Ich hatte bis vor kurzem überhaupt kein
Interessan an RiME. Irgendwoher kannte ich das Logo und Titelbild, aber
es war ansonsten überhaupt nicht in meinem Bewusstsein. Es gibt aber
eine Video-Reihe auf Youtube, die ich Ende letzten Jahres
für mich entdeckt habe. Die Friday Features von Rob Pearson, auf dem
Kanal PlayStation Access, sind Listen von allen möglichen Dingen, die
Videospiele betreffen. Rob ist in meinem Alter, großer JRPG-Fan und
scheint allgemein einen extrem ähnlichen Geschmack, und
auch ähnliche Anforderungen an Spiele, wie ich zu haben.
Als er daher in einem dieser Videos (eine Liste
über gute Spiele, die man theoretisch in einer Sitzung durchspielen
kann) sagte: „Lest keine Review, stellt keine Fragen, kauft RiME einfach
und spielt es“, habe ich natürlich gehorcht.
Die Geschichte wird relativ minimalistisch
erzählt. Das Abenteuer beginnt mit einem Jungen, der auf einer Insel
strandet. Er muss sich erst einmal zurecht finden und wird dabei ohne viel Erklärungen von einem Ereignis zum nächsten getrieben.
Obwohl es keine Texte gibt, weiß man meist ziemlich genau was zu tun
ist, und durch Wandgemälde oder Bilder in speziellen Schlüssellöchern, durch die
man gucken kann, erfährt man zusätzliche Hintergrundinfos oder bekommt
weitere Hinweise zum aktuellen Geschehen. Außerdem
bekommt man sehr früh einen kleinen Fuchs als Begleiter, der einen auch
den richtigen Weg weist und ungefähr das niedlichste Wesen der Welt
ist. <3 Zu alledem kommt dann noch ein ganz ausgezeichnet
atmosphärischer Soundtrack, der aktiv emotional zum Geschehen
beiträgt.
Ich würde RiME insgesamt am ehesten als ziemlich
genaues Mittelding zwischen Gris und Journey bezeichnen, so lässt es
sich eigentlich am einfachsten erklären. Klingt erst mal perfekt, aber
ich hatte zeitweise dann doch recht gemischte
Gefühle. Um das etwas besser zu schildern werde ich meine Erfahrungen
mit den einzelnen Kapiteln einfach mal auflisten.
Kapitel 1
Ein wundervoller Einstieg ins Spiel. Man weiß zwar nicht genau was eigentlich abgeht, aber es gibt gleich mal sehr viel zu entdecken. Die Welt erscheint als hell und freundlich, überall laufen Wildschweine mit ihren Babys herum (man kann die auch mit Früchten anlocken!!11 <3) und man bekommt einen extrem niedlichen Fuchs-Freund. Man lässt sich so ein bisschen von Rätsel zu Rätsel treiben, weiß instinktiv was zu tun ist und wird immer mal wieder mit niedlichen oder schön anzuschauenden Szenen belohnt. Ich war gleich mal richtig entzückt und begeistert, das war irgendwie genau mein Ding. Klar wird hier nur, dass es eine Figur mit rotem Umhang gibt, die einem wichtig zu sein scheint, und dass irgendwo im Hintergrund eine Geschichte über eine Familie lauert. Ich hatte hier gleich die Theorie, dass bestimmt die Mutter des Jungen gestorben ist und es definitiv um einen Verlust geht.
Kapitel 2
Hier wurde mir klar, dass es tatsächlich um die mir bereits aus Gris bekannten Stadien der Trauer geht. Verdrängen, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Dementsprechend repräsentiert Kapitel 2 das Stadium der Wut. Und irgendwie scheint sowas nur durch einen wildgewordenen Vogel korrekt dargestellt zu sein.
Also ich habe Kapitel 2 eigentlich ziemlich gehasst. Zuerst schon mal diese extreme Ähnlichkeit zu Gris, wobei RiME natürlich nichts dafür kann, dass ich das vorher gespielt habe. Aber es hatte trotzdem einen leicht ausgelutschten Effekt für mich. Das größere Problem war aber die ganze Gestaltung des Kapitels. Es gibt quasi zwei Möglichkeiten der Fortbewegung: Unter freiem Himmel musste man ständig unter irgendetwas stehen, weil einen sonst der Vogel aus der Luft geschnappt und zerfleischt hat, oder man durfte tief unter Wasser tauchen. Beides war extrem nervig. Ich glaube bei Ersterem muss ich nicht erklären warum, aber das Tauchen wurde vor allem dadurch erschwert, dass die Orientierung unter Wasser extrem schwierig war.
Ich habe für das Kapitel gefühlt ewig gebraucht, weil ich nicht lange am Stück so frustriert sein konnte. Blöder Scheiß-Vogel, ey, und kack Wasser. Als ich das alles geschafft hatte, war ich gar nicht so sicher ob ich überhaupt weiterspielen soll (naja, natürlich war klar, dass ich das durchspielen werde aber ich würde nicht sagen, dass ich wirklich wollte). Ich war echt frustriert.
Kapitel 3: Verhandeln
Aber dann kam Kapitel 3. Das hat alles wieder gut gemacht. Ich war selbst überrascht, dass ich dann doch wieder so viel Spaß hatte - ich habe das in einem Zug durchgespielt, weil ich einfach so investiert war und diesmal wieder gar keine Probleme mit der Orientierung oder dem Gameplay hatte. Vermutlich liegt das zu großen Teilen an den Sentinels.
Das sind mechanische Wächter mit steinernen
stelzenartigen, langen Beinen und einer Art Taucherhelm mit Scheinwerfer
als Kopf. Man findet erst mal nur leblose Überreste von denen, aber
auch einen, der einen mit einem letzten Aufflackern
zeigt, wie man einen neuen Sentinel erschaffen kann. Und das macht man
dann, was einfach nur extrem toll und herzzerreißend ist. Der Junge
interagiert mit dem Sentinel wie mit einem Haustier, und man entwickelt
eigentlich sofort eine Bindung. Etwas später
erweckt man mit seinem neuen Freund dann noch mehrere der zuvor
unbrauchbaren und leblosen Wächter, und lotst diese durch die Umgebung.
Obwohl es hier wie beim Kapitel zuvor Gefahren für den Jungen gibt –
nämlich Schatten, die ihm den Weg versperren und ihn
jagen – ist das kein Vergleich zu den Abschnitten mit dem Vogel. Ich
habe mich nicht nur weniger unter Druck gesetzt gefühlt, sondern hatte
auch eine wichtige Aufgabe (nämlich mit und für die Sentinels, statt nur für mich selbst irgendwie weiter zu kommen), für die mir alle Gefahren es wert waren!
Zusätzlich gab es im ganzen Kapitel deutlich weniger
Potential, die Orientierung zu verlieren, und durch all diese Dinge
habe ich dann doch angefangen, RiME richtig, richtig zu mögen.
Kapitel 4: Depression
Dieses Kapitel war dann, nachdem ich endlich so richtig im Spiel angekommen war, kein Zuckerschlecken. Also, vor allem emotional.
Zu Anfang wird eine Szene gezeigt, in der der
Junge und sein Vater mit ihrem kleinen Boot in einen Sturm geraten, und
der Vater ins Wasser geschleudert wird. Alles klar, denkt man,
anscheinend hat der Kleine nach seiner Mutter wohl auch
noch seinen Vater verloren. Nicht überraschend, aber natürlich auch
nicht so fein. Hier erreicht die Stimmung, die im Laufe der Kapitel nach
und nach düsterer wurde, ihren Tiefpunkt. Es ist dunkel, es regnet, die
Musik ist nur noch traurig. Nicht nur der Junge,
sondern auch der Fuchs scheint zunehmend deprimierter zu werden. Ich habe
das erste Mal im Spiel hier echt geweint, und zwar als ein (bzw.
