Sonntag, 12. Juli 2020

Kentucky Route Zero


Ich muss ganz ehrlich sein: Ich hatte selten so Schwierigkeiten ein Spiel zu beenden. Ich habe ja einiges gespielt bei dem ich frustriert war oder was ich als schlecht empfunden habe, aber Kentucky Route Zero hat mich wirklich vor eine harte Probe gestellt. Mir fällt fast nichts ein wo ich mich so durchquälen musste, dabei war nicht alles total furchtbar oder so. Aber die guten und Interessanten Ideen gehen unter in einem Schwall aus belanglosem Text mit viel zu vielen beteiligten Personen, die man sich nicht alle merken kann, und in einer unglaublich langsamen Spielweise. 

Kentucky Route Zero ist eine Geschichte in fünf Akten, von denen drei Akte sehr lange das einzige waren, was erschienen war und der Schliss kam erst kürzlich dazu. Ich habe das Spiel noch unfertig gekauft und dann eben abgewartet mit dem Spielen bis alle Inhalte vorhanden waren. Einerseits dachte ich mir, „hätte ich das nicht getan, hätte ich nun die Qual nicht gehabt“. ;0 Andererseits glaube ich, dass ich aufgrund der interessanten Beschreibung und des recht einzigartigen Looks vielleicht doch auch heute noch zugeschlagen hätte. Denn es geht um persönliche Geschichten, um eine Reise von Individuen an mysteriöse, teils übernatürliche und geheimnisvolle Orte - es gibt optionale Gebiete mit eigenen Andekdoten zu entdecken, Entscheidungen zu treffen und nach und nach Verbindungen herzustellen. Klingt nach etwas, das mir richtig gefallen könnte, und am Anfang war ich auch echt angetan.

Die Geschichte beginnt damit, dass ein Mann namens Conway eine Lieferung zu einer Adresse namens „Dogwood Drive“ zustellen muss, diese Adresse aber unauffindbar zu sein scheint. Zu Beginn sammelt man Hinweise, redet wahlweise mit seinem alten Hund (<3) und erlebt schon ein paar mysteriöse Dinge. Zum Beispiel fragen spielende Arbeiter nach einem 20-er Würfel, den man nur findet wenn man die Taschenlampe in einem Keller ausschalten. Sobald man aber wieder Licht hat, ist die Gruppe verschwunden.
Es wird jedenfalls schnell klar, dass Conway offenbar auf die „Zero“ (also die Kentucky Route Zero) gelangen muss, um weiterzukommen, eine Straße auf die man nicht einfach so auffahren kann, sondern die unterschiedliche „Eingänge“ beispielsweise durch eine Scheune in einem Fernseher hat. Die Fortbewegung dort funktioniert auch nicht so wie gewohnt und überhaupt alles dort ist sehr seltsam. Ich meine, es gibt eine Firma die eine eigene Abteilung für Bären hat. Im ganzen Spiel wechselt man jedenfalls oft zwischen der „normalen“ Welt (die trotzdem noch viele Seltsamkeiten zu bieten hat) und der Zero, und sammelt immer mehr Leute ein, die ihre ganz eigenen Gründe haben mitzukommen.
…Oder auch nicht, denn das ist bereits eine Sache, die ich kritisieren muss. Ich habe keine Ahnung warum die alle mit Conway mitkommen. Ich verstehe den ersten Charakter, Shannon, weil die nicht nur relevante Dinge mit dem Protagonisten erlebt, sondern auch irgendwie ein wenig bei der Selbstfindung, und alternativ noch bei der Findung ihrer verschollenen Cousine, ist. Aber dann…?
Ein Junge namens Ezra, der an einer Stelle die ganze Bagage mit seinem riesigen Vogel in die Wälder transportiert, hat eigentlich eine Beschäftigung, die sogar hergenommen wird um irgendwie zu erklären, warum der Vogel uns nicht die ganze Zeit rumfliegen kann – sogar als der Lieferwagen mal zwischendurch kaputt wird! Aber effektiv sind die beiden – Vogel und Junge – konstant bei der Gruppe und tun einen feuchten Dreck. Es ist einfach bei fast allen Charakteren unlogisch, dass sie nicht nur für einen Teil der Reise dabei sind, sondern dann wirklich permanent dabei bleiben ohne ersichtlichen Grund.


Das ist aber eben nur eines der Probleme des Spiels. Ich bleibe gleich bei den Charakteren. Es sind viel zu viele, sie haben Allerwelts-Namen (also schlechter zum Merken und Auseinanderhalten) und kommen teilweise in völlig losgelösten Zwischengeschichten zuerst vor. Bei Akt 1 und 2 konnte ich mir noch das meiste merken, aber dann ging das alles bei mir irgendwie den Bach runter, und es hörte auch auf mich zu interessieren.
Ich mag wenn man Charaktere kennenlernt und kleine Geschichten tragen oft dazu bei eine richtige Bindung aufzubauen. Aber jedes Mal wenn ich mich gerade auf jemanden eingelassen habe wieder völlig rausgerissen zu werden, weil sich entweder das Setting komplett ändert (zwischen den Akten) oder halt wieder irgendeine neue Person etwas zu erzählen hat, macht keinen Spaß. Ich habe irgendwann tatsächlich einfach die meisten Texte nur noch überflogen oder oft den vermutlich kürzeren Weg gewählt (in Akt 4 hat man hier oft eine Wahl). Optionale Orte habe ich irgendwann sowieso nicht mehr besucht und meist nur noch das Nötigste zum Weiterkommen erledigt.
Was übrigens nicht viel ist, denn Rätsel gibt es keine. Am meisten macht man noch beim Fahren, weil man vor allem auf der Zero bestimmten Beschreibungen folgen muss um ans nächste Ziel zu gelangen. Ansonsten wird es vor allem in kleinem Ausmaß kreativ, wenn man beispielsweise aus Sicht einer Katze spielt oder der Einsatz der Taschenlampe gefordert ist. Für so ein gameplayloses Spiel ist es halt essenziell, die Welt und ihre Bewohner richtig interessant zu gestalten. Aber zu viel davon, vor allem wenn es auch noch verworren und oft zu „künstlerisch“ ist, sodass man nicht so gut folgen kann, ist für so ein Genre halt echt suboptimal. Und das Schlimmste daran ist, dass alles einfach auch noch so furchtbar langsam abläuft.

Zu Beginn mochte ich das gemächliche Tempo noch, weil so – verbunden mit der kargen Sound-Kulisse und dem eigenen Stil – schon Atmosphäre aufkommt. Aber als mich irgendwann nichts mehr interessiert hat wurde die Gemächlichkeit der größte Feind. Manchmal kann man nicht steuern wie schnell man sich fortbewegt, manchmal wird eine stille „Szene“ abgespielt in der ewig nichts passiert, manchmal kann man nicht mal die Texte selbst weiterklicken. Alles ist so unfassbar langsam. An manchen Tagen wollte ich einfach nur noch eine Szene abschließen – da war vielleicht ein Gespräch oder nur noch die Rückreise zu einem Ausgangspunkt oder sowas - und jedes Mal hat mich das dann aber eine gefühlte Ewigkeit gekostet.
Also dafür, dass sich für alles viel Zeit genommen wird, ist alles gleichzeitig viel zu irrelevant, oder schon zu gewollt kryptisch, oder zu verwirrend, um sich darauf einlassen zu können. Ich habe das zumindest so empfunden. Kurz gesagt: Ich hätte das Spiel vermutlich schon irgendwie gemocht, wenn ich nicht irgendwann in der Mitte durch viele Umstände den Faden und somit dann komplett das Interesse verloren hätte, sodass Wartezeiten mich nur genervt haben.Vielleicht wäre es hier sogar tatsächlich besser gewesen nicht alles auf einmal zu spielen, sondern die einzelnen Episoden nach Erscheinen anzugehen. Ich glaube in geringeren Dosen funktioniert das ganze Spiel etwas besser.
Leider ist Kentucky Route Zero damit aber das Spiel, das mir in diesem Jahr bisher am schlechtesten gefallen hat.


Trotzdem möchte ich für Leute, die eine gute Zeit mit Kentucky Route Zero hatten und für mein eigenes geistiges Wohlergehen noch ein paar positive Dinge auflisten:
Die Abteilung mit den Bären war wirklich ziemlich witzig.
Die Interaktion mit Conways Hund hat mir auch immer Freude bereitet (man kann eigentlich „nur“ mit ihm sprechen, aber das war trotzdem ganz nett)
Das Lied von Junebug war zwar definitiv zu lang, aber so ein Ohrwurm, dass ich heute noch weiß wie es geht. Auch die Präsentation war schön.
Allgemein waren die gesungenen Lieder immer sehr atmosphärisch und gut eingesetzt. Vor allem die letzten Abschnitte ohne Conway waren dadurch teilweise fast schon ergreifend (wenn ich nicht schon so gelangweilt gewesen wäre)
Conways langsame Transformation und dann schließlich sein Verschwinden waren eigentlich richtig gut. Das hätte mich sicher extrem aufgewühlt wenn ich investierter gewesen wäre.

Und damit ist wohl auch alles gesagt. Ich würde Kentucky Route Zero nicht empfehlen, aber es gibt bestimmt Leute, die sich da reinschmökern und treiben lassen können. Ich bin das aber (überraschenderweise) nicht. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen