Vorsicht: Dieser Blog enthält viele Spoiler zu Videospielen, die nicht explizit gekennzeichnet werden!
Freitag, 16. April 2021
The Dig
The Dig ist ein Adventure von LucasArts aus dem Jahr 1995. Ursprünglich war die Geschichte von Steven Spielberg als Film geplant, der aber damalige Budgets anscheinend gesprengt hätte, weshalb man auf die Idee kam stattdessen ein Spiel daraus zu machen. Und das merkt man "The Dig" wirklich an. Der Ablauf der Ereignisse ergibt einen guten Spannungsbogen, der cineastische Soundtrack ist für mich der große Star des Spiels und die Schauplätze sind heute noch - dank größtenteils zeitloser Pixelgrafix - beeindruckend. Die Dialoge sind voll vertont, und für die damalige Zeit durchaus in Ordnung, und es gibt ein paar gezeichnete Cutscenes, die manche Dinge einfach detaillierter darstellen können. The Dig sieht also wunderschön aus, hört sich wunderschön an und weckt storytechnisch durchaus Interesse - aber worum geht es eigentlich?
In der Umlaufbahn der Erde wird ein Asteroid entdeckt, der direkt auf unseren Himmelskörper zusteuert. Eine tapfere Gruppe auserwählter Spezialisten wird ins Weltall gesandt, um auf der Oberfläche des Störenfrieds gezielt ein paar Bomben zu zünden, wodurch "Attila" (so wurde der Asteroid getauft) seinen Kurs ändern soll. Neben zwei fähigen Mechanikern an Bord des Raumschiffes sind drei Leute für die Detonationen an sich zuständig: Commander Boston Low, Veteran bei der Nasa, Maggie Robbins, eine Reporterin mit linguistischer Begabung, und Ludger Brink, ein Archäologe, der schon Erfahrungen auf dem Mars sammeln konnte. Durch die Sprengungen entdecken die drei im Inneren Attilas seltsame Steinplatten, die nach Zusammenfügen plötzlich etwas in Bewegung setzen. Es stellt sich heraus, dass der Asteroid eigentlich ein Raumschiff ist, das unsere Protagonisten unfreiwilligerweise auf einen weit entfernten Planeten bringt. Dieser ist jedoch wie ausgestorben, statt einer Alien-Zivilisation finden Low, Robbins und Brink nur eine Reihe fremdartiger Apparaturen und Mechanismen, verteilt auf fünf Inseln, die man nach und nach von einem "Hub" aus besuchen kann. Diese gilt es dann als Spieler natürlich zu entdecken und deren Geheimnisse zu entschlüsseln, um nicht nur die Geschichte der außerirdischen Zivilisation zu ergründen, sondern vor allem wieder einen Weg nach Hause zu finden.
Was ich hier einfach so runtererzähle, ist im Spiel selbst wirklich gut inszeniert und hat natürlich auch einige dramaturgische Höhepunkte und Wendungen zu bieten. Zum Beispiel stirbt Brink relativ früh durch einen unglücklichen Unfall, kann etwas später durch außergewöhnliche grüne Kristalle wiederbelebt werden - offensichtlich hatten die Bewohner dieses Planeten das Geheimnis entdeckt, Tote wieder lebendig zu machen - verfällt danach aber immer mehr dem Wahnsinn und der Sucht nach diesen Kristallen. Darüber hinaus erfährt man über die Charaktere allerdings nur so viel wie einen auch interessiert, der Fokus liegt trotz filmreifer Vorlage nicht so wirklich auf ihnen.
Man selbst steuert immer Low, der durch Gespräche mit den anderen, die ihn teilweise wohin begleiten und manchmal dann auch wieder nicht, auch etwas über sie (und ihre gegenseitigen Meinungen übereinander) herausfinden kann. Nichts davon ist aber essenziell. Wenn man sich nicht großartig mit den Protagonisten beschäftigt, sind das nur drei relativ klischeebehaftete Leute. Low ist einfach der starke Mann, der sich selbst ziemlich geil findet und da vor allem Anfangs leider auch ein bisschen sexistische Züge hat. Er wird vermutlich vor allem deshalb dann sympathischer, weil man ihn halt steuert, er zumindest da durch Intelligenz überraschen kann, und die anderen beiden sich größtenteils noch blöder verhalten.^^ Maggie ist die schnippische Dame, die sich in der Männerwelt behaupten muss und Brink der übereifrige deutsche Wissenschaftler. Vor allem Brink kommt sein Wahn nach seiner Wiederbelebung nicht zu Gute, weil er dadurch einfach konstant unsypmathisch ist, während Maggie wenigstens ein paar andere Züge von sich zeigen kann. Insgesamt hat mich die etwas dürftige Charakterisierung aber trotzdem nicht wirklich gestört, sie ist halt lediglich einer der wenigen Punkte, die man sicher etwas besser machen hätte können.
Die Dialoge sind alle vertont, und das zumindest so gut, dass ich sie auf Deutsch ertragen konnte. Die Technik ist natürlich etwas veraltet, was man auch hört, aber die Charaktere selbst sind eingentlich sehr passend gelungen. Maggie hat sogar die Synchronstimme von Scully aus Ake X (im Deutschen eben), also eine durchaus erfahrene Sprecherin abbekommen. Das ist seit langem mal wieder ein Spiel, das ich nicht auf Englisch umgestellt habe (oder umstellen musste vor lauter Cringe), also war die gesamte Übersetzung augenscheinlich wirklich ordentlich.
Was für mich The Dig jedenfalls aber wirklich zu etwas Besonderem macht, ist die Atmosphäre, bzw. wie das rübergebracht wird, was die Charaktere erleben. Ich habe in jedem Bild und jedem Ton gefühlt, dass wir uns hier auf einem fremden Planeten befinden - mit Technologien und Logiken, die der Mensch nicht sofort erfassen kann. Die Rätsel, die in vielen Reviews als zu schwer oder unzusammenhängend bezeichnet werden, fand ich einfach stimmungsvoll fremdartig. Ob das jetzt gutes Gamedesign in einem Adventure ist oder nicht sei mal dahingestellt, aber es fühlte sich für mich absolut logisch an, dass ich als Mensch außerirdische Mechanismen nicht einfach so verstehen kann! Ich hatte sogar regelrechte Freude damit, wieder auf etwas zu stoßen von dem ich keine Ahnung hatte wie ich es lösen könnte, und manchmal habe ich es dann trotzdem geschafft. Was für ein Erfolgserlebnis! Es gibt außerdem auch mehr Tipps als man auf den ersten Blick erkennen kann - nicht selten helfen zum Beispiel Dialoge, weil Boston Dinge gesehen oder verstanden hat, die ich noch nicht auf dem Schirm hatte. Wenn man ihm also Maggie seine Entdeckungen berichten lässt kann es sein, dass er auf etwas hinweist, das einem als Info vielleicht noch entgangen war.
Ich verstehe zwar die Kritik, denn gerade ein Adventure soll im besten Fall immer schlüssige Rätsel beinhalten, aber in dieser Situation kann ich das rein für mich persönlich nicht als negativ werten. Mir half es, mich besser in die direkte Lage von Boston und der Crew zu versetzen, aber das ergeht eben nicht jedem so.
Abgesehen von den Rätseln gibt es gameplaytechnisch nur zu sagen, dass die Menüführung sehr einfach und praktisch gehalten wird, manche Stellen sich ein bisschen behäbig anfühlen (weil beispielsweise immer wenn man eine Bahn benutzt die ausführliche Sequenz dazu wieder gezeigt wird), es dafür aber mit einem Doppelklick gleich in den nächsten Screen geht. Insgesamt muss man also hin und wieder ein bisschen Geduld haben, es hält sich aber sehr in Grenzen, da manche Komfortfunktionem es einem doch erleichtern. Auf Steam muss man außerdem recht umständlich hantieren, um das Spiel auf Fullscreen (oder einfach nicht in einem Minifenster) spielen zu können.
Am Ende bleibt für mich jedenfalls ein höchst positiver Eindruck bestehen. Ich kann einfach nicht in angemessenen Worten ausdrücken, wie gut die Stimmung rübergebracht wurde, wie außerirdisch sich alles angefühlt hat, wie entdeckungsfreudig und interessiert ich in und an dieser neuen Welt war.
Wäre mir noch mehr an den Charakteren gelegen wäre das vermutlich irgendwo bei meinem Lieblingsspielen des Genres oben mit dabei, so verbleibt aber wenigstens der Eindruck an eines der erinnerungswürdigsten Adventures, die ich zumindest in letzter Zeit gespielt habe.
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