Sonntag, 11. Februar 2018

Celestian Tales: Old North


Celestian Tales: Old North ist ein Indie-RPG, das mit Unity gemacht und über Kickstarter finanziert wurde. Es ist der erste Teil einer geplanten Trilogie, von der ich hoffe, dass sie auch tatsächlich komplett erscheint. Immerhin wurde der zweite Teil schon für Winter 2018 angekündigt.
Man merkt dem Spiel schon an, dass es "nur" ein Part von mehreren ist, und ein bisschen bekommt man das Gefühl, dass mehr gewollt war als mit der Finanzierung realisierbar war (weshalb dann eben ein Dreiteiler daraus wurde). Gerade die Geschichte, die politisch angehaucht ist, bietet einen Haufen Lore, die aber oft nicht On Screen gezeigt werden kann.
Grundsätzlich geht es um sechs junge Adelige, die ihre Ausbildung zum Ritter beginnen. Sie starten also gemeinsam diesen heldenhaften Weg, müssen zusammen Aufgaben erfüllen und als Gruppe zusammenwachsen, während in der Welt langsam ein Krieg ausbricht. Äh, sagte ich langsam? Also die Ausbildung beginnt, es gibt eine kleine Mission und dann - bämm - wir haben einen riesigen Krieg, wo alle Mächtigen sich gegen einen gemeinsamen Feind zusammenschließen müssen. Das im Spiel integrierte Geschichtsbuch hilft zwar ungemein, hier die Zusammenhänge besser zu verstehen, aber ein bisschen out of nowhere wirkt es trotzdem. Dies trifft leider auf einige Ereignisse zu, die einen krassen Effekt haben sollen, diesen durch die kurze Dauer von allem aber nicht immer erzielen können.
Davon abgesehen ist die Story aber eigentlich unterhaltsam (und wäre mit mehr Zeit vielleicht etwas Großartiges geworden), was hauptsächlich an den sympathischen Charakteren (und deren außerordentlich schönen Portraits ;0) liegt.

Erst einmal sei gesagt, dass eigentlich alle Hauptcharaktere gleichwertig sind - man kann zu Beginn auswählen, welchen der sechs Knappen man steuern möchte und beginnt einen Prolog mit diesem. Hier ist die einzige Möglichkeit, die persönliche Geschichte von jedem zu erfahren. Das dauert vielleicht zehn Minuten, und danach werden alle Protagonisten zusammengeführt und bleiben ab da auch zusammen. Pro "Route" gibt es zwar zwei, drei vereinzelte Szenen, die es bei den anderen nicht gibt, aber sonst wird die Gruppe nie getrennt. Trotzdem ist es eigentlich wichtig, alles aus sechs Perspektiven mal gespielt oder es sich zumindest angesehen zu haben, um mehr über die Protagonisten und sogar den Plot an sich zu erfahren. Ich habe mir nach meinem ersten Durchgang alle Prologe und Enden angesehen und war fast entsetzt, was man verpasst. Es lohnt sich aber nicht, das Spiel mit allen durchzuspielen, weil eben die Hauptstory sich in keinster Weise unterscheidet. Und die Charaktere selbst geben gerade eine Spur zu wenig Anlass, um sich das anzutun, obwohl sie eben wirklich cool sind - sie alle unterscheiden sich und driften leicht ins Klischeehafte ab, aber gleichzeitig sind da dann doch mehr Facetten, genauso wie eine gewisse Grundsympathie, die man ihnen entgegen bringen kann. Aus irgendeinem Grund mochte ich alle von Anfang an, und einige davon sind mir schnell richtig ans Herz gewachsen.
Allen voran natürlich der Charakter, den ich für meinen kompletten Durchgang gewählt habe: Reynard. Eigentlich sehr untypisch für mich, vor allem weil es zwei Männer und vier Frauen gibt und ich nun mal gerne auch Frauen spiele.^^ Außerdem hat Reynard als oberflächliche Prämisse, dass er einfach nur Ruhm durch den Kampf sucht und deshalb ein grobschlächtiger, kräftiger Typ ohne Köpfchen ist. Ich glaube alles andere hätte als Charakterwahl für mich mehr Sinn gemacht. xD Aber vielleicht habe ich ihn gerade deshalb genommen, um mich selbst zu überraschen, und ich habe ihn echt sehr gemocht.
Aber ich habe auch die anderen gemocht, obwohl viele Szenen durch die Kürze des Spiels nicht immer für ausufernde Charaktermomente Platz bieten. Aber es half alleine schon, dass man das Gefühl bekam, dass diese Leute tatsächlich in diese Welt gehören, um es mal simpel auszudrücken. Also die waren alle aus renommierten Familien - über die man natürlich auch nachlesen konnte - mit weltbekannten Kriegshelden oder in mächtigen politischen Positionen, die man auch tatsächlich kennenlernt. Einige von denen kommen immer wieder vor und haben wichtige Rollen. Denn die Protagonisten stammen nicht nur aus Orten um den Schauplatz herum und haben deshalb dort eben Connections, sondern sind auch nur jugendliche Knappen. Klar werden im großen Krieg die wichtigsten Heerführer und Oberhäupter zusammengerufen, die bereits die Geschichte geprägt haben - die Knappen können aushelfen und bekommen halt durch Verwandtschaftsverhältnisse das ein oder andere mehr mit. Aber die bereits etablierten Adeligen der großen Häuser haben nun mal mehr zu melden und es gibt keine "Kinder retten alleine die Welt"-Geschichte wie in manchen klischeehafteren RPGs. Zumindest noch nicht.

