Das beginnt schon mit dem Setting, das keine heldenhaften Nationen oder fantasievollen Dörfer beinhaltet, sondern die Unterwelt ist. Und man spielt den Erben des letzten Herrschers über diese "Netherworld", also irgendwie die Bösen. So auf den ersten Blick. Aber genau darum geht es in dem Spiel auch, um diesen zweiten Blick und diese schwarz/weiß Klischees, verpackt in einer meist witzig erzählten Story, die vom Gameplay leider oft auch überschattet wird. Dabei machen die Gefechte durchaus Spaß, und man kann sich genau genommen hunderte von Stunden mit dem Spiel beschäftigen, aber für mich war das wirklich Überzeugende vor allem die Charaktere und ihre tollen Momente miteinander.
Aber beginnen wir einmal von vorne.
In Disgaea geht es um Laharl, der nach dem Tod seines Vaters - eben des Herrschers der Unterwelt - erst einmal in einen tiefen Schlummer verfallen ist. Er erwacht durch die Stimme von Etna, einer Dämonin, die unter seinem Vater gedient hat, und die sich beinahe verplappert... dem Spieler wird da schon sehr deutlich vermittelt, dass der Prinz wohl vergiftet wurde, da sich sehr sehr viele Dämonen um den neuen Posten als Herrscher, äh, bemühen. Grundsätzlich geht es erst einmal darum, dass Laharl sich den Respekt der anderen und den Posten als Obermacker trotz rechtmäßigem Erbe erst verdienen muss, und auf diesem Weg passieren allerlei unvorhergesehene Dinge. Zum Beispiel kommt ein Engel(-Trainee) namens Flonne in die Unterwelt, die offenbar den Prinzen assassinieren soll, ihm stattdessen aber Nächstenliebe beibringen will. Und etwas später landen auch noch Menschen in der Netherworld, die eigentlich bloß die Erde verteidigen wollen und irgendwie dann doch als Laharls Untertanen enden. Oder eher Freunde. Zu Beginn wirkt die Geschichte durch all die kurzen, scheinbar eher unerheblichen Episoden aus dem chaotischen Leben von Laharl, irgendwie irrelevant. Aber mit der Zeit merkt man wie all das dazu dient, die Charaktere ganz natürlich zusammenwachsen zu lassen, sie nach und nach weiterzuentwickeln und am Ende vor einer bunt gemischten Truppe zu stehen, die man richtig lieb gewonnen hat. Es gibt schon auch, vor allem gegen Ende hin, einige dramatische Momente, aber bis man dahin kommt hat man fast unbemerkt eine echte Bindung durch Momentaufnahmen aufgebaut, so dass sie auch auf einen wirken können. Ich war wirklich sehr überrascht, als das Spiel plötzlich ganz ernste Töne angeschlagen hat (in der Prinny-Episode, bei der man Laharls Mutter, die sich eigentlich für ihn geopfert hatte, wieder sieht), empfand es aber nicht als unpassend. Obwohl Disgaea sehr, sehr auf Humor setzt, wirken die dramatischeren Szenen dann trotzdem nicht fehl am Platz, sondern sind klug gesetzt und nicht zu übertrieben.
Aber wie auch immer, im Endeffekt gibt es dann natürlich wieder den übergeordneten Plot, bei dem es gilt einen "bösen" Engel aufzuhalten, der alleiniger Herrscher über alle Ebenen (Himmel, Erde, Unterwelt) werden möchte. Dem müssen wir klar machen, dass dies der falsche Weg ist um alle Reiche zu vereinen, sondern nur Verständnis und Freundschaft alle Gegensätze überwinden können. Und eben darauf arbeitet das Spiel die ganze Zeit hin, und es gelingt ihm meiner Meinung nach hier auch trotz des abgedroschenen und kitschigen Themas überzeugend zu sein. Wie gesagt, ich war echt überrascht wie ausgesprochen gut mir das alles dann gefallen hat.
Einen großen Anteil daran haben auf jeden Fall die Charaktere, die einfach Spaß machen. Wie gesagt, Disgaea setzt viel auf Humor, der bei der Darstellung der Protagonisten besonders zum Vorschein kommt. Ich meine okay, gerade für die ersten beiden Hauptpersonen, Laharl und Etna, konnte ich mich lange nicht erwärmen. Laharl ist einfach nicht besonders herausstechend - er ist wie ein kleiner Junge, der als böse angesehen werden will und deshalb dauernd davon labert, dass er es auch ist. Also ich konnte ihn dann schon ganz gut leiden, vor allem gegen Ende hin natürlich immer mehr (weil er sich eben weiter entwickelt), aber ich würde ihn jetzt halt auch nicht als besonders toll hervorheben. Und Etna ist einfach meist nicht bei der Sache, ist sehr auf sich selbst fokussiert und man merkt ihr außerdem an, dass sie eher... destruktiv gegen den Prinzen arbeitet. Außerdem mag ich ihr Design wirklich überhaupt nicht. Und auch nicht ihre blöden, übertriebenen Ansagen zwischen den Episoden. Okay, vergessen wir Etna (auch wenn ich ihre Hintergrundgeschichte dann schon sehr mochte, mit der Liebe zum vorherigen König uns so).
