Dienstag, 17. November 2020

Arcanum: Of Steamworks and Magick Obscura


Eigentlich wollte ich dieses Jahr kein CRPG mehr spielen, da ich mit Neverwinter Nights im Frühjahr schon eine ausreichende Dosis des Genres hatte. Aber oft ergeben sich die Dinge dann ja anders als gedacht. Ich hatte einen Freund zu Besuch, der sehr nostalgische Erinnerungen mit Arcanum verbindet, und ich fand gefallen an der Idee, mit ihm gemeinsam einen Blick auf das Spiel zu werfen. Er konnte mir immerhin mit Rat und Tat zur Seite stehen und mir den Zugang zu einem doch recht alten RPG bestimmt auch erleichtern.
Wir haben zusammen ungefähr 25 Stunden lang gespielt, und es hat definitiv sehr viel Spaß gemacht, die riesige Welt für die erste Hälfte zu zweit zu erkunden. Einige Dinge, die mir sonst vielleicht zur Hürde geworden wären, haben sich damit definitiv erleichtert, aber ich glaube ich hätte auch alleine irgendwann Feuer gefangen.
Disclaimer: Verzeiht die teilweise schlechten Screenshots. Man kann keinen Bilddruck im Spiel machen.

In Arcanum spielt man einen frei wählbaren (oder einen aus einigen vorgefertigten) Protagonisten, der als einziger Passagier einen Zepellin-Absturz überlebt und dadurch plötzlich Teil einer Prophezeiung wird. Als Reinkarnation des Gottes Nasrudin, genannt "The Living One" und identifizierbar eben durch das Überleben des Absturzes, liegt plötzlich das Schicksal des Kontinents in den eigenen Händen. Völlig egal wer man eigentlich ist.
Denn man hat hier wirklich unzählige Möglichkeiten, wodurch man in der Charaktererstellung schon sehr viel Zeit verbringen kann (wie in solchen Spielen halt üblich). Zwar hat man fürs Aussehen nur vorgefertigte Bilder zur Auswahl, aber bei der Rasse ist die Variation vor allem für männliche Figuren schon ganz gut - es gibt Mensch, Elf, Halb-Elf, Zwerg, Gnom, Halb-Orc und Halb-Oger. Frauen haben leider nur die Wahl zwischen den ersten Dreien und Halb-Orc. Die wahre Vielfalt kommt aber in den möglichen Hintegründen der Figur zum Ausdruck, von denen es unzählige gibt, die sich auch noch nach Geschlecht und Rassen unterscheiden können. Von bodenständig wie "Aufgewachsen bei Mönchen" oder "Sohn eines Helden" gibt es auch echt abgefahrene Sachen mit ausführlichen Geschichten, zum Beispiel dass man als Kind blind auf die Welt kam, dann aber durch irgendwelche Hergänge sein Augenlicht kürzlich wieder erhalten hat. Alle Hintergründe geben Boni oder Mali, nicht nur auf Skills oder Affinitäten, sondern beispielsweise auch auf das Startgeld und so.
Klassische Klassen gibt es in Arcanum nicht. Zu Beginn ist man quasi ein unbeschriebenes Blatt (außer man hat eben einen spezifisch darauf ausgerichteten Hintergrund gewählt) und vor dem Abenteuer darf man gleich 5 Skillpunkte verteilen. Hier wird man erst mal erschlagen, denn man kann so viel skillen, dass 5 Punkte wirklich lachhaft erscheinen. Alle Hauptattribute können gesteigert werden - Stärke, Kostitution, Geschicklichkeit, Schönheit, Intelligenz, Wahrnehmung, Willensstärke und Charisma. Auch HP und FP (Fatigue Points, die wie Mana zu verstehen sind, allerdings für viele Tätigkeiten verbraucht werden) lassen sich extra pushen, aber das lohnt sich nicht, da sich diese Wert auch mit anderen Steigerungen verändern können - zum Beispiel wenn man in Kostitution investiert.

Die Skill unterteilen sich in drei große Bereiche - Magie, Technik-Rezepte und, äh... keine Ahnung, irgendwas Allgemeineres. Und hier zeigt sich die titelgebende Besonderheit von Arcanum. Magie und Technik sind entgegengesetzte Kräfte, wie eben Gut und Böse. Neben der Gesinnungsanzeige gibt es auch eine Anzeige die verfolgt, ob man mehr zur Magie oder zur Technik tendiert, und ab einer bestimmten Tendenz kann man das jeweils andere nicht mehr nutzen oder davon profitieren.
Es gibt 16 Magieschulen (z.B. Feuer, Natur, Weiße Necromantie, etc...) mit jeweils 5 Zaubern. Dem entgegen gesetzt sind Technologie-Rezepte, mit denen man alle möglichen Items zu nützlichen Dingen zusammenbauen kann, wie Handgranaten, Heilsalben und sogar Waffen.
Bei den übrigens Skills gibt es klassische Kampffertigkeiten wie Melee oder Bogenschießen, dann gibt es Soziale Skills wie Überzeugen oder Glücksspiel, und Diebesfertiggkeiten wie Schlösser knacken und Schleichen.
So, und jetzt sag mir mal einer wie man sich für irgendetwas entscheiden soll. Grundsätzlich bekommt man mit Levelaufstieg einen Fertigkeitenpunkt, und bei allen 5 Levels zwei, mit Level Cap bei Level 50. Irgendwann sollte man sich auf jeden Fall auf einige wenige Dinge fokussieren, da sich Skills nur auf höchste Stufe steigern lassen wenn man das dazugehörige Attribut auch steigert - zum Beispiel braucht man für die beste Überzeugungsstufe einen Wert von 18 bei Charisma. Die Attribute starten durchschnittlich (wieder je nach Hintergrund und auch Geschlecht) bei 8.
Das alles ist also sehr überwältigend zu Beginn, aber meiner Erfahrung nach ist da auch noch nichts verloren. Ich hatte ein paar wenige Punkte für Dinge verwendet, die ich irgendwann bereut habe, hatte aber trotzdem die Möglichkeit meine beiden wichtigsten Sachen - Persuasion/Charisma und Pick Lock/Dexterity - auf Meisterhaft zu steigern. Dazu hatte ich aber noch Throwing fast gemaxt, dafür ein Molotov-Cocktail Rezept gelernt, und hatte in der Natur- und Beschwörungsmagie jeweils drei Zauber (ich war immer sehr neutral zwischen Magie und Technik). Aber ja, alles kann man natürlich nicht machen, dafür hat man quasi dauernd den Drang bei einem eventuellen nächsten Durchgang aber sicher all die anderen interessanten Dinge auszuprobieren. Und es gibt niemals nur einen Lösungsweg für all die Aufgaben im Spiel, also wird man bestimmt nie so wirklich verloren sein.

Außer ganz am Anfang vielleicht. Wie gesagt, alles ist erst mal überwältigend, was die Spielwelt definitiv mit einschließt. Von Anfang an steht einem eine Karte zur Verfügung, mit der man Schnellreisen kann, was einem auch nahe gelegt wird. Dadurch sind große Teile der Welt sofort verfügbar, auch wenn bestimmte Abschnitte dann durch die Hauptstory offen werden - wobei man durch eigenständiges Erkunden theoretisch auch vorab auf die meisten Schauplätze stoßen kann. Aber das manuelle Herumlaufen auf der Karte ist wirklich un-unfassbar langsam, sodass man höchstwahrscheinlich meistens Schnellreisen wird. Gut dabei ist, dass hier aber trotzdem relevante Punkte aufgedeckt werden, wenn man sie im Zuge dieser Mechanik knapp streift.
Jedenfalls ist es durch diese recht offene Welt teilweise schwierig die Übersicht zu bewahren. Quests können sich über mehrere Städte erstrecken und der Questlog ist einem dabei keine wirkliche Hilfe. So übersieht man gerne mal was, weil man erstens keine wirklich fixe Reihenfolge hat in der man Schauplätze besucht, und man manchmal auch keine Hinweise hat wo bestimmte Dinge zu finden sind. Ich habe mir zu Beginn oft gedacht, dass ich bei genauerer Durchforstung all meiner Umgebungen schon irgendwann auf die Lösung einer Quest stoßen werde, aber nein. So ist es oft nicht. Man vergisst manche Quests einfach und hat relevante Items vielleicht schon wieder verkauft oder weggeschmissen (ALLES lässt sich verkaufen/wegschmeißen, genauso wie sich JEDER Charakter umbringen lässt) oder findet sich in einer Stadt nicht zurecht. Denn auch Abseits der Schnellreise sind die Gebiete meist sehr riesig und für mich nicht immer übersichtlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in Tarant, der größten Stadt im Spiel, bis heute nicht in allen Gebäuden war, obwohl ich mich da irgendwann eigentlich echt gut ausgekannt habe. Allerdings glaube ich, dass nicht nur das Spiel daran Schuld ist, sondern die oft fehlende Übersicht zumindest teilweise auch einfach an meinen persönlichen Schwächen lag.

Wofür ich dem Spiel allerdings schon Schuld gebe, sind... äh... eigentlich habe ich das meiste davon schon kurz erwähnt. Ich finde, dass es durchaus eine hohe Einstiegshürde gibt, weil man mit niedrigem Level halt noch nichts kann, wenn man nicht von Anfang an einen Plan hat - und die Freude das erste Mal so ein Spiel anzugehen ist doch, alles auf sich zukommen zu lassen. Ich konnte nicht kämpfen, weil ich halt nichts in Melee gesteckt habe, war nicht überaus hübsch oder redegewandt, und mein erster Begleiter hat mich - vermutlich wegen meinem Hintergrund - auch noch dauernd beleidigt und sehr unzuverlässig geheilt. Aber ich habe dieses Jahr eben auch Neverwinter Nights gespielt, wo der Beginn auch schwer war, und im Endeffekt muss man in Arcanum nur nach allen Möglichkeiten suchen, dann findet man schon etwas. Es ist also einfach etwas Geduld erforderlich.
Ansonsten sind es eben die weitläufigen Gebiete und vielen Laufwege, die bei Schnellreise leider auch noch viel zu häufig mit herausforderungslosen Zwischenkämpfen unterbrochen werden, das was mich am meisten gestört hat. Vor allem in den paar Momenten, wo ich eine Destination nicht gleich gefunden habe oder wegen eines bestimmten Items nochmal irgendwohin zurück musste, hat mich die Motivation etwas verlassen. Für ungefähr 15 Minuten, bevor ich auf die ein oder andere Art schon wieder entschädigt wurde.
Ansonsten gab es natürlich noch ein paar Bugs und Probleme, die bei einem Spiel diesen Alters und dieser Größe nicht wirklich überraschend waren (und auch weniger ärgerlich als in Neverwinter Nights). Ich hatte mir einen User-Patch installiert, womit viele Fehler schon behoben wurden, aber gegen manches kann man halt nichts machen. Bei mir persönlich gab es eigentlich keine Bugs, die das Spiel an sich gestört hätten oder Teile Unspielbar gemacht hätten. Es war eher sowas wie Begleiter, die irgendwo hängen bleiben, mitten in Türen stehen und den Weg versperren, oder plötzlich irgendwo verloren gehen. Einige dieser Sachen haben aber auch zu gleichzeitig urkomischen Situationen geführt, die ich lebhaft in die Welt mit einbauen konnte. Mit dem ersten Begleiter, Virgil, entstand so eine interessante Dynamik, weil ich ihm persönlich vorwerfen konnte, dass er meinen Charakter einfach trollt, statt es einem Bug zuzuschreiben.
Die Begleiter sind auch so eine Sache. Es gibt davon ungefähr 30, aber auch hier ist es Anfangs schwierig viele zu bekommen, weil die Voraussetzungen für einen "schwachen" Charakter schwieriger zu erfüllen sind. Einerseits ist es extrem cool, dass viele Faktoren darüber entscheiden wen man mitnehmen kann und wen nicht (und wer einen vielleicht wieder verlässt) - ob man Technikaffin ist, Charisma hat, welche Gesinnung man verfolgt, wie man sich in einer Quest verhalten hat,... - aber auch hier ist der Beginn eben einfach schwieriger. Und leider sind auch manche der Begleiter nur spielmechanische Bereicherung, da sie bis auf den Anfangsdialog dann gar nichts beizutragen haben. Es gibt aber natürlich auch die, die in der Geschichte relevant sein können, wenn man sie am richtigen Ort und Geschehen dabei hat.

