Jedes Mal wenn ich über Sweet Lily Dreams
nachdenke fällt mir eigentlich als erstes immer dasselbe Wort ein:
solide. Es macht einige Sachen gut und einige Sachen weniger gut, aber
gerade wenn man bedenkt, dass es mit dem RPG Maker erstellt
wurde und auch noch Erfahrung mit einigen alten Rollenspielen hat, muss
sich das Spiel nicht verstecken. Aber es ist halt auch nicht übermäßig
spannend, spritzig oder gar innovativ. Ja, „solide“ beschreibt es für
mich wirklich mit Abstand am besten. Ich kann
mir gut vorstellen, dass die meisten Leute Sweet Lily Dreams nicht
durchspielen werden, weil es gerade im Mittelteil relativ langweilig wird
und nichts – wie in anderen älteren Genrevertretern wie beispielsweise
FFIV oder gar FFVI – mit der Story rausretten
kann. Die ist nämlich über weite Strecken eher uninteressant, obwohl es
hier und da schon auch Highlight gibt, die aber immer recht schnell
abgehandelt werden.
Zu Beginn des Spiels schläft das Mädchen Lily
Abends ein und erwacht in einer Traumwelt. Aus irgendwelchen Gründen ist
es aber nicht wie immer und wie es normal ablaufen sollte – vielmehr
scheint sie nicht gezwungenermaßen in ihrem eigenen
Traum zu sein, sondern bei vollem Bewusstsein in den Welten herumreisen
zu können. Ein sprechender Hund namens Faith und eine sprechende Katze
namens Curly stoßen auf Lily und erkennen, dass etwas nicht stimmt. Sie
nehmen das Mädchen mit in ihre Hauptstadt Rosalia,
was offenbar die „Zentrale“ fürs Reisen durch Träume dient. Die Wesen
dort besuchen unter Aufsicht einer Guten Fee die Träume anderer, um böse
Einflüsse (Phobius) dort zu entfernen. Und die Aktivitäten der
Phobius scheinen in letzter Zeit rapide zugenommen
zu haben. Da Lily „normal“ aufwachen soll (dies aber offenbar laaaange
Zeit nicht geschieht) ist sie erst mal gezwungen, in Rosalia zu bleiben, wo Faith, Curly und ein Stofftier namens Muggles (der
BESTE <3) auf sie aufpassen sollen. Faith macht
aber so schon immer Probleme und kommt auf die glorreiche Idee,
eigenmächtig mit Lily nach Phobius zu suchen, um im Ansehen der Fee zu
steigen. Und so reisen die vier also durch verschiedene Traumwelten, auf
die ich gleich noch eingehen werde. Natürlich klappert
man nicht nach und nach nur die Welten ab (aber fast) – zwischendurch
passieren schon mal unvorhergesehene Dinge und es müssen Leute gerettet,
Verbündete verraten oder Abstecher in unbekannte Traumwelten gemacht
werden. Die Hauptcharaktere lernt man natürlich
auch besser kennen und erfährt was sie im echten Leben einmal waren,
und all das ist schon ganz nett. Nicht viel mehr als nett, aber zumindest gab es schon gewisse Ambitionen, bei denen es eher an der Umsetzung scheitert, weil alles sehr schnell abgehandelt wird. Taucht ein Problem auf oder gibt es eine dramatische Wendung, ist das nach ein paar Dialogzeilen meist auch schon wieder erledigt.
Die größte Stärke des Spiels ist meiner Meinung
nach der Abwechslungsreichtum der Welten und Aufgaben. Es ist schon mal
anzumerken, dass sämtliche Grafiken extra für Sweet Lily Dreams gemacht
wurden. Die Charakterportraits, die Figuren,
das Menü, die Gebäude und viele Items sind nicht nur einzigartig,
sondern haben auch einen Stil, der sich vom RPG Maker leicht abhebt. Der
Aufwand, der hier hineingeflossen ist, lässt sich aber nicht nur
visuell feststellen, sondern eben auch beim Aufbau der
Traumwelten. Hier ist jede anders als die vorige, und es gibt auch wirklich in jeder eine ganz eigene Aufgabe zu bewerkstelligen.
Nicht nur rein storymäßig, sondern auch aufs Gameplay bezogen. Natürlich
geht man immer mit seiner Truppe herum und kämpft
gegen Gegner, aber überall hat man andere Ziele und verschiedene
Minispiele. Im früheren London besucht man zum Beispiel das Herrenhaus
von Dr. Jekyll und bekämpft nicht nur Mister Hyde, sondern braut auch
ein paar Tränke mit den Zutaten aus dem Keller (=Dungeon).
In den russischen Wäldern muss man nicht nur Lily aus den Fängen der
Baba Yaga retten, sondern sich vor allem mit Hilfe einer mysteriösen
Karte durch die Fauna manövrieren und für Bäume kleine Aufgaben erfüllen
(das hat echt Spaß gemacht, war so ein richtiges
Rätsel-Abenteuer). Im Hypercube muss man die Räume per Schieberätsel so
verschieben, dass man an verschiedene Punkte gelangt und zu einem
mächtigen Phobius vordringen kann.
Ehrlich, alle Welten fühlen sich irgendwie
unterschiedlich an und ich hatte echt den Eindruck, dass sich da
unglaublich viel Mühe gemacht wurde. Auch wenn es wirklich ein paar weniger sein hätten können, da sich das Spiel gegen Ende schon stark zieht.
Die Ideen sind aber größtenteils gut, so dass ich des Öfteren einfach gestaunt habe,
dass das alles jemand in einem kleinen RPG-Maker Spiel so hingebracht
hat. Auch sonstige Minispiele und Nebenquests gibt es haufenweise, wovon
ich aber nicht übermäßig viele gemacht habe.
