Samstag, 31. Mai 2025

Lunar 2: Eternal Blue Complete




Es ist schon einige Jahre her, dass ich Lunar Silver Star Harmony gespielt habe. Jeder, der nach einem schön klassischen, extrem liebevoll gemachtem JRPG sucht, kann sich ruhigen Gewissens darauf stürzen. Ich hatte trotzdem so meine Motivationsprobleme damit, was aber vorrangig an dem seltsamen Pacing lag, das in der zweiten Hälfte zu wünschen übrig ließ. Unnötige Plotpunkte wurden auf unlogische Art und Weise konstruiert, um vom Hauptziel des Spiels abzulenken. Das passiert in Lunar 2 nicht. Nie. Zumindest fühlt sich alles, was man erlebt, nach relevanten Ereignissen an – meistens, um die einzelnen Charaktere auch persönlich weiter zu entwickeln, denn die Hauptquest wäre für sich gesehen jetzt eigentlich gar nicht so spannend.

Lunar 2 spielt 1000 Jahre nach Lunar 1 und startet damit, dass "Zophar, der Zerstörer" erwacht, um, naja, die Welt zu zerstören. Gleichzeitig wird auch eine junge Dame namens Lucia auf dem Blue Star (also sowas wie der Mond in dieser Erzählung, auch wenn das eine stark vereinfachte Darstellung ist) aus dem Schlaf gerissen, weil sie quasi der Gegenpart zu Zophar ist, der ihn mit Hilfe der Göttin Althena noch aufhalten kann. Bekanntlich lebt Althena, bzw. eine ihrer Inkarnationen, auch auf der Erde (also auf "Lunar"), sodass Lucia auszieht, um dort nach ihr zu suchen. Es wäre jetzt zu weit ausgeholt, Lucias Herkunft besser zu beschreiben und warum sie ursprünglich auf dem Blue Star däumchendrehend herumsaß, und Spoiler sind es obendrein teilweise auch noch. Wichtig ist für den groben Rahmen der Geschichte nur, dass sie soziale Interaktion und Menschen allgemein gar nicht wirklich kennt, und erst über den Verlauf des Spiels mit Hilfe von Protagonist Hiro (übrigens wieder mit kleinem, fliegenden Sidekick :3) lernt, Bindungen zu knüpfen und Empathie zu empfinden.
Das alles ist eine schöne Erzählung, weil dabei eben viel Zeit bleibt, allen Protagonisten ihre eigene Geschichte zugeben und man sie als Spieler quasi genau wie Lucia so immer besser kennen und auch mögen lernt.
Schon im ersten Lunar waren die Charaktere und vor allem deren Interaktionen die absolut größte Stärke des Spiels. Das hat sich nicht verändert. Auch in Eternal Blue machen die kleinsten Szenen Spaß, man wird gut unterhalten, aber auch mal emotional berührt.