Der größte Nachteil an Reynard als Charakter war jedenfalls, dass er am wenigsten politische und gesellschaftliche Verbindungen vorweist (außer Yli vielleicht) und ich deshalb die Geschichte über lange Strecken wie er erlebt habe - ohne viel Ahnung und mit der Annahme, dass alles schon irgendwie zumindest halbwegs gut wird.^^ Deshalb hat mich dann gerade das Ende so kalt erwischt, wo der größte Held von allen plötzlich zum "Verräter" wird. Es war auch ein wenig unlogisch, wozu ich gleich komme, aber ich ahnte halt auch nicht wirklich etwas von den finsteren Machenschaften hinter den Kulissen. Ersteres (also das Unlogische, das an mehreren Stellen etwas Überhand nimmt) liegt halt vermutlich wieder daran, dass eine große Geschichte mit kleinen Mitteln erzählt werden wollte, und neben dem plötzlichen Krieg und dem leicht seltsamen und auch plötzlichem Ende ebenjenes Krieges eben auch der Plottwist für mich nicht ganz nachvollziehbar war.
Wir haben schon zu Beginn viel von Severine gehört und durften ihn dann durch viele Gefechte im Krieg begleiten. Er ist nicht nur ein bekannter Held, sondern Luciennes Onkel und auch Schwager und eigentlich Nachfolger von Alain Levant, des Herrschers von Levantine, unter dem wir uns zu Rittern ausbilden lassen - einem sehr mächtigen Mann. Also ja, man lernt ihn gut kennen.^^ Ich nahm eigentlich an, dass er - gerade nachdem er quasi den größten Kampf in der Geschichte von Old North gewonnen hat - sterben wird, weil er einfach alles erreicht hatte und rein erzähltechnisch auch irgendwie Platz für die nächste Generation machen musste. Stattdessen bringt er seinen Schwager um, was zwar überrschend aber auch seltsam ist, weil gerade vorher noch sehr oft betont wird, wie nahe die sich stehen und wie sehr sie sich vertrauen und alles mögliche. Auch noch aus dem Grund, dass Alains Frau schwanger ist und einen Sohn gebären wird, der sein Erbe sein wird und Severin somit diese Position nicht mehr innehaben kann. Mal davon abgesehen, dass das alles eine Lüge ist und das Kind von einem anderen, erschien es mir nicht besonders logisch, dass ausgerechnet der beherrschte und eher unemotionale Severin sich so darüber aufregt, dass er eine der wichtigsten Personen in seinem Leben gleich mal umbringt. Aber ja, dramatisch fand ich es trotzdem immer noch. Und dann wird er in einem Kampf gegen die Knappen auch noch besiegt (da er vom Krieg bereits sehr angeschlagen ist - also die Sache mit den keineswegs allmächtigen Protagonisten haben sie echt gut durchgezogen) und stirbt schließlich nicht als Held, sondern als Verräter. Das hat mich dann schon extrem beeindruckt und mir ein echt mulmiges Gefühl beschert - das wollten die Entwickler definitiv eigentlich das ganze Spiel lang über erzeugen, was in einem Spielverlauf nicht klar wird. Nicht nur, weil eben manches so eilig und wenig immersiv präsentiert wurde, sondern auch, weil man eben einfach nicht alle Informationen hat. Gerade eben mit Reynard. Als Aria hätte ich gewusst, dass meine Familie von Anfang an alles versucht, um mächtiger zu werden als Alain Levant und im Zuge dessen auch seines Nachfolgers bzw. Erbens, und gerade ihr Bruder nun wirklich ein Psychopath ist (den Prolog fand ich echt beeindruckend). Als Isaac hätte ich wenigstens schon gewusst, dass selbst unsere Protagonisten ihre dunklen Seiten haben können und ich hier keinen Kinderkram spiele. Und als Lucienne hätte ich wahrscheinlich eine noch größere Bindung zu Severin aufgebaut, wodurch mich alles noch mehr mitgenommen hätte. Schade, dass man nicht alles haben kann ohne dass man 20 Stunden lang immer und immer wieder dieselbe Hauptstory durchspielt.

Aber hey, nichts ist so erschreckend wie Camilles Ende. Als Camille erfährt man da gleich mal die wichtigste Enthüllung in der ganzen Verräter-Sache, was schon ein echt starkes Stück ist. Eigentlich wäre das ein dicker Plotpoint für die Fortsetzung gewesen, und jetzt weiß das ein Charakter und der Spieler (wenn er sich das auch ansieht oder Glück bei der Charakterwahl hat) schon.
Aber vielleicht geht es auch eher um die Gruppe an sich. Immerhin haben gerade Aria, Isaac und nun Camille Dinge zu verbergen, die die anderen nicht wissen dürfen (auch wenn es in Arias Fall nach ihrer Loslösung vom Vater zum Schluss vielleicht nicht mehr so essenziell ist). Das kann ja auch spannend sein. Vor allem nachdem die Interaktion in der Gruppe bisher ohnehin manchmal seltsam war. Niemand hatte irgendeine besondere Bindung - also man könnte echt nicht sagen, dass irgendjemand besser mit einem anderen klarkam, oder sich gar sonstige Gefühle entwickeln konnten. Selbst wenn man in einem Moment dachte, zwei hätten irgendwie eine gute Chemie, ist es in der nächsten Szene schon wieder jemand anderes, der mit derselben Person am meisten und besten interagiert. In einer Gruppe von sechs Leuten ist es meiner Meinung nach nicht ganz logisch, dass sich wirklich keinerlei kleinere Grüppchen bilden oder zwei sich vertrauter sind als andere. Das hat mir schon gefehlt, auch wenn ich schon verstanden habe, dass die Gruppe als Ganzes zusammengewachsen ist.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl spiegelt sich auch im Kampfsystem wider. Es gibt ein Gruppenlevel für alle und man hat jederzeit alle sechs Charaktere zur Verfügung, die man außerhalb von Kämpfen munter austauschen kann. Kämpfe bestreitet man zu dritt (was ingame sogar sinnvoll in der Story erklärt wird), aber da ja alle zugleich leveln bleibt niemand zurück. Das Spiel ist so einfach, dass man auch wirklich alle Helden nutzen kann. Zwar ergeben manche Konstellationen mehr Sinn als andere, weil sich Fähigkeiten auch ergänzen, aber wegen der niedrigen Schwierigkeit kommt man eigentlich so ziemlich mit allem durch.^^ Fand ich gut, weil ich mich lange nicht entscheiden konnte mit wem ich kämpfen will (und am Ende hatte ich dann Reynard, Aria und Isaac). Nichtsdestotrotz fand ich die Kämpfe vor allem Anfangs doch eher langweilig, weil teilweise auch stumpfes Draufhauen reicht, aber später kommt man bei Bosskämpfen schon auch das ein oder andere Mal dazu, die Fähigkeiten auch ein bisschen zu nutzen .
Jeder Charakter hat eigene Skills, die er automatisch mit Levelanstieg bekommt. Man kann vier aktive und zwei passive Fertigkeiten pro Kämpfer ausrüsten, und die Auswahl ist eigentlich ziemlich groß. Ich fand es schon halbwegs lustig zu entscheiden, ob beispielsweise Lucienne entweder mehr Aggro auf sich lenken, oder eine Chance auf Kontertreffer haben sollte - oder beides zusammen statt Defensivboni oder der Fähigkeit, Statusveränderungen loszuwerden. Also vielleicht ist das Gameplay nicht so anspruchsvoll, aber für die Kurzweiligkeit des Abenteuers gerade noch ausreichend.