Aber dann. Mit Flonne, dem "Love-Freak", kommt eine coole Dynamik in die kleine Gruppe, und sie selbst ist einfach ein Goldstück - aber durchaus mit ihren Eigenheiten! Wenn dann noch Gordon, Jennifer und Thursday dazustoßen ist die Truppe (so ziemlich) komplett und das ist dann auch gut so. Ich liebe Jennifer einfach, die halt jedem Klischee des blonden Dummchens widerspricht, Gordon ist der große Comic-Relief Charakter aber mit Relevanz, und Thursday ist so schön zynisch. Ich weiß nicht wie, aber sie alle ergänzen sich toll und es gibt unzählige lustige, aber auch herzerwärmende, Charaktermomente mit ihnen allen.
Das erinnert mich an FF XIII, wo die Gespräche richtig schlimm wurden, je mehr Leute involviert waren - in Disgaea ist es eigentlich mit jedem Protagonisten mehr besser geworden. Zumindest wenn man mit dem Humor eben etwas anfangen und sich davon einfach treiben lassen kann.
Außerdem war ich ja ein bisschen verliebt in Mid-Boss, einen Nebencharakter, der vor Gordon für all die Komik gesorgt hat und uns vor unfassbare Herausforderungen - zum Beispiel holt euch den geklauten Piknik-Korb zurück - gestellt hat. xD Aber als ich dann erkannt habe, dass er die Reinkarnation von Laharls Vater ist, ist das wieder abgekühlt. Ich meine, ich finde es echt toll, dass Mid-Boss, der immer gerade dafür gedisst wird, dass er unwichtig und nur ein Zwischenboss dessen Namen man sich nicht merken muss ist, ein richtig wichtiger Charakter ist. Das ist so cool, ernsthaft. Aber äh, ich stehe in dem Fall eher auf den albernen Typ als auf den krassen ehemaligen Overlord der Netherworld. ... xD
So, nun aber zum Gameplay. Ich möchte gleich klarstellen, dass es Spaß macht, aber der Hauptgrund ist warum ich Disgaea als Gesamtwerk nicht so hoch bewerten werde, obwohl ich bisher recht begeistert von allem berichtet habe. Es gibt einfach sehr viel Gameplay. Man wird immer wieder sehr aus den Geschehnissen herausgerissen und verbringt dann drei Stunden mit Kämpfen, um dann mit den nächsten Story-Maps weiterzumachen, die einem ungefähr 15 Minuten an Inhalt geben - und dieser ist eben auch nicht immer relevant.
Es gibt 14 Kapitel, die alle nur aus 4 bis 5 (8 im letzten Kapitel) Maps bestehen, die man für den Story-Fortschritt hinter sich bringen muss. Da lässt sich ein Kapitel eigentlich sehr schnell abhandeln, aber man stößt halt immer wieder auf das Problem, zu schwach für alles Kommende zu sein. Das ist jetzt nicht unbedingt ungewöhnlich für Taktik RPGs, ich erinnere mich durchaus, dass das in FFTA2 auch so war, und die Story dazu auch noch völlig unbrauchbar war. Aber in Disgaea macht das Leveln der Charaktere, die bis auf den Main Cast alle selbst zu erstellen sind, leider nicht besonders viel Spaß, da "Job"wechsel erst später Sinn machen und das zumindest im normalen Spielverlauf manchmal eher bestrafend wirkt als belohnend.
Dazu muss ich sagen, dass man in Disgaea bis zu Level 9999 (ohne Klassenwechsel) steigen kann, für die optionalen Inhalte also durchaus eine riesige Bühne geboten wird, für die Hauptstory braucht man allerdings "nur" so etwa Level 75. Es ist gut, dass viele der zusätzlichen Möglichkeiten im Spiel für ein normales Durchspielen nicht unbedingt notwendig sind, man merkt aber eben gleichzeitig, dass viele Elemente auf ein langfristiges Spielerlebnis ausgelegt sind. Transmigrierte Charaktere (also bei denen man die Klasse gewechselt hat) starten immer wieder bei Level 1, behalten nur Skills, die nicht mit einer bestimmten Waffe in Verbindung stehen und bekommen dafür aber beim Leveln ein paar Boni. Für die Hauptstory ist das eigentlich zu viel Aufwand, da die genannten Boni sich in den niedrigeren Level-Bereichen noch nicht soo erheblich bemerkbar machen. Ich hatte zwei transmigrierte Charaktere, von denen ich zwar beide beim Endkampf benutzt habe (und die auch unter den letzten Lebenden waren), aber für mehrere Kämpfer ist da die Zeit eigentlich ein bisschen zu schade. Ich habe so schon über 70 Stunden gebraucht.
Beschäftigen kann man sich nämlich abseits der Hauptstory durchaus stundenlang. Das liegt vor allem an der berühmten "Item World". Jedes Item, egal ob kleiner Heiltrank oder dicke Axt, besitzt ein eigenes Innenleben. Kein Item gleicht dem anderen, auch wenn es dieselbe Art von Gegenstand ist. Ein sogenannter "Sage Staff" kann zum Beispiel +200 auf Intelligenz geben, zusätzlich dazu aber auch noch 15 HP. Und der nächste "Sage Staff" gibt vielleicht +198 auf Intelligenz und auch +15 HP, dafür aber auch noch +10 auf Verteidigung. Und alle Gegenstände kann man aufleveln und viel stärker machen, indem man eben in dessen Item World geht.
Diese besteht aus zufällig generierten Karten, und das Ziel ist, sich durch diese bis zu einer Ebene mit einem Item Master vorzuarbeiten, um die Item World wieder verlassen zu können (immer in Zehnerschritten, Ebene 10, 20, 30, usw...). Für jede geschaffte Ebene verbessern sich die Werte des Items, und zusätzlich gibt es noch ein paar besondere Monster (Spezialisten), die besonders viele Verbesserungen geben, wenn man sie besiegt.
Nötig ist auch das nicht, aber man bekommt durch die Item World schon meist deutlich bessere Items als im normalen Shop (auch wenn sich die Auswahl hier auch verbessern lässt). Leider levelt man dort aber meist nicht besonders gut. Zumindest meine Gegenstände waren oft vom Level her unter dem, was meine Charaktere bereits konnten, also verging dann meist eine Stunde Spielzeit, wo ich nur ein besseres Item bekommen habe (und eventuell noch zusätzlichen Loot) und nicht wirklich Fortschritte für die Teammitglieder. Das alles lässt sich zwar auch optimieren und schneller abhandeln, aber immer ist das auch nicht ganz so einfach...
Denn, und jetzt komme ich endlich zum Kampfsystem, in Disgaea konzentriert sich das Gameplay viel auf die Beschaffenheiten der einzelnen Maps, und diese zu nutzen oder Probleme zu überwinden.
Die Kämpfe an sich sind nichts Aufregendes - die Gebiete sind in quadratische Felder aufgeteilt, auf denen sich die Charaktere über eine bestimmte Anzahl hin fortbewegen können. Die Position bestimmt, welche Fähigkeit man einsetzen kann oder ob man einfach normal angreifen kann. Fähigkeiten lernt man durch den Gebrauch bestimmter Waffen - nur die Hauptcharaktere haben spezielle, einzigartige Skills, die nur sie ab einem bestimmten Level benutzen können. Zauber, erst einmal nur erlernbar durch die entsprechende Klasse, können in weiterer Entfernung in unterschiedlichen "Formen" auf die Map gewirkt werden, zum Beispiel auf drei Felder (also länglich) hintereinander oder nur auf ein einzelnes Feld.
Der wahre Kniff in den Kämpfen sind die Geo-Symbole, die farbige Felder auf den Maps mit bestimmten Eigenschaften ausstatten. Steht zum Beispiel ein Geo-Symbol mit der Eigenschaft "Doppelter Angriff" auf einem gelben Feld, haben alle gelben Felder diese Eigenheit. Einige davon bringen Vorteile, aber viele, viele davon natürlich Nachteile. Auch im Verlauf der Hauptstory wird mit diesem Element viel experimentiert, also muss man oft eher überlegen wie man die Map in den Griff bekommt, statt wie man die Gegner am besten los wird.
Zu diesem Zweck gibt es in Disgaea die einzigartige Möglichkeit Charaktere zu werfen. So überbrückt man größere Distanzen schneller, vor allem weil man einen Turm aus 5 Leuten bauen und quer über die Maps werfen kann. Auch Gegner und Geo-Symbole lassen sich werfen. Letztere werden damit zerstört (aber natürlich auch wenn man sie normal angreift) und dann ändert sich die Beschaffenheit der Karte wieder. Es gibt Möglichkeiten, mehrere Geo-Symbole hintereinander in einer Art Kettenreaktion zu zerstören, und dafür füllt sich dann eine Bonusleiste und man bekommt am Ende der Karte für jede gefüllte Leiste Belohnungen. Neben Gegenständen kann das auch Geld oder Erfahrung sein, wodurch ein Nutzen dieser Kettenreaktion echt viele, viele Vorteile bringt.
In den Item-Worlds war das für mich oft die einzige Möglichkeit, an ordentlich EXP zu kommen^^.
Wie auch immer, später kann man dann eben das Transmigrieren freischalten, oder ein besseres Sortiment in den Shops, oder sogar optionale, neue Gebiete. Der Senat stimmt darüber ab, ist bestechlich und im Notfall sogar mit Gewalt zu überzeugen (das ist natürlich auch erst im späten Spielverlauf ratsam).
Und all das klingt eben schon irgendwie cool, die Item-World, die Abstimmungen, die Geo-Symbole,... und wenn man frisch motiviert ans Werk geht oder einen bestimmten Plan hat, dann hat man auch echt immer ausreichend zu tun. Aber wenn man dann in der dritten Item-World schon keine farbigen Bodenfelder mehr sehen kann, ist auch irgendwie allgemein erst mal die Luft raus. Denn obwohl es vielleicht anders klingt, so hatte ich doch das Gefühl, sehr sehr wenig Abwechslung zu haben. Ich konnte einfach oft nicht lange am Stück spielen, und teilweise hatte ich sogar das Gefühl meine Zeit zu verschwenden, weil trotz haufenweise Gameplay irgendwie nichts so recht vorangegangen ist. Bestimmt macht das alles vielen Leuten auch durchgehend sehr viel Spaß, aber ich brauchte irgendwie zwischendurch immer mal ein bisschen Pause, war aber dann durchaus wieder motiviert.
Ansonsten noch ein paar Kleinigkeiten: Die PS2 Version kommt natürlich ohne jegliche Komfortfunktionen, die bei späteren Remakes inbegriffen waren. So kann man keine Kampfanimationen abschalten, was eigentlich echt nervig ist, da alles außer dem normalen Angriff eine Animation abbekommen hat. Eventuell hätte ich ohne das sogar nur so 60 Stunden gebraucht?
Dafür sind aber wichtige Dialoge vertont, und die Synchronstimmen sind sehr gut gelungen. Die haben den Charakteren wirklich perfekt Leben eingehaucht - vor allem Gordons Sprecher hat sich jedes Mal nochmal selbst übertroffen. Die Musik ist an den meisten Stellen ganz okay, aber wiederholt sich sehr oft. Dafür gibt es aber richtige Highlights mit Gesang, die dann echt auffallen in den sonst sich wiederholenden Stücken.
Die Idee der unterschiedlichen Enden mag ich eigentlich, wenn nicht das "Gute Ende", das auch canon ist, so einfach zu versauen wäre. Dazu muss man nur einmal im Spielverlauf unabsichtlich einen eigenen Charakter umbringen, und dann wars das schon. Also, was mich daran am ehesten stört ist, dass man im normalen Ende nicht mal erfährt, wer Mid-Boss eigentlich ist, und naja... dass Edna dann über die Netherworld herrscht, und das nur bei einem einzigen Mal Kollateralschaden. Ich verstehe die Beweggründe (dass Laharl nicht genug "Gutes" gelernt hat wenn ein Mitstreiter den anderen verletzt), aber repräsentativer wäre schon, wenn das bei einer regelmäßigeren Anzahl solcher Vorfälle erst so kommen würde. Von mir aus auch schon ab zwei, aber unabsichtlich kann einem das einmal schon ohne böse Absichten passieren. Aber egal.
Naja, und jetzt habe ich auch noch den zweiten Teil bei mir im Regal stehen. Bis ich das aber mal angehe werden vermutlich Jahre vergehen, denn erst mal habe ich echt genug davon.^^ Auf eine unterhaltsame Story mit liebenswerten Charakteren, die ich von einem weiteren Teil jetzt definitiv erwarte, freue ich mich aber jetzt schon wieder.
Und hier noch meine Charaktere (ja, ich habe keine Monster benutzt). MVP im letzten Kampf waren Laharl, Jennifer, Flora, Nihili - trotz unterdurchschnittlichem Level - und Helena:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen