Dienstag, 12. Mai 2020

Neverwinter Nights

Das erste West-RPG das ich je gespielt habe war ja Neverwinter Nights 2. Danach folgte noch die Erweiterung Mask of the Betrayer, und das wars dann auch schon an meinen Erfahrungen mit dem Genre. Diese waren damals aber ziemlich einzigartig für mich, und es ist für niemanden meiner Freunde ein Geheimnis, wie sehr ich diese beiden Kampagnen geliebt habe.
Es war also nur natürliches Interesse, dass ich auch in den Vorgänger hineinschauen wollte, auch wenn ich bereits gehört hatte, dass dieser… anders sein soll. Also, vor allem in Bezug auf die Begleiter und die Party allgemein, was ja schon so ziemlich die Hauptmotivation im zweiten Teil für mich war. Aber ich dachte auch, so lange ich in einer weitschichtigen Story viele Entscheidungen treffen kann und das Kampfsystem Spaß macht würde das schon hinhauen. Ich wollte einfach unbedingt sehen wo eines meiner absoluten Lieblingsspiele seine Wurzeln hatte.
Und ich kann schon mal vorwegnehmen, dass ich größtenteils eine ziemlich gute Zeit hatte, das aber vermutlich schon auch der Tatsache geschuldet ist, dass ich nicht viele West RPGs kenne und selbst gespielt habe. Weil eigentlich hat Neverwinter Nights ziemlich viele Schwächen, auch wenn es für die damalige Zeit anscheinend relativ bahnbrechend war. Aber das war eher in Bezug auf die sehr auf einen Spieler fokussierte Welt, die eher für Multiplayer-Action konzipiert war (weshalb man nur einen NPC Begleiter wählen kann), und auch für zahlreiche Modifikationen von Spielern selbst. Dazu muss ich auch sagen, dass ich die ursprüngliche Version gespielt habe, die damals 2002 erschienen ist und auf GOG erwerbbar war – als ich das gekauft habe gab es noch keine Enhanced Edition. 
Außerdem Achtung: Es hat irgendwie nicht funktioniert Screenshots zu machen, weshalb ich immer mal wieder meinen Bildschirm schlecht abfotografiert habe - ich bestehe aber darauf diese eigenen Bilder zu benutzen.^^" 

Jetzt aber los. Sehr schön fand ich, dass die namensgebende Stadt Neverwinter das Setting darstellt, bzw. Schauplatz des ganzen ersten Akts und dann auch noch des letzten Aktes ist. Ehrlich gesagt erinnere ich mich an die Stadt im zweiten Teil überhaupt nicht, weil es damals für mich trotz des Namens wohl nur ein besonderer Ort von sehr vielen war. Dabei gab es dort offenbar einige Überschneidungen – zum Beispiel immer noch denselben Herrscher im Schloss.
Im ersten Teil dient Neverwinter jedenfalls als Heimat und Basis, die man im ersten Akt ausgiebig erkundet.

Grundsätzlich geht es in dem Spiel um eine Seuche, die die einst prächtige Stadt heimsucht und völlig lahmlegt. Die Bevölkerung wird nicht nur langsam dahingerafft, der Ausnahmezustand gibt einigen finsteren Gestalten auch die Möglichkeit Unruhe zu stiften oder ihre eigenen bösen Ziele zu verfolgen.
Man beginnt das Abenteuer als Rekrut im Dienste des Herrschers und muss seinen quasi Vorgesetzten helfen, die sogenannten „Waterdhavian Creatures“ wieder zu finden. Diese sind besondere Kreaturen, mit deren Hilfe man ein Heilmittel gegen die Plage herstellen könnte, allerdings wurden alle vier von jemandem freigelassen, der offenbar von der Seuche profitieren will. Natürlich weiß man lange nicht, welch finstere Pläne hinter alledem stecken, und darf erst mal alle Viertel von Neverwinter erkunden, wo sich in jedem praktischerweise eine der Kreaturen versteckt hält.
Ich mochte diesen klaren Aufbau eigentlich sehr. Beim Schloss hatte ich meine Basis mit den wichtigsten Einrichtungen und vier Himmelsrichtungen, in die ich gehen konnte. Alle Stadtteile sind klar abgegrenzt mit eigenen Quests und Geheimnissen, und natürlich einer der Kreaturen.
Dieser Aufbau zieht sich durch alle drei Hauptakte des Spiels (der vierte Akt ist „nur“ ein etwa zwei Stunden langes Finale). Es gibt als Hauptquest immer in mehreren Gebieten rund um eine Basis etwas zu sammeln – ob es nun Informationen oder magische Artefakte sind – und wenn man alles beisammen hat gibt es noch einen kurzen Final-Teil in jedem Akt. Auf diese Art und Weise ist es ziemlich einfach so gut wie alle Sidequests auch mitzunehmen. Wenn man alles ausgiebig erkundet kann man meist alle Aufgaben lösen, weil es so leicht ist die Übersicht zu bewahren.
Viele Quests sind dabei auch ganz interessant und beinhalten verschiedene Lösungswege, obwohl meist die Wahl hauptsächlich zwischen zwei Dingen besteht: Gnade walten lassen/mit jemandem sprechen/jemanden frei lassen ODER die Person töten. Dies fühlt sich aber aufgrund der vielen verschiedenen Gebiete und der ausgiebigen Dialoge trotzdem fast nie langweilig an. Die Welt und die Charaktere sind auf jeden Fall interessant und es gibt durchaus den ein oder anderen dramatischen Moment (vor allem am Ende des jeweiligen Aktes), sodass ich durchaus wissen wollte wie alles zu Ende geht. Und den ein oder anderen Verräter ermeucheln wollte. Ich war zwar emotional nie wirklich investiert, aber habe mich trotzdem über die 60 Stunden ausreichend unterhalten gefühlt.

Was es mir dann trotzdem etwas schwer gemacht hat waren vor allem zwei Dinge.
Erstens hatte ich unglaublich viele Abstürze und ein paar Bugs. Im zweiten, dem mit Abstand längstem, Akt war es am schlimmsten. Aus einem Gebiet konnte ich gar nicht mehr raus ohne dass das Spiel abgestürzt ist, und manchmal konnte ich Speicherstände nicht laden, die daraufhin dann einfach verschwunden waren. Auch das Starten verlief nicht immer einwandfrei – ich brauchte oft mehrere Versuche, bis sich die Datei mal dazu bequemt hat sich auch zu starten oder sich nicht gleich aufzuhängen (und ich konnte sie auch nicht über den GOG Client starten). Bestimmt ist das bei der Enhanced Edition besser, und zusätzlich wurden diese Probleme ab Akt 3 auch tatsächlich immer seltener.
Worunter ich als zweites auch schwer gelitten habe ist das Looten. Es gibt extrem viele Kisten, Truhen, tote Körper und Steinhaufen zu durchsuchen, aber die Belohnungen lohnen sich immer weniger. Zu Beginn hat es mir Spaß gemacht alles einzusacken, weil es alleine schon wichtig ist, an genug Geld zu kommen. Aber je weiter ich im Spiel gekommen bin desto unwichtiger wurden die gefundenen Gegenstände. Geld hatte ich nach einer Weile genug, und als Ranger & Rogue konnte ich mit den meisten Zaubern (die man zu Hauf findet) nichts anfangen. Tränke und Munition für meinen Bogen konnte ich noch gut brauchen, aber davon gab es jetzt auch nie annähernd eine Knappheit. Das, was für mich am interessantesten ist – und zwar Ausrüstung zum Anlegen – findet man relativ selten, und wenn dann oft einfach für eine andere Klasse oder in schlechterem Zustand als das, das man bereits seit 20 Stunden trägt.
Gegen Ende hat mich jede Truhe schon so angeödet, ich musste sie aber trotzdem alle durchforsten wenn ich die Henchmen-Quests lösen wollte.