Das einzige, woran ich mich wirklich nur schwer gewöhnen konnte, sind die Umgebungen an sich. Die Schauplätze sind ja ganz nett, da man sich in einer gemalten Umgebung wiederfindet. Aber es gibt eigentlich nichts zu erkunden. Items, die man aufnehmen kann, werden von vornherein gekennzeichnet, und wenn man auf der Map nichts glitzern sieht, dann gibt es auch nichts zu finden. So fühlt sich die Umgebung oft leer an - und mehr noch, weil sie proportional oft irgendwie nicht zu passen scheint. Man läuft mit einem gepixelten Charakter-Sprite durch die Gegend, das zwar sehr detailliert und gut gemacht ist, aber irgendwie nicht zum Rest passt. Mir erschienen die Wege oft zu lang und zu breit, die Häuser zu hoch und die Plätze zu groß. Außerdem sind die Farben einfach anders (vielleicht nicht so satt?) als bei der Spielerfigur. Das hat sich für mich irgendwie amateurhaft angefühlt. Das hat Celestian Tales eigentlich gar nicht verdient, weil die einzelnen Elemente an sich eine wirklich gute Qualität aufweisen, aber ich konnte dadurch nie ganz vergessen, dass es eben kein "großes" Rollenspiel ist. Was auch immer das heißen mag. Es ist schwer zu beschreiben. Dass viel von der Story nicht ausgeschöpft werden konnte hat zu dem Gefühl dann natürlich auch beigetragen, genauso wie die kurze Spielzeit. Ein Durchgang hat bei mir sechseinhalb Stunden gedauert, was unter anderem auch der Tatsache geschuldet war, dass ich weder jemals Grinden musste, noch wenig Grund zum Erkunden hatte. Eigentlich fand ich es größtenteils angenehm wie flott alles voran ging, aber teilweise war es halt auch aus den falschen Gründen.
Das Spiel ist außerdem sehr linear. Bis auf ein paar wenige Entscheidungen, die man treffen kann (und die in Teil 2 wohl übernommen werden können), gibt es nicht einmal wirklich Nebenquests oder die Möglichkeit an andere Orte zu reisen als vorgesehen.
Und als kleinen abschließenden Negativpunkt muss ich noch erwähnen, dass ich Celestian Tales nicht mit dem Controller (bzw. auch nicht mit unterschiedlichen) zum Laufen gebracht habe und total unbequem mit der Tastatur steuern musste. <_<
Durch all das kam mir dann schon manchmal vor, als würde ich etwas sehr Beiläufiges und Banales spielen, was echt schade ist.

Ich hatte nämlich eigentlich immer ziemlich viel Spaß. Die Hauptgründe mögen nicht ganz so durchdringen aber sie sind da und ich möchte auch noch ein paar andere Kleinigkeiten nicht unerwähnt lassen. Von den Charakterportraits habe ich zwar schon kurz gesprochen, aber sie sind halt wirklich unfassbar gut. Auch die wichtigen NPCs haben alle sehr tolle Bilder abbekommen - und sie sind auch charakteristisch genauso interessant wie die Protagonisten. Außerdem beinhalten viele Storyabschnitte (vor allem die, die jeder Protagonist nur in seiner Route hat) irgendwo die Botschaft, dass die Welt nicht nur in Gut und Böse zu unterteilen ist. Oder, dass ein Extrem von etwas nie gut ist und es immer zwei Seiten der Medaille gibt.
Außerdem ist die Musik ziemlich cool, allen voran der Soundtrack vom Intro und das "Chanting" der Armee der Ender. Ich habe mir den sogar nochmal extra gekauft als er zufällig zeitgleich zu meinem Durchgang auf GoG im Angebot war - gemeinsam mit einem DLC mit alternativen Kostümen für die Protagonisten, den ich natürlich auch eingesackt habe. xD

Insgesamt war ich in die Charaktere so investiert, dass alle Negativpunkte das Spiel hauptsächlich weniger erinnerungswürdig als schlecht machen - nur die Sache mit den wesentlichen Storydetails (gerade eben bei Camilles Ende) stört schon sehr. Aber auch das ändert mein großes Interesse an der Welt und den Personen, die in ihr Leben, nicht und ich hoffe nächstes Mal einfach ein etwas ausgereifteres und vor allem tiefgehenderes Erlebnis zu haben. Ich freue mich sehr auf den zweiten Teil. :)

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