bestimmt
der, den man selbst „erbaut“ hat) Sentinel sich quasi opfert, um
dem Jungen einen Weg freizumachen. Am schlimmsten daran war eigentlich,
dass der Junge selbst darauf reagiert, während er die meiste Zeit über
ja relativ passiv agiert. Zwar kann man durch
einen entsprechenden Knopfdruck auf dem Controller durchaus Laute aus
ihm herausbekommen (einen Schrei, leichtes Gesumme oder seltener ein
kurzes Schluchzen), und er geht eben auch sehr liebevoll mit seinen
Begleitern um, aber als er dann verzweifelt den Sentinel
davon abhalten will sich zu opfern, trifft einen das trotzdem richtig
hart. Ich habe zusammen mit dem Jungen geweint, und als er dann schon
wieder tapfer weitergestapft ist, hatte ich mich immer noch nicht
erholt. Und Gott, dann verliert man auch noch den
Fuchs. Ich kann nicht beschreiben wie traurig das ist, und wenn ich jetzt daran denke muss ich mir immer noch fast die Tränen zurückhalten. Mein armes, altes Herz.
Das einzige, was mich hier dann doch ein bisschen rausgerissen hat, war der Aufbau des Levels.
Es ist eigentlich nur ein großes Gebiet, aber ich habe mich ständig in
Sackgassen verlaufen, wusste nicht wie ich an
meine Ziele kommen soll, bin drei Mal den falschen Weg hochgeklettert-
und gesprungen (und runtergefallen), es war dunkel und die Sicht war
nicht besonders gut,… das war leider echt nervig und hat ein ansonsten
sehr, sehr emotionales Kapitel ein kleines bisschen runtergezogen.
Aber dann…
Kapitel 5: Akzeptanz
Das Kapitel beginnt mit dem Plottwist des Spiels.
Hier sieht man nun, dass nicht der Vater vom Boot gefallen ist, sondern
der Junge. Und nicht der Junge muss einen Verlust überwinden,
er ist der Verlust. Ich habe das überhaupt nicht kommen sehen,
und es hat mich richtig getroffen. Man spielt dann nur noch den Vater,
der allein in seinem Haus ist und in das Zimmer des Jungen geht. Dort
sind alle Spielzeuge, die man als optionale Sammelstücke
(neben vielen anderen sammelbaren Geheimnissen) im Spiel gefunden hat und man kann aus dem Fenster schauen und das Boot
sehen. Es bleibt dann nur noch, den Jungen quasi symbolisch gehen zu
lassen, und das alles ist wirklich sehr, sehr traurig. Ich glaube ich brauche eigentlich gar nicht explizit erwähnen, dass ich da die ganze Zeit eigentlich nur noch geheult habe (mache es aber trotzdem). Und mit diesem
gelungenen Abschluss war ich dann wirklich
mit allem komplett versöhnt, wenn auch gleichzeitig natürlich ein bisschen
zerstört.
Es gibt übrigens auch die Möglichkeit, den Geist des Jungen mit dem seiner Mutter wieder zu vereinen, aber dazu habe ich nicht die nötigen optionalen Sachen gefunden. Das ist aber dann vielleicht nochmal eine Spur härter und noch mehr zum heulen.^^
Zusammenfassend kann ich nun sagen, dass RiME
dann doch noch ein Erlebnis war, das ich jedem nur ans Herz legen kann.
Es ist sicher nicht perfekt, aber die Schwächen sind halt gerade auch
welche, die mich persönlich besonders frustrieren können
(also ungenaue Sprungpassagen und Orientierungsschwierigkeiten) und für
andere vielleicht gar nicht so gewichtig sein müssen. Aber selbst mit
meinem zeitweise aufflammenden Ärger hat mich das Spiel so berührt und
abgeholt, dass ich es bestimmt lange in Erinnerung
behalten werde. Zusätzlich sind die Entwickler, Tequila Works, ein sehr spielernahes Team, das man wirklich gerne unterstützt. Ihnen und ihren
Spielen sollte man viel Aufmerksamkeit schenken.
Also kauft alle RiME! Ich weine derweil in Erinnerung daran noch weiter ein bisschen in mich hinein.
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