Vorsicht: Dieser Blog enthält viele Spoiler zu Videospielen, die nicht explizit gekennzeichnet werden!
Donnerstag, 21. November 2024
Ni No Kuni: Der Fluch der Weißen Königin
Es scheint sich einzubürgern, dass sich bei mir inzwischen jedes Jahr irgendein Thema besonders hervorhebt. So war 2022 mein Pathologic-Jahr, 2023 war mein Danganronpa-Jahr, und 2024 wurde es Ghibli. Ich habe alle Filme (auch die paar, die ich schon vorher mal gesehen hatte) in diesem Jahr geguckt. Da war es natürlich nur die logische Weiterentwicklung, auch noch das Spiel zu spielen, bei dem Ghibli ebenfalls ein bisschen involviert war.
Über Ni No Kuni habe ich im Vorfeld aus meinem engeren Freundeskreis eigentlich gar nicht besonders viel Gutes gehört. Die beste Meinung war noch, dass es im Mittelteil recht fetch-questig und allgemein ein okayes Spiel ist, aber nicht viel mehr. Und von der schlechtesten Meinung fange ich lieber gar nicht erst an (Salzkönig Jan :0). :D
Ich habe also wenig erwartet, und würde im Endeffekt sagen, dass ich von diesen mir nahestehenden Personen die bin, die Ni No Kuni am meisten mag.
Im Spiel geht es um den kleinen Jungen Oliver, der seine Mutter verliert und damit fortan alleine ist. Außer natürlich betroffenen Nachbarn und Freunden im kleinen Städtchen Motorville hat er nur sein vertrautes Stofftier Drippy, das er auch einmal von seiner Mutter erhalten hat. Dieser erwacht dann plötzlich zum Leben und eröffnet Oliver, dass er mit in die „andere Welt“ reisen muss, weil er der auserwählte Zauberer ist, der diese vor dem bösen Djinn Shadar retten soll.
Und das ist auch genau das, was in den nachfolgenden 30 Stunden passiert. Man erkundet eine wundersame Welt und erlebt viele Abenteuer darin. Oliver stimmt dem Ganzen zuerst nur zu, weil jeder Mensch in der anderen Welt einen Seelenverwandten hat, und er hofft, damit seine Mutter doch noch retten zu können. Böse Zungen behaupten (mein Freund ;0), dass dies eigentlich der interessante Teil der Geschichte sein soll, man ihn aber über weite Strecken gar nicht so richtig weiter verfolgt. Ich widerspreche dem auch ein bisschen. Für mich ist der Plot mit der Mutter der Auslöser für eine lange Reise voller Magie und Erlebnisse, bei der man einzelnen Bewohnern oder auch ganzen Städten hilft, und ihr Leben verändert. Und gleichzeitig entwickelt sich auch Oliver, mit Hilfe seiner Freunde, weiter.
Ich will jetzt nicht sagen, dass ich die Story herausragend gut oder aufregend fand, aber ich habe oft einfach im Moment gelebt und konnte schon einige Szenen finden, die mich nicht unberührt gelassen haben. Klar gibt es Klischees, kindische Ereignisse und sicher auch nicht das beste, dramaturgische Pacing, aber ich habe es geschafft, das alles einfach nicht so eng zu sehen.
So konnte ich gerührt sein, als Myrtles Vater seinen Alptraum wieder los wurde, oder Marcassins und Swaines Vater starb. Und auch als Shadar und Olivers Mutter aufeinander trafen in einer Szene, die das definitive Ending des Spiels sein hätte sollen, seien wir ehrlich. Ich kann jetzt zwar nicht behaupten, wirklich eine emotionale Bindung gehabt zu haben, aber für den Moment, in dem ich gerade war, hat es immer gereicht, um mich unterhalten zu fühlen. Insgesamt konnte ich einfach die märchenhafte Atmosphäre und die Reise an sich genießen, die sich auf jeden Fall auch durch die schönen Schauplätze (so verschieden wie es sich für ein echtes JRPG gehört) und den Zeichentrickstil besonders anfühlen.
Es gibt viele Spielmechaniken, die einem die Zeit über so gut wie möglich beschäftigen wollen. Zu allererst ist Ni No Kuni ein Creature Collector, denn man hat Familiars, mit denen man kämpfen kann. Für meinen Geschmack kam die Möglichkeit, die Monster, gegen die man kämpft, auch zu fangen etwas spät, dafür war ich dann aber auch – zum Beispiel im Vergleich mit Pokémon – gefühlt länger damit beschäftigt, ein wirklich fixes Team zu haben. Jeder Charakter kann drei Familiars haben, also hat man immerhin ein Team von 9! \o/ Im Kampf selbst nimmt immer nur eines davon, oder der Charakter selbst, teil, man ist also stets zu dritt. Die Steuerung ist dabei recht umständlich. Man kann jederzeit zwischen allem switchen, also von einem Monster von Oliver zu Swaine selbst und beliebig hin- und her. Alle möglichen Befehle werden durch eine Art Rad ausgewählt, man kann das allgemeine Verhalten des Teams angeben (All Out Attack oder Defense) und es ist gar nicht so leicht, die Übersicht zu bewahren. Die eigenen Finger sind eigentlich ständig beschäftigt.
Viele Leute kritisieren das Kampfsystem, und ich fand es jetzt auch nicht besonders spaßig (vor allem bei Bossen), aber ich habe genau deswegen auf Leicht gestellt und bin darüber auch sehr erleichtert (haha, erleichtert, versteht ihr?). Hätte sonst sein können, dass meine Wertung vielleicht doch einen Tick negativer wäre. Sehr gestört hat mich vor allem, dass bei den längeren Kämpfen zur Mechanik dazu gehört hat, dass man gegnerische Angriffe abbricht oder sich gegen sie verteidigt. Beides ist definitiv mit Oliver möglich, bei den Familiars sieht es anders aus – manche von ihnen können nicht mal verteidigen! Also hat es für mich wenig Sinn gemacht, bei sowas jemand anderen als Oliver zu steuern, meine Finger wären sonst niemals hinterher gekommen (manchmal habe ich nicht mal schnell genug das „Defense“ Command eingeben können). Und gleichzeitig sind aber die anderen Charaktere, wenn sie von der KI gesteuert werden, nicht besonders zuverlässig. Ich habe es als nicht ganz so schlimm empfunden, wie ich im Vorfeld gehört habe, weil zumindest bei mir Swaine und Esther wenigstens halbwegs ihre MP im Griff hatten und die Heilung zuverlässig war. Aber bei der Offensive haben sie schon echt versagt. Ich habe natürlich geschaut, dass ich alle Elemente und auch physische Angriffe mit meinen 9 Familiars irgendwie abdecke, aber die KI hat die Schwächen der Gegner meistens einfach ignoriert. Swaine schießt lieber jemanden mit seinem Revolver ab, statt dass er bei einem Eisviech sein Monster mit dem Feuerangriff benutzt. Deshalb haben Bosskämpfe auch öfter, selbst auf leicht, echt ewig gedauert . Oliver macht jetzt nie wirklich viel Schaden (außer ganz am Ende), und die anderen kann man halt sowieso vergessen.^^
Trotzdem mochte ich die Familiar-Aufzucht sehr, vor allem dass man sie für Stat-Boosts mit Süßigkeiten füttern kann und ihre Weiterentwicklung auf höchster Stufe sogar aus zwei Varianten wählen kann. Das hat mich alles sehr motiviert und ist damit rein vom Creature-Collector Aspekt her für mich wohl wirklich eines der besseren Spieler im Genre.
Neben den Kämpfen und der damit verbundenen Familiar-Fangerei und Aufzucht gibt es aber auch sonst noch einige Mechaniken, die das Gameplay bereichern (oder teilweise vielleicht auch etwas überfüllen). Oliver ist ja nun mal ein Zauberer, und kann natürlich vielerlei Zaubersprüche lernen. Ein paar davon lassen sich im Kampf nutzen, viele sind aber wirklich auch im normalen Verlauf nützlich (oder manchmal auch nur ein einziges Mal, weil den Entwicklern wahrscheinlich nicht noch mehr praktische Sprüche eingefallen sind – ich meine, wie oft lässt sich im Alltagsleben einsetzen, dass man sich in einem todesähnlichen Zustand befinden soll). So kann man versperrte Truhen öffnen (ein Klassiker), oder Brücken entstehen lassen, oder für eine Weile schweben, sich vor Feinden verbergen, Pflanzen wieder erblühen lassen und mit Geistern oder Tieren sprechen (das war natürlich mein Liebling).
Sehr wichtig ist neben Gateway (damit kann man jederzeit zwischen Motorville und der anderen Welt wechseln, was hin und wieder auch notwendig ist) „Take Heart“ und „Give Heart“. Shadar stiehlt ja den Bewohnern immer Teile ihres Herzens, und ihnen fehlen dann so Emotionen wie Enthusiasmus, Mut oder auch Liebe. Oliver kann Leuten, die diese Eigenschaften im Überschuss haben, einen Teil davon entziehen (was im Spiel als sehr angenehme Prozedur beschrieben wird) und anderen übergeben, um sie wieder „ganz“ zu machen. Das ist ein wichtiger Storypunkt, es gibt aber auch viele Sidequests, in denen man Emotionen hin- und herschieben muss. Die habe ich auch am öftesten gemacht, weil sie einfach sind und die Vorstellung, diesen Menschen emotional zu helfen besser ist (wenn auch erzähltechnisch an sich nie was Besonderes), als dem random Typen an der Ecke sein blödes Tagebuch aus dem Sumpf zu holen.
Also ja, es gibt auch viele Sidequests, für die man neben Items und Geld auch Stempel als Belohnungen erhält, und die zugehörigen Stempelkarten kann man wiederum gegen Boni austauschen. Zum Beispiel für mehr EXP oder besser Belohnungen vom Foragen. Jaaa, man kann auch Zutaten auf der Welt sammeln, und mit diesen in einem magischen Kessel allerlei Dinge zusammenmischen. Puuh, ich bin schon ganz außer Atem bei all diesen Mechaniken.
Bestimmt habe ich auch noch ein paar Kleinigkeiten vergessen, zum Beispiel das man in seinem treuen Zauberbuch nicht nur Sprüche, sondern auch Geschichten sammelt. Die wichtigsten Dinge habe ich aber wohl hoffentlich abgedeckt, und sie greifen auch alle überraschend gut ineinander. Sie sind sicher nicht alle notwendig, und man kann sie teilweise auch gut ignorieren, aber sie erzeugen schon ein Gefühl von „Beschäftigung“. Mir war jedenfalls eigentlich nie langweilig, was im Vergleich zu meinen Freunden eben schon einiges aussagt.
Insgesamt mochte ich also vor allem die Atmosphäre, war an den unterschiedlichen Monstern der Welt zum Fangen und Trainieren echt interessiert, habe lang gestreckte Stellen gut ertragen können, habe mich durchgehend unterhalten gefühlt, und war am meisten genervt von den Bosskämpfen. Ni No Kuni war für mich ein solides RPG, das ich durchaus gern mag, auch wenn es jetzt nicht in meinen Toplisten landen wird. Aber ich bereue die Zeit überhaupt nicht, die ich damit verbracht habe.
Außer vielleicht gaaanz am Ende. Es hätte wirklich nach dem Kampf gegen Shadar einfach aufhören sollen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen