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Sonntag, 14. Juli 2019
Forgotton Anne
Forgotten Anne ist vermutlich vielen Leuten gleich bei der Ankündigung aufgefallen, da es durch die hübsche Anime-Grafik irgendwie herausgestochen ist. Ich hatte es auch gleich mal auf meiner Wunschliste, aber das Spiel geriet bald ein bisschen in Vergessenheit und dümpelte in den unteren Rängen herum. Ich hatte gehört, dass es sich nicht so flüssig und intuitiv steuert, was bei einem Platformer so ein bisschen ein Todesurteil für mich ist - ich falle ja schon bei guter Steuerung überall runter. Und auch wenn die Rezensionen größtenteils aussagten, dass das Spiel überhaupt nicht schwierig, und dafür gut präsentiert ist, dachte ich, dass eine nette Story bestimmt nicht Grund genug ist, um so einen Platformer unbedingt gespielt haben zu müssen. Aber ich habe mich geirrt. Forgotton Anne hat mich mit seiner Präsentation, der Atmosphäre und der liebvoll gestalteten Welt mitten ins Herz getroffen.
Wir übernehmen im Spiel die Steuerung von der namensgebenden Anne, die in einer Welt lebt, wo vergessene Dinge landen, die niemand mehr braucht. Sie und Meister Bonku, quasi der Herrscher dieser Welt und Vaterfigur für Anne, sind die einzigen Menschen. Alle anderen Bewohner sind Dinge, die zum Leben erwacht sind, sprechen können und einen eigenen Charakter haben. Und was das für Charaktere sind! Also wer hier niemanden findet, der einem ans Herz wächst, der hat auch keins. Ob nun eine Pistole, die ihre Berufung als Polizist gefunden hat, oder ein Kühlschrank, der als Barkeeper arbeitet aber lieber Musiker wäre, oder eine Schreibfeder, die sich im Fälschen von Dokumenten spezialisiert hat, alles ist irgendwo vertreten. Und wer sich nicht auf den ersten Blick in den Rebellenanführer Fig verliebt, der ist... naja... nicht ich. xD
Oh, aber ich greife ja vor. Bonku hat es sich zum Ziel gesetzt, wieder zurück in die echte Welt zu gelangen, und baut zu diesem Zweck die "Ether Bridge" ("Ether" ist hierbei der Name der echten Welt). Grundsätzlich scheint das ein gutes Unterfangen zu sein, und einige Dinge sollen sogar eingeladen werden, die beiden Menschen wieder nach Hause zu begleiten. Aber natürlich wollen das nicht alle. Immerhin haben die Dinge in dieser Welt ein Eigenleben, können sich erstmals entfalten, und haben hier ein neues zu Hause gefunden. Deshalb gibt es eben eine Rebellengruppe, die versucht, Bonku zu sabotieren.
Anne ist nicht nur Bonkus Ziehtochter, sondern auch "The Enforcer". Die Erzwingerin - klingt schon so sympathisch. xD Sie hat ein Armband, das mit der Energiequelle oder Lebensessenz ("Arca") dieser Welt gefüllt ist. Bonku hat, als großer Erfinder, der er im Ether war, diese Armbänder gebaut und besitzt auch eines. Damit kann man nicht nur eben Energie spenden und Apparaturen antreiben, sondern diese Energie auch entziehen (="destillieren"). Vorrangig aus den lebendiggewordenen Dingen, die dann eben wieder das sind, was sie urprünglich waren - leblose Gegenstände.
Bonku und auch Anne sehen das nicht als großes Problem an, da es sich ja nur um "Dinge" handelt, aber die Bewohner sind davon natürlich nicht so begeistert, und fügen sich vor allem auch deshalb der Herrschaft des Erfinders. Es ist jetzt nicht so, dass dieser herzlos wäre, und Anne schon gar nicht, denn beide haben auch treue Anhänger oder gar Freunde, die an ihre Sache glauben. Aber als Spieler merkt man natürlich von Anfang an, dass die Menschen sich trotzdem, und zu unrecht, über die Dinge erheben.