Ich würde das Spiel dramaturgisch wieder in zwei Hälften aufteilen, in diesem sind sie jedoch gleichmäßig interessant und relevant, sowie recht eindeutig durchstrukturiert. Sowas mag ich halt einfach. Zuerst versucht man an den Ort zu gelangen, wo man Althena anscheinend finden kann, begegnet neuen Freunden oder Feinden (why not both, Leo? <3) auf dem Weg und Lucia lernt immer wieder etwas Neues, Menschliches dazu. In der zweiten Hälfte muss man dann wieder die vier elementaren Drachen suchen und befreien, um Zophar schaden zu können. Jeder dieser Drachen ist verbunden mit der persönlichen Geschichte einer der Partymitglieder, und der Aufbau ist auch immer derselbe - dafür die Locations und Aufgaben an sich immer unterschiedlich. Ich fand das alles ziemlich gut, und das ist sicherlich ein Hauptgrund, warum ich Lunar 2 dann schon eindeutig lieber mochte als Lunar 1. Ein wenig ist es aber sicherlich auch der Zeit geschuldet, in der ich viele positive Dinge auch ein bisschen vergessen habe - ich würde jetzt behaupten, ich mag die Charaktere im zweiten Teil lieber, aber stimmt das wirklich? Hiro und Lucia waren mir definitiv mehr egal als Alex und Luna damals, und obwohl ich Ronfar heiß und innig liebe ist er einfach eine etwas verbesserte Version von Kyle (dessen Namen ich gerade sogar googeln musste, ähem). Aber dadurch, dass die ganze Sache für mich so viel besser strukturiert ist, fühlt sich auch das Zusammenspiel der Gruppe für mich etwas runder an.
Ansonsten möchte ich noch lobend erwähnen, dass die Grafik natürlich sehr schön und detailliert ist, und problemlos mit dem Pixelstil der heutigen Zeit mithalten kann (ein Remaster hätte es rein optisch eigentlich echt nicht benötigt). Das Reisen auf der Weltkarte ist durch fehlende Zwischenkämpfe kurzweilig, auch wenn ein Erkundungseffekt komplett ausbleibt, da die Wege durch Barrieren wie Berge strikt vorgegeben sind. Und die Anime-Sequenzen sind natürlich auch immer ein Highlight, auch wenn die Vertonung qualitativ natürlich nicht so besonders ist, und man schon sehr genau lauschen muss, da es in diesen Sequenzen auch keine Untertitel gibt (ich weiß sicherlich die Hälfte von dem, was Zophar so gelabert hat, eigentlich gar nicht, weil ich es nicht verstanden habe xD).


Es gibt aber auch Kritikpunkte, wobei es eigentlich nur einer ist, der aber schon recht stark an meiner Motivation gezerrt hat: Die Kämpfe.
Das Kampfsystem an sich ist völlig in Ordnung. Wie im ersten Teil spielt die Position der Mitstreiter eine relativ große Rolle, auch wenn man am Ende ja doch nur bestimmte Fähigkeiten spammt und mit HP und vor allem MP haushalten muss. Jeder Charakter hat eine eigene Rolle und einzigartige Fähigkeiten und Ausrüstungen, die nur er oder sie nutzen kann. Es ist einfach eine Spur mehr als stupides X-Gedrücke, was für so ein klassisches Spiel durchaus nicht schlecht ist. Sehr cool ist auch, dass man durch Kombinationen bestimmter Ausrüstungsgegenstände geheime Effekte freischalten kann, sodass es nicht nur Spaß macht, zu experimentieren, sondern sich auch jeder Fund eines Items lohnenswert anfühlt. Allgemein sind Ressourcen und Geld eher rar gesäht, also will man auch wirklich so gut wie jede Schatztruhe finden, was ich grundsätzlich wirklich als Pluspunkt ansehe (wenn ich da an andere Spiele denke, wo man nur uninteressanten Mist in Truhen bekommt).
Das Problem ist eher der Weg dorthin, oder überhaupt jegliche Wege durch Dungeons. Ja, die Gegner sind auf der Karte sichtbar, sodass man wenigstens von Zufallskämpfen verschont bleibt. Aber soo viel Unterschied macht das auch nicht, denn es gelingt in den seltensten Fällen, auszuweichen. Die Wege sind zu eng, die Gegner sind rasend schnell (und man selbst kann nur für eine kurze, beschränkte Zeit rennen) und sie riechen einen quasi aus drei Metern Entfernung. Die Anzahl der Encounter auf jeder Map ist einfach albern hoch. Die meisten Dungeons werden so zu einer Gedulsprobe - manche natürlich mehr und manche etwas weniger - und gerade die längeren von ihnen können einem ganz schön den Spaß verderben. Ohne diese Tatsache wäre Lunar 2 eigentlich ein fast perfektes Retro RPG, und wenn sich im Remaster irgendetwas daran geändert hat, kann ich es auch wirklich wärmstens empfehlen.


Extra erwähnen muss ich aber auch noch den Epilog, über den ich auch etwas zwiegespalten bin. Lunar 2 endet mit ordentlichen Credits und zeigt auch, wie die Charaktere die Zeit nach der großen Bedrohung durch Zophar verbringen. Für Hiro selbst geht die ganze Sache jedoch nicht so gut aus, und er begibt sich noch einmal auf eine Quest, um auch für sich einen guten Abschluss zu finden.
Das Hauptspiel endet so, und danach kommt nochmal ein riesiger, spielbarer Epilog, in dem man die anderen Partymitglieder wieder auf der Welt zusammensucht, und allerlei optionalen Kram machen kann. Es gibt so insgesamt sieben oder acht neue Dungeons, und alle NPCs haben natürlich neue Dinge zu sagen. Viel mehr als das ist es aber nicht, und wo ich jetzt ja schon klargestellt habe, dass die Dungeons wegen der vielen Kämpfe nicht so viel Spaß machen, kann man sich schon denken, dass ich jetzt nicht hellauf begeistert war. Die Idee an sich ist cool, und sie macht auch storytechnisch Sinn, dass Hiros Ziel nicht schnell und leicht erreichbar ist. Aber es kostet viel Überwindung, nach dem Ending quasi nochmal eine recht ausführliche Reise zu starten. Ich habe zwar nicht ganz 5 Stunden dafür gebraucht, aber ich habe auch nur einen optionalen Dungeon gemacht, und dann die drei, die obsolet für das Voranschreiten des Progresses sind. Also ja, man muss natürlich nicht alles machen, aber irgendwie ist es halt trotzdem ein nicht zu vernachlässigender Aufwand. Sich das Ganze auf Youtube ansehen kann man natürlich auch, aber dazu war mir die Welt dann doch wieder zu wichtig - ich wollte meinem Hiro auch noch sein Happy End geben.
Aber ich bin nun mal kein Post-Game Mensch. Heck, ich mag es nicht mal, wenn ich in einem Ending selbst noch steuern muss, weil ich mich lieber zurücklehne und zusehe. Ich habe bis dahin schließlich genug Arbeit getan. ;0 Also hinterlässt mich auch das mit einem lachenden und einem weinenden Auge, irgendwie war es theoretisch schon cool, aber praktisch für mich eher anstrengend. Das ist wahrscheinlich dann schon sehr Geschmackssache, aber ich kann mir vorstellen, dass zumindest viele Leute, die ich kenne, da jetzt auch eher unbegeistert wären. Wenn man den Epilog einen offiziellen Teil vom Spiel gemacht hätte, wäre der Beigeschmack irgendwie nicht so bitter, und es hätte sich besser angefühlt, kommt mir vor.


Wie auch immer, verloren ist freilich nichts, wenn man Lunar 2 spielen möchte, denn es ist trotz der Kritik einfach verdammt gut gealtert und hat einfach einige der besten Charakterinteraktionen aller Zeiten. Die meiste Zeit über kann man wirklich eine Menge Spaß damit haben, und die Anstrengungen, die einem manchmal entgegen geworfen werden, sollten es den meisten Spielern trotzdem allemal wert sein. Ob man den ersten Teil vorher gespielt haben sollte, ist eine gute Frage. Grundsätzlich versteht man die Geschichte bis zu einem gewissen Grad auch ohne ihn, allerdings gibt es schon sehr wichtige Verbindungen - gerade was die Göttin Althena betrifft, tappt man ohne Teil 1 ziemlich im Dunkeln, warum sie überhaupt so wichtig ist. Obwohl 1000 Jahre zwischen den beiden Spielen vergangen sind, kommen mehr und mehr Verbindungen zum Vorschein, und man wird irgendwann das Gefühl nicht mehr loswerden, etwas Essenzielles verpasst zu haben, wenn man Teil 1 nicht kennt.
Ich würde die Frage also mit "Ja" beantworten, auch wenn es zu Beginn dieses Spiels vielleicht nicht den Anschein erwecken mag, und 1000 Jahre einem wie eine lange Zeit erscheinen. Und hey, ein Fehler ist es auch nicht, denn Silver Star Harmony hat gerade auf Charakter-Ebene und Interaktion dieselben Stärken wie Eternal Blue, und statt einem guten Pacing hat es dafür aber etwas mehr eigene Erkundung. Also ja, einfach beide Spiele spielen, das wäre das Beste für alle.

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