Donnerstag, 27. Juni 2024

Beacon Pines


Als ich damals 2021 Beacon Pines auf Kickstarter gesehen und unterstützt habe, dachte ich: "Ooooh, wie niedlich. Die anthropomorphen Tierkinder müssen ein kleines Mysterium in ihrem hübschen Dorf lösen - das wird sicher ein nettes, kleines Spiel."
All das hat sich schon als wahr herausgestellt, aber, äh...
Beacon Pines ist niedlich, aber auch dramatisch und grausam. Es gibt ein Mysterium, das das gesamte Dorf betrifft, aber es ist nicht klein. Und das Gesamtpaket als nettes, kleines Spiel zu bezeichnen ist fast schon ein Frevel. Es fühlt sich trotz einer überschaubaren Länge nicht klein an. Und trotz des beschränkten Schauplatzes lebt dieses Dorf mit seinen unzähligen Charakteren. Auch die Geschichte ist so dicht, dass man oft die vielen Hinweise in bestimmte Richtungen vergisst, aber auf genau die richtige Art und Weise, um die vielen Twists nicht vorauszusehen, während sie einem trotzdem logisch und bereits sinnvoll angedeutet vorkommen. 
Natürlich ist und bleibt Beacon Pines ein Indie Game, aber man kann das schon auch mal zwischendurch vergessen. Auch die allgemeine Qualität an sich ist extrem gut, ich habe keinen einzigen Bug oder technischen Stolperer bemerkt - nicht einmal einen einzigen, kleinen Rechtschreibfehler! Und die Grafik ist natürlich auch echt erste Sahne.

Man übernimmt die Rolle von Luka, einem Reh-Jungen, dessen Vater vor 6 Jahren verstorben und dessen Mutter vor 6 Monaten verschwunden ist. Seine Großmutter passt auf ihn auf, hat aber relativ wenig Zeit. 
Grundsätzlich geht es erst einmal nur darum, dass Luka und sein Freund Rolo (Tiger), wie es nun mal bei Jungs so ist, Abenteuer erleben wollen und eine verlassene Fabrik im Dorf aufsuchen. Und damit endet dann auch schon der Teil der Geschichte, in der man noch irgendwie davon ausgehen könnte, dass sie leichtherzig und süß ist. 
Rolo und Luca entdecken nicht nur eine Leiche, sondern geraten auch in erhebliche Gefahr - je nach Entscheidung auf unterschiedliche Art und Weise.
Damit sind wir auch schon bei der wichtigsten Spielmechanik: Die Entscheidungen. Viel mehr macht man in Beacon Pines tatsächlich nicht, rein vom Inhalt her könnte es sich auch um eine Mystery Visual Novel handeln, nur halt in völlig anderem Gewand, als man es gewohnt ist. 
Meistens läuft man durch das schöne, liebevoll gestaltete Dorf, erkundet die Gebiete und spricht mit allen NPCs. Dabei sammelt man sogenannte "Charms". Das sind eigentlich Worte, die sich an bestimmten Stellen der Story einsetzen lassen, und eben den Verlauf der Ereignisse ändern. So kann man zum Beispiel bei einem Zusammentreffen mit Rolos Schwester entscheiden, ob man "shit" zu ihr ist (hihihi) oder "chill", und darauf basierend macht man wirklich komplett unterschiedliche, weitere Erfahrungen. Das ist auf jeden Fall der größte Branch in der Story, und insgesamt gibt es wahrscheinlich 3 Wege, die ich als Hauptrouten bezeichnen würde. Es ist auf jeden Fall überschaubar, aber mir gefiel diese Übersichtlichkeit ganz gut. Anzumerken ist außerdem, dass Luka sein Wissen aus den anderen Abzweigungen nicht offiziell mitnimmt - also es gibt Träume, bei denen man argumentieren könnte, dass sie vielleicht Hinweise aus den parallelen Ebenen enthalten, aber es ist absolut nicht eindeutig impliziert. Das fand ich auch irgendwie mal ganz nett, und wilde Plottwists gibt es auch ohne Zeitreise- oder Multiversen-Thematik genug. :D


Wie oft bei solchen Mystery-Geschichten braucht man für ein paar Kleinigkeiten zwar schon auch den "Benefit of the Doubt", aber es hält sich schon in Grenzen. Außerdem sind die dramatischeren Szenen so toll inszeniert, dass man jegliche Zweifel wirklich vergessen kann. 
Als besonders positives Beispiel muss ich hier auf jeden Fall Iggy erwähnen. Er ist ein Charakter (eine Springmaus), der alle Merkmale eines Quoten-Bullies hat und bei dem man sich irgendwie total sicher ist, dass er definitiv nur als NPC dient und keine große Rolle spielen wird. Oh boy, haben wir uns da alle getäuscht. Das ist eine von zwei recht großen Story-Entwicklungen, die ich tatsächlich als "genial" bezeichnen würde. Die zweite ist Solomon, für alle, die sich auskennen, denn aus irgendeinem Grund hat hier mein sonst relativ scharfer Detektiv-Sinn versagt. Also, eigentlich überall. Ich rede mich darauf hinaus, dass es einfach so viele augenscheinlich offenen Rätsel gibt, und die großen Unterschiede in den Routen so davon ablenken, dass man irgendwie die Hälfte aller Mutmaßungen wieder vergisst. Bei ein paar Enthüllungen dachte ich mir "ah, das überrascht mich nicht wirklich", weil ich schon mal vor Stunden über so eine Möglichkeit kurz nachgedacht hatte, aber irgendwie keine Zeit hatte, auf genauere Hinweise zu achten oder die Gedanken weiter zu spinnen. Das hat mir aber irgendwie auch Spaß bereitet, weil es das Spiel halt auch so gut macht, dass man darüber nur staunen, aber nicht böse sein kann. 
Es ist aber auch schwierig, bei all den tollen Charakteren irgendetwas nicht gut zu finden. Obwohl es relativ viele sind, haben die meisten irgendeine Relevanz oder irgendwelche Eigenheiten, dass man sie auch mit weniger Screentime liebgewinnen kann. Die wichtigen Personen der Geschichte sind aber auch gar nicht so rar gesäht, und sie sind alle wirklich sehr gut charakterisiert und geschrieben. Außerdem ist es natürlich spaßig all die unterschiedlichen, bunten Tierarten zu sehen, denen der Zeichenstil wirklich sehr zuträglich ist. 


Obwohl ich recht begeistert von Beacon Pines bin, gibt es aber schon kaum noch etwas, was ich noch dazu schreiben könnte. Es hat halt wirklich kein richtiges Gameplay, auch wenn man das beim Spielen gar nicht unbedingt aktiv bemerkt, weil ständig etwas Aufregendes passiert. Zwei Mal muss man irgendein Objekt irgendwohin werfen und ansonsten gibt es nur noch die Fishing- und Cooking-Minigames. Diese wurden als Stretch-Goals beim Kickstarter freigeschaltet und sind auch ganz nett. Hauptsächlich erfährt man noch ganz kleine Details über diverse NPCs - aber die Mechaniken hier sind nun auch nicht sonderlich komplex. Würde auch gar nicht zum Rest passen, aber ohne das gäbe es wirklich fast überhaupt kein richtiges Gameplay. ^^" 
Die Geschichte und die Charaktere sind aber wirklich gut genug, um das Geschehen völlig alleine tragen zu können, wenn man sich voll darauf anlassen kann (und das wird einem eigentlich sehr leicht gemacht).
Props übrigens an den Freund, mit dem ich Beacon Pines gemeinsam gespielt und alle Stimmen vertont habe (es gibt im Spiel selbst keine Vertonung). Das hat richtig Spaß gemacht - es war mir ein Fe(a)st(ivual). 

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