Also ja, jetzt kommen wir wieder zu etwas Positiveren: Die Partymitglieder. Der Hauptgrund warum ich einen Ranger gespielt habe war der Tierbegleiter, den man nach einer Weile bekommt. Denn man kann nur einen anderen Charakter in die Schlachten mitnehmen. Eine größere Party gibt es nicht, und Interaktionen unter den Begleitern erst recht nicht. Ich hatte durch meine Klasse dann trotzdem eine Gruppe mit vier Mitgliedern (den automatischen Tierbegleiter und einen weiteren, den ich durch einen Zauber bekommen habe), aber natürlich hatten zumindest zwei davon keine wirkliche Persönlichkeit.
Die Begleiter aus denen man seinen einen Auserwählten aussuchen konnte waren aber alle ganz cool. Man merkt zwar, dass in dem Spiel der Fokus nun mal nicht auf den NPCs liegt, aber sie sind wenigstens nicht ganz seelenlos. Sie alle haben wenigstens eine ganz eigene Geschichte, die sich durch die Akte zieht aber eben nur fortgesetzt wird, wenn man auch die dazugehörigen Quests erledigt. Diese bestehen eigentlich nur daraus, den Begleitern einen bestimmten Gegenstand zu geben, den man vermutlich schon irgendwo zufällig aufgesammelt hat (eben deshalb musste ich weiter fleißig looten), aber die dazugehörigen Geschichten sind eben wirklich ganz cool. Und man will natürlich immer wieder bei allen weiterkommen, auch wenn man in den letzten Akt dann offenbar nur einen Charakter mitnehmen kann und keine Wahl mehr hat. Zum Glück hatte ich mich bereits gegen Ende von Akt 2 für einen fixen Mitstreiter entschieden und hatte sowieso immer nur noch den dabei. Auch wenn die „Henchmen“ mit dem eigenen Charakter mitleveln wäre es trotzdem ziemlich kacke gewesen, am Ende unabsichtlich mit jemand anderem dazustehen, der sich (im Kampf) gar nicht mit meinem Protagonisten ergänzt.

Aber ja, vom Kampf bzw. überhaupt dem Gameplay habe ich ja noch gar nicht gesprochen. Neverwinter Nights basiert auf der 3. Edition des Pen & Papers Dungeons und Dragons. Das heißt, dass auf alle möglichen Aktionen gewürfelt wird, und man je nach Werten bessere oder schlechtere Chancen auf Erfolg hat. Der Charakter, den man sich anfangs völlig frei erstellen kann (Rasse, Klasse, Geschlecht, etc….) hat Grundwerte wie Stärke, Intelligenz oder Charisma, und je mehr Punkte man in diesen hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für bessere Würfelergebnisse. Diese Werte werden hauptsächlich durch die ausgewählte Klasse determiniert und lassen sich nur äußerst selten steigern.
Jeder Charakter hat auch noch eine große Auswahl an Fertigkeiten, in die man ebenfalls Punkte investieren kann, was bei jedem Level-Up möglich ist. Je nach Klasse muss man für diese dann mehr oder weniger ausgeben – ein Ranger darf zum Beispiel „Tierverständnis“ für einen Punkt aufleveln, muss aber zwei Punkte für eine Steigerung bei „Schlösser knacken“ aufwenden (was ich aus Erfahrung weiß und deshalb später als zweite Klasse dann den Dieb gewählt habe ;0). Die Fertigkeiten korrespondieren auch mit den Hauptattributen, mit mehr Charisma kann man zum Beispiel noch besser Leute „Überzeugen“, obwohl sich das eben auch einzeln steigern lässt.
Darüber hinaus gibt es aber auch noch speziellere Fähigkeiten, die beispielsweise für das Tragen bestimmter Waffen notwendig sind (wenn man mal etwas Exotischeres als Schwerter probieren will), oder die Geschwindigkeit mit der Armbrust erhöht, wo diese sonst eigentlich deutlich langsamer ist als der Kampf mit einem Bogen.
Also ja, es gibt viel zu tun und viel zu tüfteln. Man muss aber nicht. Bei jedem Level-Up kann man auch einfach auf „Empfohlen“ klicken und das nehmen, was das System für die ausgewählte Klasse vorschlägt. Das funktioniert meines Erachtens nach auch ganz gut.

Kämpfe laufen versteckt rundenbasiert ab. Also wenn man einen Gegner angreift wird gewürfelt ob man trifft und wieviel Schaden man macht, und jede Aktion dauert halt so ein Weilchen. Zwischendurch kann man natürlich zaubern, heilen und Tränke trinken, aber auch das läuft nach einem bestimmten Zeitmuster ab. Wenn einem die Action trotzdem mal zu hektisch wird, kann man auch immer noch das Spiel kurz pausieren, um sich zu orientieren oder Aktionen auszuwählen, da diese auch der Reihe nach gespeichert und ausgeführt werden.
Naja, prinzipiell kann sich jeder, der Erfahrung mit West-RPGs Erfahrung hat ganz gut vorstellen wovon ich rede. Taktisch ist hier auf jeden Fall so einiges möglich, auch wenn ich mich eigentlich hauptsächlich auf meine Begleiter verlassen und einfach aus der Ferne mit Pfeilen geschossen habe. Hier habe ich definitiv auch gemerkt, wie ich mit steigendem Level wirklich exorbitant besser geworden bin. Während ich anfangs kaum getroffen habe und oft dödelig in der Gegend rumstand, konnte ich später sogar Gegnern im Nahkampf gegenüber treten und ihren Schlägen oft ausweichen, während ich immer noch mit Pfeil und Bogen ausgerüstet war. Es hätte viel mehr Möglichkeiten für mich gegeben, aber ich muss zugeben, dass ich am Anfang nicht wirklich verstanden habe was ich alles machen kann. Und später war es nicht mehr wirklich nötig.^^
Obwohl das Spiel sicher nicht einfach ist. Einige Gegner sind richtig hart, und manche Aufgaben richtige Knobeleien. Spätestens als ich mich am Ende von Akt 2 aber für Grimgnaw als fixen Mitstreiter entschieden hatte waren meine Aussichten immer relativ gut, weil ich dann halt auch viel Zeit hatte mich an mein Team aus ihm, meiner Puma-Dame Darlene und dem namenlosen beschwörbaren Dire Wolf zu gewöhnen und damit effektiv zu werden. Wobei das immer noch relativ ist, da die KI der Mitstreiter nicht selten ziemlich bescheuert ist. Meine Leute sind meist irgendwo hängen geblieben oder in Fallen gerannt, aber ich habe auch gelesen, dass vor allem Magier-Begleiter sich ein wenig dämlich verhalten.

Und da wir schon mal bei „mir“ sind: Ich habe eine Halbelfin namens Florabelle Zyno gespielt (fragt mich nicht woher ich den Namen hatte, ich habe das Spiel im Jahr 2017 angefangen und weiß nicht mehr was mich da geritten hat). Am Ende war ich ein Ranger Lvl. 13 und ein Dieb Lvl. 3. Als Alignment habe ich zu Beginn Neutral-Good gewählt und bin das auch geblieben, wobei ich schon etwas mehr in Richtung „gut“ gedriftet bin. Meine bevorzugte Waffe war der Langbogen, auch wenn ich zwischenzeitlich öfter ein bisschen mit einer Armbrust rumgelaufen bin. Das wars aber dann auch schon wieder von meinem Charakter, da es viele kleine, aber nur wenige wirklich große Entscheidungen gibt die ich jetzt herausheben könnte. Zumindest hatte ich das Gefühl. Aber hey, ich habe die Verräterin Aribeth getötet ohne überhaupt zu probieren sie wieder auf unsere Seite zu ziehen - das ist das, was mir so im Nachhinein am wichtigsten erscheint. Oder mir zumindest am ehesten im Gedächtnis geblieben ist. 

Und ich glaube viel mehr gibt es nicht mehr zu sagen. Neverwinter Nights ist okay, vor allem wenn man an West-RPGs noch nicht übersättigt ist, aber fühlt sich nach einer Weile schon oft auch repetitiv an. Zumindest wenn man alleine spielt. Schöne oder spannende Interaktionen zwischen Charakteren sucht man vergebens, aber trotzdem mochte ich die großen und kleinen Geschichten, die mir in Neverwinter und darum herum präsentiert wurden. Da es aber so viele Alternativen in dem Genre gibt würde ich das Spiel nicht weiter empfehlen. Ich hatte aber über weite Strecken trotzdem eine ganz nette Zeit damit.

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