Das "von Anfang an" ist vermutlich das einzige wirkliche Problem an der Geschichte. Sie ist relativ voraussehbar. Denn natürlich werden Anne mit der Zeit die Augen geöffnet und sie schließt sich den Rebellen an, während Bonku so ein bisschen dem Wahnsinn verfällt. Überraschungen gibt es eher im Kleinen, zum Beispiel als die Rebellen Annes vergangene Aktionen bei einer Art Gerichtsverhandlung begutachten - Entscheidungen, die wir als Spieler getroffen haben. Es gibt einige Situationen im Spiel, bei denen es unterschiedliche Lösungsarten gibt, was richtig cool ist. Ein bisschen blöd daran ist, dass Anne sich trotz allem definitiv den Rebellen anschließt, selbst wenn sie alles auf ihrem Weg berserkermäßig wegdestilliert. :'D Nur ganz am Ende kann sie sich dann entscheiden, auf alle zu scheißen und mit Bonku in den Ether abzuhauen, was mir aber durch den Verlauf des Spiels als recht "unrunder" Abschluss erscheint.
Außer der Entscheidungsfreiheit besteht das Gameplay aus puzzleartigen Platformer-Passagen. Diese sind tatsächlich nicht sonderlich schwer, wenn auch nicht sehr präzise. Mit dem Arca-Armband manipuliert man meist den Stromfluss, um sich den weiteren Weg zu ebnen. Anne hat außerdem mechanische Flügel, die sie höher und weiter springen lassen. Damit löst man den Großteil der Puzzles. Ein paar kleine Überraschungen gibt es aber trotzdem. Zum Beispiel Team-Rätsel, die man gemeinsam mit Fig lösen muss - vor allem dann essenziell, wenn Anne später ihre Flügel verliert. Außerdem kann das Arca später tote Gegenstände auch wieder zum Leben erwecken, was ungefähr der beste Moment des Spiels ist, wenn man das bekommt. <3
Viel mehr kann ich zum Gameplay aber auch nicht sagen. Es ist nicht frustrierend und stört nicht, selbst wenn es schon einige längere Passagen gibt. Teilweise macht es sogar Spaß, auch wenn es jetzt nicht wirklich total "gut" ist.
Was aber weniger Spaß macht, sind die automatischen Speicherstände. Erstens, weil Backtracking so gut wie nie erlaubt ist, und man verpasste Dinge nicht mehr nachträglich holen kann. Zweitens, weil die Speicherpunkte quasi Kapitelweise gesetzt werden, und ich echt OFT Rätsel wiederholen musste, weil ich den Abschnitt nicht abgeschlossen hatte, obwohl ich dachte an einem Punkt zu sein, wo jedes normale Spiel gerade gespeichert hätte. Manuell speichern geht nicht, und das hat mich wahrscheinlich am meisten Frust gekostet.
Aber das war eben auch fast der einzige Frust, der überhaupt aufkam. Was ich aber hatte, war ein richtigen Eintauchen in die Welt, ich war so richtig in der Story drinnen und hatte große Anteilnahme an allem. Gott, ich hätte für Fig die ganze Welt geopfert. Zum Glück musste ich für ihn nur Anne und Bonku opfern. :'D (ich habe schon ein bisschen geheult).
Also auch wenn die Geschichte relativ voraussehbar, ein bisschen klischeehaft und durch fixe Vorgaben, wie Anne sich verhält, nicht immer ganz schlüssig war, war sie einfach so gut präsentiert und liebevoll gemacht, dass das alles in den Hintergrund gerückt ist. Die gute Sprachausgabe (ich habe auf Englisch gespielt) und der passende Soundtrack tragen auch noch dazu bei. Ehrlich, ich bin richtig begeistert und froh, dass ich Forgotton Anne nie von meiner Wunschliste verbannt habe, obwohl ich das teilweise überlegt hatte. Das war für mich ein echter Überraschungshit. <3
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