Samstag, 8. Februar 2025

Black Book


Black Book war das allererste Spiel, das ich auf Kickstarter unterstützt habe. Ich habe mich eigentlich dafür dort angemeldet, auch wenn ich inzwischen natürlich viel mehr Sachen gebacked habe. Für eine erste Erfahrung war das schon eine gute Sache, denn das Spiel wurde zuverlässig fertiggestellt und bietet über 20 Stunden Inhalt. Das hauptsächliche Alleinstellungsmerkmal – die nordslawische Mythologie, die dort behandelt wird – wurde auch absolut perfekt umgesetzt. Black Book trieft nur so vor mystischer und einzigartiger Atmosphäre, vor allem wenn man die Vertonung in ihrer Originalsprache lässt und mit englischen Untertiteln spielt. Meine Ohren mussten sich eine Weile an die fremde Sprache gewöhnen, aber ich würde jedem wärmstens empfehlen, dasselbe zu tun. Es trägt wirklich extrem zur Immersion bei.

In Black Book geht es um eine junge Frau namens Vasilisa, deren junge Ehe überraschend durch den Selbstmord Ihres Mannes zu einem jähen Ende kommt. Sie kann das auch nicht akzeptieren, hat aber glücklicherweise ihren (nicht leiblichen) Großvater an ihrer Seite, der praktischerweise ein Koldun ist. Dies ist so eine Art Hexer, der Bündnisse mit Dämonen der Unterwelt eingeht und aus einem schwarzen Buch Zaubersprüche zitiert, um Mitmenschen entweder zu helfen oder sie zu verfluchen. Das Buch von „Old Egor“ (also dem Großvater) ist dabei natürlich das titelgebende Black Book, das besonders mächtig ist, wenn man es schafft, alle 7 Siegel darin zu brechen. Es erfüllt einem dann auch einen Herzenswunsch, was natürlich Grund genug für Vasilisa ist, alle Dinge von Egor zu übernehmen, der langsam zu alt für diese ganzen Shenanigans ist.
Dafür muss sie in einem magischen Ritual durch den Schlund eines Höllenhundes gehen, mit einem Dämonen einen Packt schließen und anschließend wieder ins Reich der Lebenden zurückkehren. Das alles passiert im Prolog, keine Sorge, es klingt nach mehr Aufwand als es ist. ;0
Als neuer Koldun muss Vasilisa nun Anfragen von allen möglichen Leuten entgegen nehmen, die ihre übernatürliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, und währenddessen Hinweise finden, wie man die sieben Siegel im Black Book brechen kann.
Jeder Tag startet in einem Hub (meistens die Hütte, oder die „Izba“ von Egor und Vasilisa), in dem man mit Besuchern, sowie mit Egor und den späteren Begleitern sprechen kann, man kann sich ausrasten und sein Deck bearbeiten (denn das Black Book ist eigentlich nichts anderes als ein Kartendeck), Karten (diesmal richtige Karten) spielen und den Chorts Aufgaben zuteilen.
Jaja, für uns fremde Begriffe ziehen sich durchs komplette Spiel, und alleine deshalb muss man mit einem halbwegs aufmerksamen Geist in die Spielesessions gehen.
Chorts sind sowas ähnliches wie Poltergeister oder so – Plagegeister dämonischen Ursprungs, die beschäftigt werden müssen, weil sie sonst den Koldun in den Wahnsinn treiben. Sie müssen jeden Tag losgeschickt werden, weil man sonst diverse Mali in Kauf nehmen muss. Ein Chort hat zum Beispiel die Eigenschaft, dass man dann selbst einen positiven Status wie Regeneration nicht anwenden kann, also muss man ihn in die Umgebung schicken, damit er bei Bauern Kühe erschreckt oder sowas. ;0 Damit begeht man aber auch eine Sünde, und je nachdem wie viele Sünden Vasilisa im Spiel ansammelt, kann man zum Schluss unterschiedliche Enden erreichen.


Auf jeden Fall wird man, wenn man im Izba alles erledigt hat, auf die aktuelle Mission geschickt und bewegt sich auf einer Karte von Punkt zu Punkt vorwärts. Man sieht dabei schon einige relevante Wegpunkte, den aktuellen Begleiter (sofern man einen hat), und die Entdeckungen, die man machen kann. Diese können drei unterschiedliche Dinge sein: quasi Lexikon-Einträge, bei denen relevante Begriffe und Bräuche erklärt werden, überlieferte Volkssagen und Geschichten rund um die bekanntesten, übernatürlichen Kreaturen, oder von einem Chor gesungene Volkslieder. Letzteres mochte ich besonders gern, aber alle Entdeckungen haben einen Mehrwert und geben der Spielwelt natürlich mehr Profil und Tiefe. Man bekommt so wirklich ein Gefühl für die Folklore, was schon sehr cool ist. Im Spiel gibt es auch sehr viele Situationen, in denen man Fragen beantworten oder Rätsel lösen muss, deren Antworten sich im Lexikon oder unter den Folk Tales finden lassen, und man wird dann auch mit Erfahrungspunkten belohnt. Aufpassen bietet also nicht nur für die Atmosphäre einen Mehrwert, sondern auch für etwas Spielmechanisches.
Allgemein bewegt man sich meistens nicht direkt voran, sondern klickt eben auf Punkte und trifft dann fast wie in einer Visual Novel vor einem hübschen Bildschirm Entscheidungen in schriftlicher Form. Nur manchmal darf man Vasilisa selbst steuern, und das ist… das größte Problem am Spiel.
Die blockhafte 3D-Grafik kann man vielleicht noch als bewusste Designentscheidung durchgehen lassen, es sieht aber schon alles wirklich nicht gut aus. Und es trägt zum allgemeinen, sehr behäbigen Gefühl bei, das sich unweigerlich einstellt, wenn man sich fortbewegen will. Mit der Maus funktioniert auch die Steuerung extrem schlecht. Mit den Richtungstasten ist es besser, aber trotzdem clippt Vasilisa in alle möglichen Dinge hinein oder bewegt sich an eine ganz bestimmte Stelle, um etwas zu untersuchen – was irgendwie sehr seltsam wirkt, wenn es sich zum Beispiel um eine Aussicht in die Ferne handelt, die man von jedem Standpunkt aus auch ansehen hätte können. Naja. Diese Abschnitte sind meist auch sehr kurz und man macht kaum wirklich etwas, also kann man gar nicht wirklich rechtfertigen, warum es sie überhaupt gibt. Das Spiel hätte auch ohne funktioniert, vielleicht sogar ein bisschen besser. Denn das ist wirklich der hauptsächliche Kritikpunkt hier, alles andere funktioniert nicht nur wie es soll, sondern sogar ziemlich gut.


Die Grafik wird auch in Kämpfen und Cutscenes benutzt, aber da stört sie nicht so, weil man dadurch nicht behindert wird, sondern sich nur ein bisschen dran gewöhnen muss. An ihr merkt man aber eben am deutlichsten, dass es sich um ein Indie Projekt, das über Kickstarter finanziert wurde, handelt.
Die Entwickler haben versucht, es trotzdem so fancy wie möglich zu machen, sodass Kampfhandlungen zum Beispiel einige flashy Animationen haben, die es aber auch nicht unbedingt gebraucht hätte – weil das Kampfsystem rein mechanisch auch für sich alleine gut funktioniert. Ich hatte auf jeden Fall Spaß damit.
Es ist halt einfach ein Karten-Kampfsystem, bei dem behauptet wird, die Karten seien Buchseiten. ;0 Es gibt hierbei Angriffe, Schilde und Statusveränderungen, mit denen man auch viel arbeiten kann und sollte. Manche speziellen Fähigkeiten von Karten habe ich bis zum Ende nicht kapiert, aber das scheint auch nicht komplett notwendig, wenn man vorher etwas findet, das funktioniert. In meinem Fall war es ein „Curse und Bless“ Build. Mit Bless verstärkt man den eigenen Angriff und Curse senkt den Angriff der Gegner. Es gibt Karten, die mit diesen Effekten Synergien ergeben, und diese hatte ich natürlich vorrangig in meinem Deck. Je mehr Siegel man im Buch bricht, desto bessere Karten, äh Seiten, kann man erhalten, und gerade die im letzten Kapitel waren schon sehr mächtig.
Man kann außerdem mit ausrüstbaren Items und auch Skills, die man durch Leveln freischaltet, Einfluss auf das Deck und die Karten nehmen, und insgesamt hat man so überraschend viele Möglichkeiten, worauf man sich fokussieren möchte. Fand ich eigentlich richtig gut, vor allem weil auch die Gegner ziemlich viele, unterschiedliche Tricks im Ärmel haben, und man sich manchmal durchaus der Situation anpassen muss. Zwar ist die Schwierigkeit allgemein sicher nicht die höchste (außer bei sogenannten Puzzle Battles, bei denen man die Karten wirklich alle verstehen muss), aber langweilig wurde mir wirklich nie. Praktisch ist auch, dass man jederzeit direkt den Kampf von vorne beginnen kann, wenn einem die zufällige Auswahl, die man auf die Hand bekommen hat, einen Nachteil verschafft hat. Bei Bosskämpfen kann das durchaus vorkommen.
Man erhält immer eine Mischung aus Orders und Keys, die ein Zagovor (einen kompletten Zauberspruch) ergeben. Einen wirklichen Unterschied zwischen den beiden weiß ich jetzt auch nicht genau, aber Keys sind eher als Unterstützung zu sehen und meist schwächer als die Orders. Man kann auch weniger von ihnen in den Spruch aufnehmen. Neben einem Zauberspruch kann man in einer Runde noch Kräuter als Item einsetzen (meist zur Heilung, es gibt aber auch hier sehr viele coole Varianten) und den Begleiter seine Fähigkeit einsetzen lassen, wenn diese nicht gerade auf Cooldown ist.


Man kann immer nur einen Begleiter dabei haben, und sie alle haben nur je eine bestimmte Fähigkeit. Egor kann zum Beispiel Curse auf den Feind einsetzen, während Proshka (ein schwarzer Katzendämon :3) einem für eine Runde ein Schild gibt. Für jeden der Begleiter gibt es zu gegebener Zeit außerdem eine optionale Loyalty-Quest, mit denen sich ihre Fähigkeit dann auch weiter entwickelt.
Das fand ich alles schon sehr motivierend, und überhaupt sind die einzelnen Missionen allgemein viel abwechslungsreicher, als man am Anfang vielleicht vermuten würde. Während man zu Beginn relativ klassisch einen Müller von einem bösen Geist befreit oder einen Changeling entlarvt (also alles durchaus normale Aufgaben für einen Koldun), ändern sich die Umstände laufen - einmal erforscht man zum Beispiel überraschenderweise eine Unterwasserwelt, und ein anderes Mal muss man Hochzeitsgäste, die sich in Wölfe verwandelt haben, wieder zu Menschen machen. In einem Kapitel strandet Vasilisa in einem Dorf, aus dem man nicht mehr entkommen kann und muss dort sogar recht detektivenhaft einen Dämon entlarven, der sich unters normale Volk gemischt hat.
Ich war eigentlich von Anfang an sehr fasziniert von dem Spiel, befürchtete aber relativ früh, dass es sich für die doch relativ lange Spielzeit vielleicht schnell abnutzen würde. Das ist aber nicht geschehen und ich war wirklich positiv überrascht von all den Dingen, die mir geboten wurden.
Gerade was den übergeordneten Plot betrifft gibt es zwar relativ wenig, was einem mehr als ein "Oh!" entlocken würde, aber hier scheitert es vielleicht mitunter eben auch an der recht holprigen Präsentation. Gerade gegen Ende könnte es fast emotional werden, wenn man nicht allgemein relativ wenig Bezug zu allen Dingen hätte, weil eben gerade Vasilisas Geschichte selbst irgendwie ziemlich untergeht. Wir haben keinerlei Bindung zu ihrem verstorbenen Mann und haben die beiden nie zusammen gesehen - da kommen die wenigen Szenen, in denen sie an seinem Grab weint, sogar irgendwie befremdlich rüber, weil sie trotz allem mehr wie ein Avatar, als eine fühlende Person wirkt.
Wegen der Geschichte und den meisten Charakteren (Nikolay und seine Braut waren für mich durchaus eine Ausnahme) wird man Black Book also nicht unbedingt spielen müssen. Wegen der Atmosphäre, der Folklore und dem motivierendem Gameplay kann man das aber wirklich guten Gewissens tun. Ich fand das Spiel sehr gut, nur weniger in einem emotionalen, als einem, äh, lehrreichen und unterhaltsamen Sinn.

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