Man sieht auch schon an meiner Beschreibung, dass
hauptsächlich bekannte Geschichten hergenommen wurden, da der "Writer", der große Antagonist, der die ganzen Alptraumwelten kreiert, offenbar keine eigene Fantasie hat. Blöderweise erinnert sich auch Lily selten an den Ausgang so einer Geschichte, obwohl sie die meisten irgendwie kennt, also hilft das auch nichts.^^ Jedenfalls hat
man das schon tausend Mal irgendwo gesehen, aber zumindest wurden auch
ein paar Nischengeschichten gewählt (eben wie die Baba Yaga). Und naja,
so wie es hier ausgeführt wurde, störte es eigentlich
auch gar nicht, dass so ein Konzept nicht wirklich neu ist. Besonders
cool fand ich das Auftauchen von IT, also ES. :D
Aber genug der positiven Rede, das klingt alles doch noch etwas zu gut für das, was ich dann gegen Ende empfunden habe. Wären die Aufgaben in den Welten nicht
größtenteils spaßig und halbwegs vielseitig, wäre Sweet Lily Dreams…
anstrengend. Das Kampfsystem ist extrem langweilig. Es gibt gute, alte,
rundenbasierte Kämpfe, bei denen die Aktion für jeden
Charakter vor einer Runde gewählt wird und das läuft dann automatisch
ab. Zur Auswahl gibt es normale Angriffe, (automatisch beim Leveln
erlernte) Skills und (selbst hergestellte) Zauber, Verteidigung und
Itemnutzung. Sehr klassisch, was ja noch nichts Schlechtes
heißen muss. Vor allem wenn ich jetzt erzähle, dass die Zauber aus
Zutaten gecrafted werden und dann frei an einen Charakter zu vergeben
sind, hört sich das nicht mal allzu schlecht an. Aber die Auswahl ist
doch sehr begrenzt, man verfällt nicht in Sammelwahn
und die Elemente spielen eine viel zu große Rolle. Es gibt vier davon –
Feuer, Wasser, Eis und Blitz – und natürlich ist jedes gegen ein
anderes stark. Das große Problem ist, dass man mit den übrigen Elementen
keinen Schaden macht (und mit demselben überhaupt
den entsprechenden Gegner heilt). Also habe ich beispielsweise ein
Monster, das als Element Wasser und eine Schwäche gegen Blitz hat. Wenn ich es mit irgendeinem
anderen Element angreife mache ich entweder gar keinen Schaden oder
heile das Ding noch. Das ist so anstrengend. Vor
allem weil normale Angriffe eigentlich nur bei Faith und Muggles (der
BESTE <3) was
bringen – Lilys Angriff ist sowieso immer elementar, und Curly ist einfach schwach (trotzdem die wichtigste Kämpferin, weil sie so schnell ist). Und man hat nicht
genug zum Craften, um alle Kämpfer mit allen Zaubern auszustatten. Also
es dauert alles nicht nur eine Spur zu lange,
man muss gerade in einem neuen Gebiet erst mal ohne wirklich taktisches
Feingefühl rausfinden, welche Fähigkeiten man nutzen sollte. Gegner
haben auch gerne mal nervige Fähigkeiten wie Gift oder Einfrieren und
machen teilweise auch nicht schlecht Schaden.
All das macht wirklich eher wenig Spaß und ist das große, notwendige
Übel um irgendwas zu erreichen. Wenigstens werden bei einem Level-up
alle geheilt und es liegen auch Healing-Orbs herum. Es ist also
wenigstens so gut wie nie nötig zur Basis zurückzukehren
bevor man eine Welt abgeschlossen hat.
Insgesamt war ich jedenfalls genau 18 Stunden beschäftigt,
was für ein Maker-RPG Spiel schon ziemlich lang ist, aber diesem hier nicht unbedingt gut getan hat. Der Mittelteil kann sich
schon ein wenig ziehen, einfach weil es eben so wenig wirklich Aufregendes
gibt und das Kampfsystem so zum Schnarchen ist, aber vor allem am Ende hätte man die ein oder andere Welt echt weglassen können. Am meisten den Haitian Jungle, wo es eine Fetch-Quest gibt und die Gegner wirklich deutlich zu wenig der verlangten Items droppen. Gott, da hat bei mir wirklich jegliche Zuneigung zu dem Spiel aufgehört, die kaum wieder zurückgewonnen werden konnte. Dabei ist das Ende dann schon noch ganz nett, auch wenn der Konflikt mit dem Antagonisten bzw. der Gruppierung dahinter dann in zwei Sätzen plötzlich aufgelöst wurde. Die ganze Zeit wurden schlechte Träume erschaffen und im Prinzip ging es den Gegner darum, Rosaria ohne Rücksicht auf Verluste zu erobern. Das geht so weit, dass Muggles (der
BESTE <3) sich für Lily opfern muss, weil sie als Störenfried "gelöscht" werden sollte. Das passiert ohne Witz im Ending, und dann sagt der Writer zwei Sekunden später, dass er ja doof war und einfach ein zweites bzw. größeres Rosaria erschaffen könnte wo alle Platz haben und - Schwupp - alle sind okay damit. xD Außer Muggles (der
BESTE <3), der gerade quasi gestorben ist. ;0 Das war echt seltsam.
Also ja, ich fand Sweet Lily Dreams ganz nett,
würde das aber wirklich niemandem empfehlen. Ich glaube echt, dass die wenigsten das bis zum Ende durchhalten. Einen Blick kann man trotzdem riskieren, und gerade für ein Maker-Spiel ist es überraschend groß, vielseitig und liebevoll gemacht. Und eben… naja, ihr wisst
schon. Solide.
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