Ich hatte bis vor kurzem noch nie von Mercury Abbey gehört. Entdeckt habe ich es in einem Youtube-Video, wo eine Reihe Indie-Spiele vorgestellt wurden. An meiner Seite war der größte Challenge-Liebhaber vor dem Herren, also musste auch aus diesem Video eine Challenge werden: Wir suchen uns je ein Spiel aus dieser Liste an Titeln aus (ohne vorher zu wissen, was kommt) und müssen es spielen.
Ich konnte mich zwischen zwei Spielen dann nicht entscheiden, und habe beide mal gekauft - Mercury Abbey war aber dann schließlich die zweite Wahl, die ich nicht im Zuge dieser "Challenge" gespielt habe (falls es jemanden interessiert, es wurde "Signs of the Sojourner", das zwar nett aber dabei so kurz war, dass ich nicht einmal darüber schreiben wollte).
Lange Rede, kurzer Sinn: Mercury Abbey wäre nicht nur die bessere Wahl gewesen, sondern hätte ganz allgemein ruhig früher in meinem Backlog landen können - es hat mir nämlich wirklich wahnsinnig gut gefallen.
Ursprünglich war der hübsche Pixelstil eigentlich das Hauptargument, gemeinsam mit der Tatsache, dass es sich um ein Adventure handelt sollte. Und wenn eines an Mercury Abbey ohne Wenn und Aber überzeugend ist, ist es die Grafik. Da steckt so viel Detail drinnen, alles bewegt sich oder leuchtet oder glitzert, überall gibt es etwas zu entdecken, und wenn es nur aufwendig gemeißelte Statuen sind, die zu nichts anderem dienen als das Ambiente zu unterstützen. Ich musste manchmal wirklich staunen, und man kann nun nicht behaupten, dass ich sonst keine Spiele mit Pixelgrafik spiele.
Aber natürlich reicht ein fantastisches Aussehen für ein narratives Spiel dieser Art nicht aus, um es wirklich gut zu finden. Glücklicherweise hat aber auch die Erzählung für mich richtig gut funktioniert, obwohl gerade der Unterton eine merkwürdige Mischung aus leichtherzig und mysteriös birgt, die sich nicht leicht vermischen lässt. Zumindest nicht so gut funktionierend!
Man spielt aus der Sicht eines Schriftstellers - ein Wolf namens Harrod übrigens, denn wir haben hier ein antropomorphes Tierreich - der seine besten Tage bereits hinter sich zu haben scheint. Seine Lektorin schickt ihn daher nach Mercury Abbey, ein Sanatorium, das wie eine Art Kurort fungiert und den Gästen dort durch ein mystisches Getränk namens "Sweet Dreams" wunderschöne, real wirkende Träume bescheren soll. Das alles soll Harrods Kreativität entfachen und seine Schreibblockade lösen.
Durch einen Zufall muss der Author auch seinen Neffen mitnehmen, einen jungen, aufgeweckten Burschen namens Willie, der hauptsächlich für die Leichtherzigkeit des Spiels verantwortlich ist - aber nicht auf eine nervige oder unpassende Art und Weise. Er sieht viele Dinge einfach kindlich und nimmt gewissen Situationen ihre Dramatik, was aber super zum Spiel passt. Es hat trotzdem spannende Höhepunkte, nimmt sich aber nicht ernster als es sein muss.
Man darf einfach keine Achterbahnfahrt der Gefühle erwarten. Viel mehr fühlt sich das Spiel wie ein Buch an, das sich Zeit nimmt, den Leser in die Welt einzuführen und Charaktere kennenzulernen, bevor wirklich relevante Dinge passieren. Und das mochte ich sehr, weil die Welt viel zu bieten hat und man sich ein bisschen in ihr verlieren kann, bei all den großen und kleinen Entdeckungen, die sie bietet.
Das Mystery selbst wäre es alleine nicht wert, Mercury Abbey zu spielen - es ist durchaus interessant und vor allem mystisch und atmosphärisch richtig gut präsentiert, aber es löst sich alles schon ein bisschen vorhersehbar auf. Man muss sich auf das Setting und die Personen einlassen, dann ist das Spiel aber auch wirklich von Anfang bis Ende richtig gut.
Wobei das "sich einlassen" auch keine große Hürde sein sollte. Die Charaktere sind interessant, vielzählig und liebens- oder hassenswert und man hat viele Gelegenheiten, sich mit ihnen zu unterhalten. Von den Portraits darf man sich weder zu sehr abschrecken, noch anziehen lassen (je nach Interesse). Ja, alle wichtigen Leute haben ein sehr detailliertes, oft auch körperbetontes Portrait. Harrod spaziert schon auch gerne mal oben ohne herum. ;0 Ob einem das gefällt oder nicht ist jedem selbst überlassen, aber es sollte kein Grund sein, das Spiel deshalb nicht ausprobieren zu wollen, oder sich zu viele Hoffnungen zu machen, dass da mal mehr zu sehen ist oder es irgendwelche Andeutungen gibt. Sexuelle Anziehung ist in dem Spiel völlig irrelevant, auch wenn ich eventuell zuerst einen Schäferhund-Polizisten und später eine Kellner-Hyäne mit Harrod geshipped habe, ähem.
Eigentlich schreibe ich diesen Absatz nur, weil ich in den Steam Diskussionen einen Thread gesehen habe, wo jemand nachgefragt hat, ob das Spiel es Wert ist, gespielt zu werden, trotz des ganzen "Furry Krams". Das ist unfair und schade, und naja ich will einfach nur, dass mehr Leute den Wert von Mercury Abbey erkennen. Es ist für mich eines der besten eher klassischeren Adventure Games, die ich in letzter Zeit gespielt habe (was, zugegeben, nicht besonders viele waren).
Denn man macht wirklich nicht viel mehr, als die Umgebung zu erkunden und dabei Rätsel und Puzzles zu lösen. Diese sind alle sehr bodenständig, und als Adventure Spieler hat man alle Puzzles dieser Art schon mal gelöst. Es ist quasi alles dabei - Rohre verbinden, Bilder auf vorgegebenen Feldern verschieben, Dinge in die richtige Reihenfolge bringen, Schalter irgendwo betätigen. Manchmal kann man zwischen Harrod und Willie wechseln und Rätsel gemeinsam lösen. Also, abwechselnd. Also, wo beide unterschiedliche Sachen machen müssen, um am Ende erfolgreich zu sein. Ihr wisst schon.
Nichts davon ist jemals frustrierend, sondern angenehm einfach. Ein bisschen Denken und Probieren reicht, und das mag ich. xD Ich hatte oft ein Erfolgsgefühl, ohne dass es jemals nervig wurde, und das obwohl durchaus viele solche Puzzles vorhanden sind. Für Veteranen wiederum auch kein Grund, Mercury Abbey zu spielen, aber es gibt genug andere Adventures, die den Kopfnuss-Itch bedienen.
Also aus welchem Grund spielt man das Spiel dann genau? Naja, für mich war es einfach das Gesamtpaket. Ich hatte durchgehend Spaß, war an allem interessiert, habe beim Mysterium ein bisschen mitgerätselt, hatte genug Abwechslung, die Welt war wunderschön uns lebendig, und die Charaktere waren ihre Unterhaltungen wert. Ich glaube ich habe keinen Kritikpunkt, außer dass halt keine wirklich großen Emotionen in mir ausgelöst wurden. Aber ich würde ohne zu zögern sofort einen zweiten Teil spielen (der nach einem typischen fortsetzungs-würdigem Ending durchaus im Raum stehen dürfte) und würde dieses Spiel durchaus - zumindest derzeit - in meine Game of the Year Liste aufnehmen.
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