Snatcher ist ein Spiel, das ich schon sehr lange auf dem Schirm habe. Es handelt sich dabei um ein Grafik Adventure aus dem Jahr 1988, das vom inzwischen weltberühmten Hideo Kojima stammt. Auch wenn ich von ihm noch nie wirklich was gespielt habe war ich trotzdem immer neugierig auf Snatcher, da es nach etwas klang, das mir sehr gefallen könnte und ich allgemein nur Gutes darüber gehört hatte. Dabei hat das Spiel eine nicht ganz einfache Entwicklungsgeschichte hinter sich und verkaufte sich offenbar auch in keiner Auflage wirklich gut. Anscheinend hatte Kojima für Snatcher sechs Kapitel geplant, die Entwicklung dauerte aber so lange, dass Konami auf eine krasse Kürzung bestand. Es erschienen dann nur zwei Kapitel und das Spiel endete mit einem Cliffhanger. Auch wenn bei späteren Versionen, unter anderem bei der für den Westen fürs Sega CD System, zum Glück ein drittes Kapitel und echtes Ende hinzugefügt wurden, spürt man die Kürzungen beim allgemeinen Pacing. Zwar tut es dem Spaß wenig Abbruch, weil durch das letzte Kapitel eigentlich so ziemlich alle Fragen beantwortet werden, aber während sich gerade im ersten Kapitel für viele Dinge sehr viel Zeit genommen wird, eskaliert die Sache dann gegen Ende hin sehr schnell und alles kommt Schlag auf Schlag. Das macht das letzte Drittel des Spiels zwar ziemlich aufregend, trotzdem wäre ich auch ein bisschen neugierig wie viel mehr emotionalen Einfluss alles noch gehabt hätte, wenn einfach noch ein bisschen mehr Zeit für Charakterbeziehungen und subtile Hinweise auf die Plottwists gewesen wäre.Trotzdem konnte Snatcher mich aber eben überzeugen, was vor allem der dichten Atmosphäre zu verdanken ist. Der Zusatztitel „Cyberpunk-Adventure“ beschreibt das schon sehr gut.
Es geht um Gillian Seed, der an Amnesie leidet und sich genau wie seine Frau nicht an seine Vergangenheit erinnern kann. Alles was er weiß ist, dass die Armee ihn irgendwo aufgelesen hat und ihn nun als „Junker“ einsetzen will. Also als „Japanese Undercover Neuro-Kinetic Elimination Ranger“ - das ist ein harter Job mit dem einzigen Sinn, Snatcher zu identifizieren und unschädlich zu machen. Snatcher wiederum sind eine Roboter-artige Lebensform, die einflussreiche Menschen umbringt und deren Körper detailgetreu nachbildet, um sich unter die Mächtigen der Gesellschaft zu mischen. Diese Bedrohung gibt es nur in Neo Kobe, dem Schauplatz des Spiels, will sich aber irgendwann natürlich auf die ganze Welt ausbreiten. Das gilt es zu verhindern, und für das kleine Junker HQ ist das keine leichte Aufgabe. Immerhin gibt es dort neben einer Rezeptionistin, dem Chef und einem Mechaniker mit Gillian nur einen anderen aktiven „Jäger“, und Archivierungen im firmeneigenen Computersystem informieren den interessierten Leser, dass die meisten bisherigen Junker im Dienst getötet wurden (wie auch... äh... der andere Junker dann schon ziemlich früh im Spiel).
Es
ist aber zum Glück nicht wirklich notwendig sich eben in diesen
Archiven wirklich lange herumzutreiben. Dort gibt es zwar viele
zusätzliche und durchaus spannende Informationen, aber die Einführung in
die Spielwelt und Begrifflichkeiten gelingt dem Spiel auch so
ausgesprochen gut. Gillian wird der neue Job natürlich ausführlich
erklärt, ohne dass es aber zu langwierig wird. Gleichzeitig ist das auch
so eingängig, dass man sich wirklich unfassbar schnell zurecht findet
und sich die Welt einfach sofort vorstellen kann.
Gesteuert wird alles per Textkommandos, die einem am unteren
Bildschirmrand zur Verfügung stehen und mit dem Controller ausgewählt
werden. Man kann sich so durch einzelne Screens bewegen, Gegenstände und
Umgebungen ansehen oder genauer untersuchen, mit anderen Menschen
sprechen und je nach Situation noch einiges mehr. Zur Seite steht
Gillian dabei sein Roboter Navigator namens Metal Gear – ein kleiner Roboter, der zum
Beispiel Bodenproben oder Inhalte von Flaschen analysieren und wichtige
Hinweise (sowie das Spiel) speichern kann. Er ist so ein bisschen Sidekick und Comic
Relief, der das Geschehen oft etwas auflockert. Teilweise
ist jedenfalls ein wildes Herumspringen durch die Optionen
erforderlich, weil nicht nur jeder einzelne Schritt eben ausgewählt
werden muss, sondern in den meisten Fällen dasselbe Kommando wiederholt zum Weiterkommen
eingesetzt werden muss. Letzteres kann einerseits einfach in
gelangweiltem wiederholtem Auswählen aller Punkte enden, manchmal ist es
aber auch eine Freude, sich langsam vorzuarbeiten und immer mehr und
mehr herauszufinden. Man bekommt schon ein gewisses Detektiv-Gefühl.
