Mittwoch, 28. August 2019

GRIS


GRIS ist ein Platformer, der sofort durch den außergewöhnlichen Stil ins Auge sticht. Das Spiel sieht auf den ersten Blick durch die handgemalene Grafik sanft, philosophisch und gefühlvoll aus. Man verspricht sich davon wahrscheinlich eine emotionale Reise durch wunderschön pastellige Welten mit melancholischer Musikuntermalung und bewegenden Bildern. Das alles bekommt man auch.
Daher verwundert der Vergleich mit Journey von thatgamecompany auch nicht wirklich, was für mich natürlich nochmal ein Grund war, GRIS ausprobieren zu wollen. Was ich daher aber nicht erwartet hatte, war die Masse an Gameplay. Also, für einen Platformer vielleicht Durchschnitt, aber für meine Erwartungen viel zu viel. xD Forgotten Anne war eine geringere Herausforderung als das hier. :'D Okay, GRIS ist nicht total schwierig, aber ich war schon eine Weile beschäftigt damit, war hin und wieder frustriert und verfluchte das Spiel, weil man es eigentlich so sehr lieben muss, ich aber gerade wütend darauf war. Wie in einer guten Beziehung. Oder so. xD
Ich bin nämlich eigentlich so weit zu sagen, dass das wahrscheinlich der beste Platformer war, den ich bisher gespielt habe. Vielleicht nicht der, mit dem ich am allermeisten Spaß hatte (Trine, anyone?), aber trotzdem der beste.


Es ist nicht einfach zu beschreiben worum es in GRIS geht. Denn das Spiel läuft völlig ohne Einleitung oder Dialoge ab und versucht nur mit Bildgewalt zu überzeugen. Was man als unbescholtener Spieler sieht: Ein Mädchen (ich werde sie der Einfachheit halber auch Gris nennen, obwohl das nicht ihr offizieller Name ist – der titelgebende Begriff „Gris“ heißt lediglich „Grau“ auf Spanisch) singt, und zwar auf den Händen einer großen Steinstatue einer Frau. Dann versagt seine Stimme und die Statue bricht zusammen. Gris fällt scheinbar unendlich weit und landet schließlich in einer schwarz-weißen Umgebung, fast unfähig sich überhaupt wieder aufzurappeln. Nicht, weil sie körperlich verletzt wäre, sondern seelisch am Ende zu sein scheint.
Anfangs kann Gris lediglich ein bisschen hüpfen, doch nach und nach erlernt sie auf ihrer Reise nicht nur neue Fähigkeiten (durch den Umhang, den sie trägt), sondern bringt auch langsam die Farbe in ihre Welt zurück – bis sie am Ende ihre Stimme wiederfindet, die Welt in buntem Glanz erstrahlen lassen kann und schließlich die Steinstatue wieder zusammensetzen kann, bevor sie auch diese hinter sich lässt.
Bei näherer Betrachtung steckt hier ein gut durchdachtes Spiel dahinter, wo sich das Gameplay mit der Geschichte symbolisch verbindet, ohne sich nur auf den extrem eindrucksvollen Stil zu verlassen. 


Ich hatte diese Reise so verstanden, dass Gris einen geliebten Menschen verloren hat, und daraufhin mit ihrem Schmerz und der Trauer irgendwie versucht zurecht zu kommen. Die Statue repräsentiert diesen Menschen, da diese nach dem Zusammenbruch wieder immer weiter aufgebaut wird, je weiter man im Spiel kommt. Zwischen den fünf recht unterschiedlichen Levels gibt es nämlich ein Gebiet, in das man immer wieder zurück kehrt, und das sich mit Fortschritt verändert und mehr und mehr zusammenfügt. Zurückkehren zu vorherigen Gebieten kann man aber nicht – man muss ja bei der Bewältigung der Trauer Fortschritte machen und nicht zurücksehen. ;) Hat man das Spiel aber einmal durchgespielt, kann man von verschiedenen Checkpoints aus alles nochmal machen. Eventuell, damit man alle „Erinnerungen“ sammeln kann, denn mit diesen wird eine Bonusszene freigeschaltet, die eben bestätigt, dass Gris ihre Mutter verloren hat und diesen Verlust bewältigt.
Ich bin darauf aber eigentlich aufgrund der Achievements gekommen. Dort gibt es nämlich die 5 Phasen der Trauer, und wenn man genau darüber nachdenkt, kann man das ans ganze Spiel anpassen: 5 Kapitel, 5 Phasen der Trauer – Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. 


