Montag, 12. August 2024

Untamed Tactics


Untamed Tactics ist ein Indiespiel mit bunten, anthropomorphen Tiercharakteren, mit denen man dazu gezwungen ist, sich in einer Art Exil eine neue Heimat aufzubauen. Es handelt sich um ein SRPG, bei dem man sich über diverse Maps aus Event- und Story-Punkten bewegt, und natürlich viele Kämpfe bestreitet. Wirklich viiiele Kämpfe. Genau genommen ist alles andere nur Fluff, weil man außerhalb der Gefechte so ziemlich alles andere schnell wieder vergisst. Irgendwann wird man wahrscheinlich sogar anfangen, die Dialoge zu überspringen, dabei ist das Writing durchaus ganz unterhaltsam - aber die Geschichte an sich gewinnt halt keinen Blumentopf. Teilweise kam mir auch vor, dass insgesamt zu viel gewollt, aber zu wenig wirklich sinnvoll integriert wurde, sodass alle Mechaniken irgendwie all over the place sind.
Trotzdem macht es aber Spaß, die eigene Truppe aus immer nur drei Mitstreitern relativ individuell zu entwickeln und gestalten, und total zu overpowern. Was meistens schon passiert, wenn man nur ein, zwei Level-Ups geschafft und dafür Belohnungen erhalten hat. Für mich persönlich traf sich das natürlich gut, und hat dazu geführt, dass ich das Spiel rasch durchbekommen habe. Leute, die mehr Herausforderung suchen, werden wahrscheinlich noch schneller gelangweilt, als es bei mir schon der Fall war. Denn obwohl ich meistens recht motiviert war, habe selbst ich erkannt, dass das Spielprinzip recht repetitiv wird, lange bevor man das Ende der Kampagne erreicht. 


Die Kampagne hat insgesamt 4 Kapitel, wovon das erste natürlich eher ein kurzes Tutorial darstellt, als einen vollwertigen Durchgang. In jedem Kapitel startet man wieder von Null - also mit den Standard Fähigkeiten und ohne fancy schmancy Verbesserungen oder passiven Effekten. Die drei Charaktere, mit denen man kämpft, sind vorgegeben, man kann sich aber deren Startklasse aus zwei Möglichkeiten aussuchen. Über alle Kapitel verteilt spielt man auch insgesamt 5 Charaktere, und sie alle spielen sich tatsächlich recht unterschiedlich. Es macht eigentlich schon Spaß, immer wieder von vorne anzufangen und mit dem Leben zu müssen, was man kriegt... zumindest eben bis zum ersten oder zweiten Level-Up.
EXP bekommt man immer für ein geschafftes Gefecht, nicht für einzelne erledigt Gegner. Grinding ist daher unmöglich, weil es auf den Maps nur vorgegebene Wege gibt, bei denen man sich höchstens zwischen zwei unterschiedlichen Punkten entscheiden kann, und nicht mehr zurückkehrt. Es gibt also quasi gar keine optionalen Gefechte und eben keine Möglichkeit, sich mehr Erfahrung zu holen, als man soll. Da das Spiel aber eben recht einfach ist, ist dies auch nicht notwendig. 
Bei jedem Level-Up gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu verbessern, die aber immer vom Spiel vorgegeben sind. Also entweder man bekommt eine neue Fähigkeit (man kann bis zu 6 haben und startet mit 4, die man später aber auch austauschen kann), oder eine neue Rune, die einem passive Effekte verleiht (zum Beispiel dass man auch heilt wenn man andere Teammitglieder bufft), einen Edelstein, der den eigenen Fähigkeiten passive Effekte verleiht (zum Beispiel einen Fernangriff statt auf einen Gegner auf alle in einer Linie zu richten), oder eine neue Reaktion. Jeder Mitstreiter hat nämlich eine bestimmte Skill, die aktiviert wird, wenn er Schaden nimmt. Und auch wenn all dieses Dinge schon auf die einzelnen Charaktere abgestimmt ist - die magisch begabte Nashorn-Frau bekommt eher Fernangriffe und Defensiv-Fähigkeiten vorgeschlagen - kann man durch die schier unendlichen Möglichkeiten trotzdem jemanden komplett anders nutzen, als ursprünglich vorgesehen. Das ist einfach extrem motivierend und ist auch sicherlich der positivste Aspekt am Spiel. 
Mich konnte dies auf jeden Fall recht lange an der Stange halten, aber ich kann mir vorstellen, dass bei anderen etwas früher die Luft raus ist als bei mir.


Die Kämpfe an sich sind nämlich oft sehr gleichartig und uninspiriert. Alleine die Vielfalt der Gegner lässt stark zu wünschen übrig. Die ersten zwei Kapitel sieht man nur Raubkatzen, die an wilde Stämme angelehnt sind. In Kapitel drei gibt es Raben und Echsen, die sich mit alchemistischen Giften auseinander setzen. Und in Kapitel 4 gibt es noch die Hyänen und Waschbären, die mithilfe von technischen Geräten kämpfen. Bei diesen drei Gruppen gibt es jeweils nur eine Handvoll verschiedene Gegnertypen, und es wird wirklich extrem schnell alt. 
Grundsätzlich kämpft man auf schachbrettartigen Maps, wie man es eben von SRPGs kennt, und hat die üblichen Bewegungspunkte und Skillpunkte zur Verfügung. Es gibt nur vier verschiedene Missionsziele: An einen Fluchtpunkt gelangen, eine bestimmte Anzahl Gegner besiegen, einen bestimmten Boss besiegen, oder einfach alle Gegner besiegen. Es ist alles wirklich nicht aufregend, obwohl vereinzelte Geländeeffekte wenigstens ein bisschen Auflockerung bringen. So weicht man in Büschen natürlich besser aus, oder bekommt in Lavafeldern Schaden und den "Brand"-Status. Da man selbst relativ einfach zu Skills kommt, mit denen man die Positionen der Gegner verändern kann, ist das durchaus relevant und nützlich. 
Was man sich allerdings fast komplett sparen hätte können, sind die "Parley" Fertigkeiten. Dies sind spezielle Befehle, die man dadurch auslösen kann, indem man durch Angriffe und andere Kampftätigkeiten das sogenannte "Parley-Meter" füllt. Sobald man dies geschafft hat, kann man aus einer Auswahl aus Karten (warum auch immer es Karten sein mussten), eine Auswählen und spielen. Hier kommt es auf die Charakteristika eines Gegners an, um noch bessere Ergebnisse herauszuschlagen: Spiele ich die Karte, um einen Gegner für 2 Runden zu stunnen, wird der Gegner mit dem Typ "grumpy" aber für 3 Runden gestunnt! 
Also, in der Theorie ist das vielleicht ganz cool, aber es hat halt oft einfach keinerlei Relevant. Man kann das Spiel so gut auch ohne Parley cheesen (außer vielleicht immer am Anfang, wenn man noch keine Level-Ups hatte), dass es wirklich nur schmuckes Beiwerk ist. Der stärkste Parley ist übrigens die Möglichkeit, einen Feind komplett aus dem Gefecht zu entfernen, oder ihn sogar für die Dauer des Kampfes zu einem eigenen Mitstreiter zu machen, was eigentlich schon krass overpowered ist. 
Scheint mir alles insgesamt wenig durchdacht zu sein.


Es gibt wahrscheinlich weitaus bessere SRPGs da draußen, auch und gerade im Indie-Bereich, und ich weiß - obwohl ich die meiste Zeit durchaus Spaß hatte - kein wirklich ausschlaggebendes Argument, um dieses hier zu empfehlen. Das Design der Charaktere ist sehr hübsch, und zumindest wird man Untamed Tactics auch schnell (in etwas 12-13 Stunden) und locker durchbringen. Aber dass es sich mit irgendetwas tatsächlich über andere Vertreter des Genres erhebt und damit hervorsticht, kann ich trotz allem nicht wirklich behaupten. Ich würde auch niemandem aktiv von dem Spiel abraten, und sei es nur zur Unterstützung der Entwickler, die sich wirklich viele Mühen gemacht haben, aber irgendwie ist es einfach nichts Halbes und nichts Ganzes. Oder wie man da sagt. 

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