Dazu tragen auch etwas abwechslungsreichere Aufgaben zur Auflockerung zwischendurch bei. So kann man beispielsweise aufgrund einer Personenbeschreibung im Firmencomputer ein Phantombild erstellen und durch die Datenbank schicken. Manchmal muss man auch Lösungswörter eintippen, die man durch selbstständiges Kombinieren von Hinweisen herausfindet (mein Favorit ist hierbei das Wort „Queens“, das man sich durch einen Bildschnippsel mit dem Wort „Oleen“ in Verbindung mit einer Schachfiguren Königin herleiten soll). Außerdem gibt es auch noch ein paar Schießeinlagen, bei denen über dem aktuellen Screen ein Feld mit 3x3 Quadraten erscheint, auf die man zielen und schießen kann – je nachdem wo sich ein Feind befindet. Diese Einlagen sind teilweise brutal, weil es mit dem Controller gar nicht so einfach ist in adäquater Geschwindigkeit die äußeren Ecken zu treffen. Zum Glück sind sie aber verhältnismäßig rar gesät und man kann immer wieder direkt vor dem Kampf beginnen, ohne langwierig neu laden zu müssen. Ein schönes Detail hierbei ist übrigens, dass Gillians Umfeld manchmal Kommentare dazu abgibt, wie gut er sich da schlägt. Wenn er getroffen wird, machen sich die Leute Sorgen, wenn er ein perfektes Ergebnis abliefert bekommt er ein dickes Lob.
Überhaupt
sind es genau solche Kleinigkeiten, die Snatcher zu einem schönen Spiel
machen. Die Gespräche und Dialoge wirken lebendig und es gibt einige
optionale (meist humoristische) Texte, die nichts zum Geschehen aber
einfach zum Ambiente beitragen. Toll fand ich auch die Telefon-Funktion,
die einige Mal im Spiel gebraucht wird, aber es lassen sich auch hin
und wieder Telefonnummern finden, die man einfach zum Spaß anrufen kann
ohne dass einen die Gespräche weiterbringen.Trotz
der kurzen Spieldauer konnte ich
also trotzdem irgendwie eine Bindung zu den Charakteren aufbauen.
Zusätzlich dazu sorgen die teils vertonten Dialoge, die Hintergrundmusik
und der detaillierte Pixelstil für ein ganz eigenes Spielgefühl.
Vorbilder wie Blade Runner und Terminator kommen einem da ins Gedächtnis
– eben eine ganz eigene Art von "alter" Cyberpunk Atmosphäre.
Mit
Brutalität wird in so einem Setting natürlich auch nicht gegeizt. Zwar
wurden ein paar Dinge für die Sega CD Version geändert und geschnitten,
aber mir hat beim Spielen nichts gefehlt. Ich fand auch so den geköpften
Jean Jack Gibson und den ausgeweideten Hund (;__;) schlimm genug. Und
die Snatcher waren definitiv auch gruselig genug gemacht, so dass ich
stets die Angst hatte irgendwo auf einen zu treffen.
Ich kann jetzt also insgesamt eigentlich gar nicht wirklich etwas bemängeln, weil die meisten kleinen Schwächen eigentlich im Gesamtbild eher untergehen. Ohne den dritten Akt wäre ich aber wahrscheinlich eher bei einer durchschnittlichen Bewertung. Zwar wird ein Teil der Geschichte – der eher "interne" für das Junker HQ quasi – abgeschlossen, aber es bleibt eben sonst so ziemlich alles offen, und die Bedrohung durch die Snatcher lauert weiterhin ganz in der Nähe. Man erfährt nie wer Gillian und Jamie eigentlich früher waren, oder auch Nebencharaktere wie Random und Harry. Und gerade die Enthüllungen zu letzteren beiden hätten mir im Nachhinein gesehen schon echt gefehlt. Gerade der Schlusspart mit Random ist eventuell sogar meine Lieblingssache am ganzen Spiel, also hat dieses dritte Kapitel definitiv alles für mich doch nochmal eine Stufe höher gehoben als es ursprünglich gewesen wäre. Ich bin also echt extrem dankbar dafür, dass Kapitel 3 im Nachhinein noch hinzugefügrt wurde.
Schade ist eben nur, dass es möglich gewesen wäre, noch mehr Bezug zu allen Charakteren zu haben. Das was Snatcher in der recht kurzen Zeit schon geschafft hat, hätte eben noch so viel mehr sein können. Sicher besteht die Gefahr, dass es dann ein bisschen etwas von seinem Schneid verloren hätte (und mehr Schießeinlagen vorgekommen wären, brr), aber rein von meinem jetzigen Gefühl ausgehend hätte ich durchaus noch ein bisschen mehr von allem vertragen können.^^ Kurz zusammengefasst würde ich also sagen, dass Snatcher nicht vollständig der Knaller war, den ich irgendwie erwartet hatte, aber gerade mit dem dritten Kapitel sind wir schon recht nahe dran. Das Spiel hat einfach durchgehend Spaß gemacht, ich habe die Atmosphäre wirklich genossen und hatte das Gefühl, etwas qualitativ Gutes (trotz des Alters) zu spielen. Gehört dieses Jahr auf jeden Fall zu den überdurchschnittlicheren Titeln, die ich bisher gespielt habe, und würde ich auch jedem ruhigen Gewissens weiterempfehlen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen