GRIS ist ein Platformer, der sofort durch den außergewöhnlichen Stil ins Auge sticht. Das Spiel sieht auf den ersten Blick durch die handgemalene Grafik sanft, philosophisch und gefühlvoll aus. Man verspricht sich davon wahrscheinlich eine emotionale Reise durch wunderschön pastellige Welten mit melancholischer Musikuntermalung und bewegenden Bildern. Das alles bekommt man auch.
Daher verwundert der Vergleich mit Journey von thatgamecompany auch nicht wirklich, was für mich natürlich nochmal ein Grund war, GRIS ausprobieren zu wollen. Was ich daher aber nicht erwartet hatte, war die Masse an Gameplay. Also, für einen Platformer vielleicht Durchschnitt, aber für meine Erwartungen viel zu viel. xD Forgotten Anne war eine geringere Herausforderung als das hier. :'D Okay, GRIS ist nicht total schwierig, aber ich war schon eine Weile beschäftigt damit, war hin und wieder frustriert und verfluchte das Spiel, weil man es eigentlich so sehr lieben muss, ich aber gerade wütend darauf war. Wie in einer guten Beziehung. Oder so. xD
Ich bin nämlich eigentlich so weit zu sagen, dass das wahrscheinlich der beste Platformer war, den ich bisher gespielt habe. Vielleicht nicht der, mit dem ich am allermeisten Spaß hatte (Trine, anyone?), aber trotzdem der beste.
Es ist nicht einfach zu beschreiben worum es in
GRIS geht. Denn das Spiel läuft völlig ohne Einleitung oder Dialoge ab
und versucht nur mit Bildgewalt zu überzeugen. Was man als
unbescholtener Spieler sieht: Ein Mädchen (ich werde sie
der Einfachheit halber auch Gris nennen, obwohl das nicht ihr offizieller
Name ist – der titelgebende Begriff „Gris“ heißt lediglich „Grau“ auf
Spanisch) singt, und zwar auf den Händen einer großen Steinstatue einer Frau. Dann
versagt seine Stimme und die Statue bricht zusammen.
Gris fällt scheinbar unendlich weit und landet schließlich in einer
schwarz-weißen Umgebung, fast unfähig sich überhaupt wieder
aufzurappeln. Nicht, weil sie körperlich verletzt wäre, sondern seelisch
am Ende zu sein scheint.
Anfangs kann Gris lediglich ein bisschen hüpfen,
doch nach und nach erlernt sie auf ihrer Reise nicht nur neue
Fähigkeiten (durch den Umhang, den sie trägt), sondern bringt auch
langsam die Farbe in ihre Welt zurück – bis sie am Ende
ihre Stimme wiederfindet, die Welt in buntem Glanz erstrahlen lassen
kann und schließlich die Steinstatue wieder zusammensetzen kann, bevor
sie auch diese hinter sich lässt.
Bei näherer Betrachtung steckt hier ein gut
durchdachtes Spiel dahinter, wo sich das Gameplay mit der Geschichte
symbolisch verbindet, ohne sich nur auf den extrem eindrucksvollen Stil
zu verlassen.
Ich hatte diese Reise so verstanden, dass Gris
einen geliebten Menschen verloren hat, und daraufhin mit ihrem Schmerz
und der Trauer irgendwie versucht zurecht zu kommen. Die Statue
repräsentiert diesen Menschen, da diese nach dem Zusammenbruch
wieder immer weiter aufgebaut wird, je weiter man im Spiel kommt.
Zwischen den fünf recht unterschiedlichen Levels gibt es nämlich ein
Gebiet, in das man immer wieder zurück kehrt, und das sich mit
Fortschritt verändert und mehr und mehr zusammenfügt. Zurückkehren
zu vorherigen Gebieten kann man aber nicht – man muss ja bei der
Bewältigung der Trauer Fortschritte machen und nicht zurücksehen. ;) Hat
man das Spiel aber einmal durchgespielt, kann man von verschiedenen
Checkpoints aus alles nochmal machen. Eventuell, damit
man alle „Erinnerungen“ sammeln kann, denn mit diesen wird eine
Bonusszene freigeschaltet, die eben bestätigt, dass Gris ihre Mutter
verloren hat und diesen Verlust bewältigt.
Ich bin darauf aber eigentlich aufgrund der
Achievements gekommen. Dort gibt es nämlich die 5 Phasen der Trauer, und
wenn man genau darüber nachdenkt, kann man das ans ganze Spiel
anpassen: 5 Kapitel, 5 Phasen der Trauer – Leugnen, Wut,
Verhandeln, Depression, Akzeptanz.
Im ersten Kapitel ist alles nur Schwarz und Weiß,
und Gris macht eigentlich nicht viel mehr als sich aufzurappeln. Dies
passiert mit einem Kopfschütteln nach ihrem langen Sturz, und dann läuft
sie mal eine Weile nur herum. Hier gibt es
auch kein Gameplay oder irgendwelche Hindernisse. Leugnen passt hier
super.
Sobald Gris allerdings die abgebröckelte Hand der
Statue findet, kehrt etwas Farbe in die Welt zurück. Rot, wie die Farbe
der Wut. Außerdem lernt Gris hier, ihren Umhang in einen Block zu
verwandeln und mit Wucht durch Steinböden zu brechen.
Als nächstes wird die Farbe Grün zurückgebracht,
wodurch Gris durch waldähnliche Gebiete wandert und teils auch
Unterstützung eines kleinen Waldfreundes bekommt (Ich habe ihn Leafy genannt. Mir sind die Tränen
gekommen, als das süße kleine Ding sich wieder verabschiedet
hat xD). Hier lernt sie einen Doppelsprung.
Nach dem Verhandeln kommt dann die Depression,
was sich im vierten Level kaum leugnen lässt. Die Farbe, die hier
hinzukommt ist blau, und Gris kann sich mit ihrem Umhang zu etwas
Fischähnlichem verwandeln. Mit dieser neuen, dynamischen
Form taucht sie in sehr, sehr tiefe und dunkle Gebiete.
Wenn dieser doch auch etwas unbehagliche
Abschnitt vorbei ist, bekommt Gris aber ihre wichtigste Fähigkeit
wieder: Den Gesang. Mit diesem beginnt die Akzeptanz, und mit diesem und
der Farbe Gelb lässt sie ihre Welt immer weiter aufs Neue
erblühen. Die Umgebungen sehen zwar schon vorher alle so unglaublich
gut aus, aber da kommt man aus dem Staunen dann echt fast nicht mehr
heraus.
Während all dieser Zeit wird Gris aber immer mal
wieder verfolgt. Erst von schwarzen Vögelchen, die kaum auffallen. Dann
kommt aber erst schon mal (in der Wut-Phase) ein großer Vogel, der sich
nur schwer abschütteln lässt, und später
(in der Depressions-Phase) schleimige Aale, die das Mädchen fressen
wollen. Kurz vor dem Ziel ganz am Schluss – vermutlich dem endgültigen Schritt, den
Verlust hinter sich zu lassen und weiterzumachen, repräsentiert von
einer Straße aus Sternen – wird zuletzt noch die
Steinstatue von dieser dunklen Übermacht übermannt. Gris kann dieser
dann aber durch ihren hoffnungsvollen Gesang auch ein paar Töne
entlocken. Und gemeinsam wird die Dunkelheit besiegt, und die Statue
hilft Gris dann sogar noch, eben diesen Weg in die Zukunft
zu bestreiten. Hier denke ich, dass dieser Mensch, der gestorben ist,
Gris am Ende eben auch „freigegeben“ hat und möchte, dass sie
weitermacht. Ich habe ein bisschen geweint, obwohl ich nur die Hälfte
verstanden hatte, die da abgeht. xD Ich habe mich erst
nachher noch mehr damit beschäftigt und während des Spielens gar nicht
so viel nachgedacht, aber trotzdem fühlt man in dem Moment mit dem
Herzen mit.
Ich habe auch noch an anderen Stellen feuchte
Augen bekommen – eben als Leafy
sich nach kurzem gemeinsamen Weg wieder verabschiedet hatte, und als
eine Schildkröte Gris vor dem schwarzen Aal gerettet
hat. Bei Letzterem weiß ich bis heute nicht, was es mit der Schildkröte
auf sich hat, aber ich war emotional mitgerissen.
Natürlich trägt hierzu auch der melancholische
Soundtrack bei, der an den richtigen Stellen Emotionen vermittelt, ohne
dabei aber einziger Stimmungsträger zu sein.
Okay, aber kommen wir nun noch kurz zum Gameplay.
Ich habe mich geärgert. Vor allem an den Stellen, wo die Gravitation
umgekehrt wird. Mag das eigentlich irgendjemand in einem Platformer? Ich
weiß, dass ich das schon in „Thomas Was Alone“
gehasst habe, weil man durch die verkehrte Sicht einfach nicht mehr
intuitiv funktioniert. Ich spüre da richtig, wie mein Hirn sich wehrt,
motorische Fähigkeiten dafür zu haben.
Aber, etwas objektiver gesehen, ist das Gameplay trotzdem nicht schlecht. Ich persönlich hätte es gerne einfacher
gehabt, aber vielleicht auch nur, weil ich das vom Vergleich mit
„Journey“ erwartet habe. Denn die Rätsel- und Sprungeinlagen
sind präzise, die Steuerung ist flüssig, und die Aufgaben sind vor
allem extrem abwechslungsreich. Alle Fähigkeiten von Gris kommen laufend
zum Einsatz und werden nicht vergessen, nur weil man ein paar Level
weiter ist. Alle Gebiete sind so kreativ gestaltet
und es macht auch Spaß, alles hüpfend, fliegend und singend zu
erkunden. Wäre ich nicht so eine unfassbare Nulpe bei Platformern, wäre
ich nicht ganz so frustriert gewesen. Das Spiel trifft eigentlich nur wenig Schuld.
Es ist, wie gesagt, vermutlich wirklich der beste
Platformer, den ich kenne, weil es echt kaum Kritik von mir gibt.
Vielleicht liebe ich GRIS nicht so sehr wie Trine, aber ein richtig gutes Spiel ist es trotzdem. Sollte jeder mal probiert haben!
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