Im ersten Kapitel ist alles nur Schwarz und Weiß, und Gris macht eigentlich nicht viel mehr als sich aufzurappeln. Dies passiert mit einem Kopfschütteln nach ihrem langen Sturz, und dann läuft sie mal eine Weile nur herum. Hier gibt es auch kein Gameplay oder irgendwelche Hindernisse. Leugnen passt hier super.
Sobald Gris allerdings die abgebröckelte Hand der Statue findet, kehrt etwas Farbe in die Welt zurück. Rot, wie die Farbe der Wut. Außerdem lernt Gris hier, ihren Umhang in einen Block zu verwandeln und mit Wucht durch Steinböden zu brechen.
Als nächstes wird die Farbe Grün zurückgebracht, wodurch Gris durch waldähnliche Gebiete wandert und teils auch Unterstützung eines kleinen Waldfreundes bekommt (Ich habe ihn Leafy genannt. Mir sind die Tränen gekommen, als das süße kleine Ding sich wieder verabschiedet hat xD). Hier lernt sie einen Doppelsprung.
Nach dem Verhandeln kommt dann die Depression, was sich im vierten Level kaum leugnen lässt. Die Farbe, die hier hinzukommt ist blau, und Gris kann sich mit ihrem Umhang zu etwas Fischähnlichem verwandeln. Mit dieser neuen, dynamischen Form taucht sie in sehr, sehr tiefe und dunkle Gebiete.
Wenn dieser doch auch etwas unbehagliche Abschnitt vorbei ist, bekommt Gris aber ihre wichtigste Fähigkeit wieder: Den Gesang. Mit diesem beginnt die Akzeptanz, und mit diesem und der Farbe Gelb lässt sie ihre Welt immer weiter aufs Neue erblühen. Die Umgebungen sehen zwar schon vorher alle so unglaublich gut aus, aber da kommt man aus dem Staunen dann echt fast nicht mehr heraus. 


Während all dieser Zeit wird Gris aber immer mal wieder verfolgt. Erst von schwarzen Vögelchen, die kaum auffallen. Dann kommt aber erst schon mal (in der Wut-Phase) ein großer Vogel, der sich nur schwer abschütteln lässt, und später (in der Depressions-Phase) schleimige Aale, die das Mädchen fressen wollen. Kurz vor dem Ziel ganz am Schluss – vermutlich dem endgültigen Schritt, den Verlust hinter sich zu lassen und weiterzumachen, repräsentiert von einer Straße aus Sternen – wird zuletzt noch die Steinstatue von dieser dunklen Übermacht übermannt. Gris kann dieser dann aber durch ihren hoffnungsvollen Gesang auch ein paar Töne entlocken. Und gemeinsam wird die Dunkelheit besiegt, und die Statue hilft Gris dann sogar noch, eben diesen Weg in die Zukunft zu bestreiten. Hier denke ich, dass dieser Mensch, der gestorben ist, Gris am Ende eben auch „freigegeben“ hat und möchte, dass sie weitermacht. Ich habe ein bisschen geweint, obwohl ich nur die Hälfte verstanden hatte, die da abgeht. xD Ich habe mich erst nachher noch mehr damit beschäftigt und während des Spielens gar nicht so viel nachgedacht, aber trotzdem fühlt man in dem Moment mit dem Herzen mit.
Ich habe auch noch an anderen Stellen feuchte Augen bekommen – eben als Leafy sich nach kurzem gemeinsamen Weg wieder verabschiedet hatte, und als eine Schildkröte Gris vor dem schwarzen Aal gerettet hat. Bei Letzterem weiß ich bis heute nicht, was es mit der Schildkröte auf sich hat, aber ich war emotional mitgerissen.
Natürlich trägt hierzu auch der melancholische Soundtrack bei, der an den richtigen Stellen Emotionen vermittelt, ohne dabei aber einziger Stimmungsträger zu sein.  


Okay, aber kommen wir nun noch kurz zum Gameplay. Ich habe mich geärgert. Vor allem an den Stellen, wo die Gravitation umgekehrt wird. Mag das eigentlich irgendjemand in einem Platformer? Ich weiß, dass ich das schon in „Thomas Was Alone“ gehasst habe, weil man durch die verkehrte Sicht einfach nicht mehr intuitiv funktioniert. Ich spüre da richtig, wie mein Hirn sich wehrt, motorische Fähigkeiten dafür zu haben.
Aber, etwas objektiver gesehen, ist das Gameplay trotzdem nicht schlecht. Ich persönlich hätte es gerne einfacher gehabt, aber vielleicht auch nur, weil ich das vom Vergleich mit „Journey“ erwartet habe. Denn die Rätsel- und Sprungeinlagen sind präzise, die Steuerung ist flüssig, und die Aufgaben sind vor allem extrem abwechslungsreich. Alle Fähigkeiten von Gris kommen laufend zum Einsatz und werden nicht vergessen, nur weil man ein paar Level weiter ist. Alle Gebiete sind so kreativ gestaltet und es macht auch Spaß, alles hüpfend, fliegend und singend zu erkunden. Wäre ich nicht so eine unfassbare Nulpe bei Platformern, wäre ich nicht ganz so frustriert gewesen. Das Spiel trifft eigentlich nur wenig Schuld.
Es ist, wie gesagt, vermutlich wirklich der beste Platformer, den ich kenne, weil es echt kaum Kritik von mir gibt. Vielleicht liebe ich GRIS nicht so sehr wie Trine, aber ein richtig gutes Spiel ist es trotzdem. Sollte jeder mal probiert haben!

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