Insgesamt lädt all das aber einfach sehr zum Wiederspielen ein, weil es unmöglich ist alles zu entdecken und in Erfahrung zu bringen, beziehungsweise sich durch die Hintergründe, die Rassen, das Geschlecht, die vielen verschiedenen Skillmöglichkeiten, die jeweiligen Begleiter und das Entdecken von Orten wirklich völlig unterschiedliche Erlebnisse entwickeln. Für mich als eigentlich Einmal-Spieler ist das zwar nicht ausschließlich von Vorteil, aber ich habe gleichzeitig jetzt auch nicht das Gefühl etwas Wesentliches verpasst zu haben, sondern einfach meinen persönlichen Durchgang erlebt zu haben, der nur meiner ist und niemandes sonst. 

Und damit kommen wir endlich zum Wesentlichen, zu meiner emotionaleren, persönlichen Erzählung und Bewertung. Denn zum Kampfsystem gibt es eigentlich relativ wenig zu sagen. Man nutzt Angriffe oder Zauber, kann sich positionieren oder heilen und hat dafür eine bestimmte Anzahl Aktionspunkte. Man kann hier allerdings einstellen, ob man rundenbasiert oder in Echtzeit spielt. Man steuert stets aber nur seinen eigenen Charakter und hat auf die Partymitglieder keinen Einfluss. Das ist tatsächlich ein wenig schade, aber resultiert vor allem in ausuferndem Inventar-Management, da man auf das der Mitstreiter leider auch nicht durch einen Klick zugreifen kann. Die KI selbst ist von schwankender Qualität, aber gerade die Begleiter, die eh nur draufhauen haben gut funktioniert.
Aber okay, jetzt aber. Als Spiel finde ich Arcanum gut, auch wenn ich mit vielen Mechaniken nicht völlig zufrieden bin und auch irgendwie verstehen kann wenn das mal jemandem zu mühsam wird. Aber mein Herz gehört trotzdem dieser Welt, und ich versuche so gut es geht zu beschreiben wieso.

Ich habe eine Menschenfrau namens Chetra gespielt, die eine extreme Persönlichkeit als Hintergrund besaß. Das hieß für mich, dass mich Leute meistens entweder gehasst oder geliebt haben. Es reichten oft ein paar wenige Worte um ins andere Extreme umzuschlagen, aber da ich nach anfänglichen Verwirrungen, wie den unabsichtlichen Mord eines Unschuldigen im Schlaf und der Sprengung eines Banktresors mit Dynamit, irgendwann vollständig gut wurde (ich hab irgendwann einfach aufgegeben, mich dagegen zu wehren) war ich ja meistens nett und wurde von sehr vielen Leuten geliebt. Alleine die Reaktionen aller NPCs hängen von so vielen Faktoren ab, dass ich beinahe ein bisschen froh bin mir das damit alles etwas erleichtert zu haben. ;D
Auf jeden Fall wollte ich am Anfang so schnell wie möglich Virgil loswerden, der mich unterschwellig immer beleidigt hat und dann so tat als wäre er eh voller Respekt vor mir.
Virgil ist der erste NPCs mit dem man spricht, der einem eben auch sagt, dass man Nasrudins Wiedergeburt sein soll und einem von da an begleitet. Natürlich kann man ihn jederzeit aus der Party entlassen, aber er ist ein Heiler, den zumindest ich echt gebraucht habe. Dammit! Allgemein hat Virgil einige Bezüge zur Hauptstory und seine Gesinnung passt sich sogar an die eigene an, also ist er eigentlich vor allem für Anfänger des Spiels eine richtig gute Wahl. Aber ich habe ihn so gehasst.
Leider hatte ich lange Zeit über nicht das Glück, viele weitere Mitstreiter aufgabeln zu können, aber ich habe stets von dem Moment geträumt wo ich ihn endlich loswerde.
Und das ist mein Beispiel für eine große Stärke im Spiel - Virgil muss keineswegs bei der Hauptquest dabei sein, man kann ihn von Anfang an eigentlich auch ignorieren und kommt trotzdem weiter. Das verschafft einem sofort und vor allem je weiter man vorankommt, ein sehr großes Gefühl von Freiheit. Mehr als bei den meisten anderen Titeln des Genres, die ich bisher gespielt habe. Man hat natürlich feste Eckpunkte für die Hauptquest, kann sich aber alleine schon innerhalb dieser relativ gut entfalten. Wie schon mal nebenbei erwähnt, man kann alle Charaktere umbringen, und wenn dies ein relevanter Questgeber sein sollte, findet man an dessen Leiche halt Notfalls eine ins Geschehen passende Notiz mit weiteren Informationen. Man muss grundsätzlich nichts tun was einem jemand sagt, aber halt eher bestimmte Ortschaften besuchen, um weiterzukommen. Ich soll den berühmtesten Mann von Tarant zu seiner Verbindung zu den Geschehnissen befragen? Nah, ich will ihn lieber sabotieren und seine Erfindungen in die Luft jagen. Ist okay! Natürlich hat alles Konsequenzen (auch oft sehr weitreichend), aber unlösbar wird eigentlich kein Weg, den man wählt.
Und so ist es mit allen Quests, die man so findet. Das sind natürlich eine Menge, und sie sind auch vielfältig und meistens spannend. Selten wird man nur in einen Dungeon geschickt, um ein Item zu bergen. Meistens verbergen sich hinter den Aufgaben komplexe Geschichten, die man aber auch nicht gezwungenermaßen aufschlüsseln muss. 

Ich hatte zum Beispiel eine Quest, bei der ein Zwerg am Mord eines Elfen beschuldigt wurde. Nachforschungen ergaben, dass er mit Gift dahingerafft wurde, und es gab in der Stadt einen Tränkemischer. Ein kurzer Blick in die geheime Truhe dort offenbarte eine weitere Flasche des besagten Giftes. Ich wollte die Frau des Händlers darauf ansprechen, aber durch einen verkackten Dialog wollte diese kein Wort mehr mit mir wechseln. Also habe ich den Wachen nur mitgeteilt, was ich bis dahin gefunden hatte, der Händler wurde verhaftet und der Zwerg freigelassen.
In Wahrheit hatte aber der Elf, des langen Lebens überdrüssig, Selbstmord begangen und wollte das dann wenigstens noch seinem Rivalen anhängen, weshalb er vorher die Hinweise, die ich gefunden hatte, platziert hatte. Hätte man das gelöst dann wäre nicht nur der Zwerg freigekommen, sondern der Händler wäre auch wieder aufgetaucht und hätte einem seine Waren verkauft. Naja, bei mir verrottet er wahrscheinlich in irgendeinem Gefängnis. EXP habe ich aber natürlich trotzdem erhalten. :D
Einige Quests wirken sich auch auf das Ende aus. Jede Stadt, die man besucht hat und wo man Einfluss ausüben konnte, bekommt einen eigenen Ausgang je nach Aktionen des Spielers. Ich fand das so cool, auch wenn ich in gewohnter Manier nicht besonders gut abgeschnitten habe. xD Dabei habe ich in der zweiten Hälfte meines Spiels wirklich als rechtschaffene Frau gespielt, aber dafür halt trotzdem einige Quests verpasst und vor allem halt auch nicht den optimalen Ausgang erreicht. Aber hey, Tarant wurde quasi die einflussreichste Stadt am ganzen Kontinent! 

In jedem Fall bekommt man Bezug zu seinem Charakter, zu den einzelnen Destinationen und zur Geschichte an sich. Man schreibt dieses Abenteuer mit, und die Art wie das alles ineinander greift ist für mich sehr beeindruckend gewesen.
Natürlich wären all diese Sachen aber ohne die Begleiter nur halb so schön. Okay, ja, sie haben nur hin und wieder überhaupt etwas zu sagen. Man könnte Arcanum auch ohne sie spielen und hätte immer noch viel Interaktion mit den zahllosen anderen NPCs. Und sie scheinen nicht mal in der riesigen Orgie dabei gewesen zu sein, die ich feiern durfte nachdem ich den Altar der Gottheit der Schönheit reparieren konnte. ... xD
Aber gewisse Momente, die alle zu meinen liebsten Momenten im Spiel gehören, haben mit ihnen zu tun. Und ein wesentlicher Teil meiner Liebe zum Spiel gilt schon auch meiner Liebe zu einem Begleiter.

Also erst mal war es einfach toll Vollinger dabei zu haben, der eigentlich ein Assassine war und meine Chetra umbringen hätte sollen. Aber sie hat sich klug verhalten und einiges über die Assassinen-Gruppe herausgefunden (ohne im Wissen, dass einer der Begleiter eigentlich eingeschleust wurde), sodass diese sie zu respektieren begann. Denn wie wir schon von The Elder Scrolls wissen: Assassinen sind ja nicht per se böse, sie haben nur einen pikanten Job. Jedenfalls konnte ich Vollinger davon überzeugen, dass ich eigentlich ganz knorke bin und er schloss sich dann aus freien Stücken meiner Party an. Und wartete monatelang in Tarant auf mich, weil ich ihm gesagt hatte, dass ich "kurz" mal ohne ihn was machen musste. ... xD ER hätte ewig auf mich gewartet, denn er hat mich geliebt, im Gegensatz zu Perryman Smythe, der ganz beleidigt war als ich dasselbe mit ihm tat. Aber den brauchte ich zwischendurch, weil Virgil mich verlassen hatte!
Ja. Ich wollte Virgil ja immer loswerden. Nachdem wir beide aber mit unseren Fähigkeiten ein bisschen besser wurden, wurde er ein wenig zuverlässiger im Kampf und beschimpfte Chetra nicht mehr ganz so oft. Ich kam dann zwar nicht in die Situation mir zu überlegen, ob ich ihn austauschen soll, weil ich lange genug Platz in meiner Party hatte, Charisma sei Dank. Aber ich wusste tief in mir drinnen schon, dass ich ihn eventuell nicht gleich wie ursprünglich geplant als erstes aus der Gruppe geschmissen hätte. Und er hatte offensichtlich auch irgendein Geheimnis, das ich wiederholt versucht habe ihm zu entlocken, und ich war fast ein wenig beleidigt, dass er mir nichts sagen wollte. Ich meine ja, wir waren vielleicht nicht die besten Freunde, aber wir reisten da inzwischen schon zwei, drei Jahre zusammen herum. Ich hatte mich einfach so sehr an ihn gewöhnt. Und dann GING ER EINFACH VON SELBST!
Ich hatte vor, zumindest mal nach ihm zu suchen, und ihn zumindest wenn möglich theoretisch wieder zur Verfügung zu haben. Zwischenzeitlich habe ich auch im Zuge der Hauptquest eine weitere Heilerin namens Raven bekommen, die ich sehr toll fand und die Virgil eigentlich ersetzen hätte können - sie hatte ich übrigens bis zum Ende dabei, und einer ihrer besten Momente war als sie Nasrudin erkannte, der kein Gott und sogar noch am Leben war. Als ich Virgil aber dann jedenfalls fand, wurde er gerade umgebracht. Ich dachte, ich könne ihn vielleicht retten wenn ich schneller wäre (und ihn eventuell vor seinem Verlassen der Party nicht bis auf die Unterhosen ausgezogen hätte) und hab ein paar Mal neu geladen.^^ Aber nein, Virgil stirbt, und ich war einigermaßen schockiert. Die Arschlöcher, die ihm das angetan haben, habe ich dann natürlich auch getötet, und als Loot gab es doch tatsächlich eine Wiederbelebungs-Schriftrolle. Bis ich diese angewendet habe wusste ich gar nicht so genau was ich empfinden soll, und ließ ihn erst mal labern und erklären und dann zum nächsten Tempel gehen. Aber gleich dann folgte ich ihm und nahm ihn wieder in die Party auf. Und als ich ihn da in seinen Unterhosen wieder in meiner Gruppe sah, war ich plötzlich so, so überglücklich ihn wiederzuhaben, dass ich fast - peinlich, peinlich - ein paar Tränchen in den Augen gehabt hätte. Dann habe ich ihm die schönsten Sachen gekauft, die ich in den Läden finden konnte (obwohl ich seine alten eigentlich noch hatte) und habe mir geschworen, ihn nie nie wieder gehen zu lassen. 

Ich möchte das nur kurz sacken lassen. Ich habe ihn gehasst, wirklich. Aber alles was wir auf dieser Reise zusammen erlebt haben, zusammen mit der plötzlichen (unwahren) Tatsache, dass er für immer verloren war, hat meine Meinung vollkommen gedreht.
Und das beschreibt dieses ganze Spiel eigentlich recht gut. Vielleicht gibt es einige Unbequemlichkeiten, kleine Fehler und sogar Ärgernisse, aber die Reise fühlt sich nach einem Erlebnis an, das einen prägt und einnimmt, und man kann gar nicht anders als irgendetwas daran zu lieben. Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass der Hund der beste Companion ist (und wie man ihn bekommt ist auch so cool, allerdings weniger wenn man ihn verpasst, weil er dann totgetreten wurde ;__;), die Götterquest trotz hohem Aufwand wirklich jede Unannehmlichkeit wert ist (wenn der Gottvater einen segnet hat man soo viele Boni), ich mir meinen größten Wunsch damit erfüllt habe, Torian Kel in meiner Party zu haben, es mich mit mehr Stolz als notwendig erfüllt, dass ich den Endgegner durch ein Gespräch davon überzeugen konnte sich selbst quasi aus dem Leben zu reißen und Arronax mich daher zurecht unfassbar geliebt hat. 

Meine Party am Schluss (Level 45): Der Hund (Insider: der eigentliche Living One), Virgil (Canon: Hat Chetra geheiratet), Sogg Mead Mug (liebevoll Hug Meat genannt), Torian Kel (der mir drohte gegen mich zu kämpfen wenn ich gegen den Endgegner die Waffe erhebe), Raven (Ich bin mir nicht sicher ob ich mit der nicht auch geschlafen habe), Gar (leider habe ich ihn dann nie in die Freiheit entlassen) und Arronax (eigentlich glaubt man das ganze Spiel über, er wäre der "Big Bad"). Dabei hatte ich eine ganze Zeit über noch eben Vollinger (wartet auch heute noch) und Chukka (ein Oger im schicken Anzug) dabei, so wie kurze Ausflüge mit der beleidigten Leberwurst Perriman Smythe. :D

Ansonsten war ich grafisch nicht unangetan, weil ich mir irgendwie im Vorhinein Schlechteres vorgestellt hatte. Aber es ist alles klar erkennbar und manche Gebiete (Ashbury oder Qintarra) sehen sogar echt hübsch aus! Natürlich ist Arcanum jetzt kein Freudenfest der Grafik, aber es gibt auch heute zumindest keinen Grund sich davon total abschrecken zu lassen. Die Musik ist meist unauffällig aber passend, und besteht anscheinend fast nur aus Stücken für Streichquartett. Da sich einige Sachen oft wiederholen und so dahinplätschern fällt die Besonderheit so einer Art von Soundtrack leider meist nicht auf.
Es gibt außerdem ein Tag/Nacht System, dem alle Bewohner folgen - Nachts schlafen sie in ihren Betten (meist DER Zeitpunkt für Einbrüche) und die Läden haben zu, tagsüber gehen alle ihren Professionen nach. Daher vergeht eben auch echte ingame-Zeit, und meine Chetra war insgesamt 5 Jahre unterwegs, da sie zu Beginn des Abenteuers 20 und dann eben am Schluss 25 Jahre alt war.
Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass das Tagebuch - vom schlechten Questlog mal abgesehen - eine tolle Sache ist, da dort besonders einflussreiche Taten, Flüche oder Segnungen, Gerüchte die man in den Städten hört und Statistiken festgehalten werden. 

Insgesamt gibt es definitiv eine Empfehlung von mir für Leute, die das Alter eines solchen Spiels nicht abschreckt, und die auch ohne extrem einflussreiche Begleiter und Gespräche untereinander Spaß haben können. Arcanum muss sich nicht verstecken, und es hat mir auf jeden Fall besser gefallen als Neverwinter Nights vom Frühjahr, und wohl auch besser als Fallout, das damals immerhin in meiner Game of the Year Liste war. Und die Chancen für Arcanum, ebenfalls einen Platz dort für dieses Jahr zu ergattern, stehen damit nicht schlecht!

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