist eher auf männliche Spieler zugeschnitten. Trashig wirkende FMV Games gibt es natürlich wesentlich mehr und da fand ich die Tex Murphy Adventures bisher sehr unterhaltsam. Aber zum spielen würde ich zumindest Under a Killing Moon und Pandora Directive echt nicht empfehlen. Dafür ist das Gameplay viel zu grauenhaft. Ist also eher was für Youtube.

    Ansonsten fällt mir noch Frankenstein: Through the Eyes of the Monster ein, an das ich mich zwar überhaupt nicht mehr erinnere, aber dafür spielt Tim Curry den namensgebenden Doctor, also dürfte es sich zumindest teilweise gelohnt haben? :D

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich glaube ohne das Drop Down hätte ich auch einfach eeewig gebraucht, weil das die ganze Angelegenheit schon erheblich erleichtert. Gleichzeitig habe ich mich aber immer geärgert, weil es so verlockend war es zu benutzen und ich damit halt auch gefühlt beim ersten Mal schneller durch war als ich wollte. Vielleicht war ich für das Spiel auch einfach zu ungeduldig, bzw. habe ich mir halt dann später bei so jemandem wie Marianna auch nicht mehr wirklich Mühe gegeben.^^

      Notizen habe ich mir auch gemacht, aber die waren ziemlich durcheinander und gleichten gegen Ende vermutlich der Insanity meines Doktors. xD

      Ich gucke immer mal wieder bei FMV Games, eventuell steige ich erst wieder bei "Immortality" ein, das bisher nur angekündigt wurde aber auch schon eine Steam Page hat (ich folge dem auf Steam momentan). Ansonsten wäre es vermutlich eh Her Story, das ich ausprobieren würde, von dem habe ich auch schon einiges gehört.
      Wobei ich das mit Tim Curry jetzt definitiv mal suchen und angucken werde, alleine sein Mitwirken weckt schon Interesse.^^

      Löschen