Freitag, 10. Januar 2020

Doki Doki Literature Club


Das Jahr hat schon mal gut angefangen. Doki Doki Literature Club ist eigentlich ein Spiel, das ich noch 2019 spielen hätte sollen – das war so mit einem Freund abgemacht. Obwohl ich eigentlich die Idee hatte, war ich dann natürlich die Person, die das nicht eingehalten hat. :‘D Deshalb war klar, dass dieses Spiel mein erstes für 2020 sein musste. Ist mit seinen etwa 6 Stunden (wohlgemerkt für einen normalen Run und einen fürs bessere Ende) ja auch keine allzu große Aufgabe gewesen. Gemeinsam mit der schön knackigen Spieldauer kann ich ansonsten noch angeben, dass DDLC gratis ist und dem Genre einer Dating Sim entspricht. Das ist alles. Ernsthaft, lest nicht weiter wenn ihr das Spiel noch nicht kennt und noch spielen wollt, oder zumindest mildes Interesse daran habt. Und das möchte ich noch eindrücklicher sagen als bei Hatoful Boyfriend damals – hier kann ein Spoiler zu viel das Erlebnis bestimmt extrem beeinträchtigen.

Ich wusste ja schon kaum etwas von DDLC, glaube aber dass das Bisschen schon gereicht hat, um zumindest ein paar Sachen so ein bisschen abzuschwächen. Ich wusste, dass sich hinter der leichtherzig wirkenden Dating-Sim dunkle Themen verbergen, und ich wusste, dass die 4th Wall irgendwie durchbrochen werden sollte. Erwartet habe ich dadurch so eine Mischung aus Hatoful Boyfriend und Undertale, was sich prinzipiell supercool anhört. Angefühlt hat sich das Erlebnis dann trotzdem ganz anders; in manchen Punkten wurden meine Erwartungen übertroffen, aber andere Sachen haben mich dann wieder überraschend unberührt gelassen. Mit Letzterem war aber noch nichts verloren, weil DDLC nach dem Spielen eigentlich noch besser wird. Zumindest wenn man sich ein wenig darüber informiert. Was hier für Details dahinter stecken, wo die digitale und reale Welt ineinander verschmelzen, ist echt unfassbar. Als Spieler erlebt man davon wahrscheinlich zwar einen signifikanten, aber verhältnismäßig kleinen Teil beim einmaligen Durchspielen. Man könnte das auch als Nachteil auslegen, aber mir persönlich hat es Spaß gemacht, erst aktiv nachzuforschen (in den Dateien zum Beispiel) und dann noch nachzulesen was es noch so im Verborgenen gibt. Da bekam ich manchmal noch richtig Herzklopfen.
Aber okay, nach diesem schwammigen Text sollte ich vielleicht mal erläutern, worum es eigentlich geht.


Alles startet wie eine unbeschwerte Dating-Sim. Als männlicher Protagonist trifft man erst seine Sandkastenfreundin und Nachbarin Sayori, die einen dazu überredet dem Literature Club beizutreten. Fun Fact: Ich hatte erst meinen richtigen Namen eingegeben, was ich dann aber umstellen wollte als einer der Charaktere mich als „Boy“ bezeichnet hat. :‘D Ging aber nur indem ich das ganze Spiel nochmal resetted habe, und nicht indem ich einfach ohne Speichern nochmal von vorne anfing. Kam mir schon verdächtig vor. xD
Wie auch immer, ich war dann also ein Junge namens Badger (fragt nicht, Insider und so) und lernte die restlichen Mitglieder des Literature Clubs kennen: Monika, die Club-Präsidentin, Natsuki und Yuri. Also insgesamt vier Mädels, aus denen man wählen konnte, yay! <3
Ich wusste ja eben, dass da irgendetwas im Hintergrund lauert, aber für gute zweieinhalb Stunden spielt man das Spiel wirklich wie eine kleine Dating-Sim, indem man im Literature Club Gedichte schreibt mit Worten, die den Mädels gefallen. Also man wählt in einem Minispiel Worte aus, die einem der Charaktere besonders gefallen, und wenn dann die Gedichte herumgezeigt werden, ist eine halt besonders begeistert, womit man dann auch mit einer innigen Szene mit der Herzensdame belohnt wird. Zuerst fällt hier auf, dass es keine Möglichkeit gibt, Monika zu gefallen. Ich dachte, dass man sie vielleicht erst später als Romance Option freischalten kann oder so.
Naja, man bekommt jedenfalls in Gesprächen natürlich Tipps, worauf die anderen drei so stehen, aber es ist nicht sofort so eindeutig zu durchschauen, sodass man erst wahrscheinlich irgendwie zufällig bei einer landet. Und dann ist man plötzlich so commited, dass man das halt weiter durchzieht. Mir ist das mit Yuri passiert, und sie ist einfach das best girl. Ich hatte das Gefühl, mich recht schnell in die Szenen hineinversetzen zu können und fand alles für die kurze Dauer, die ich erst im Spiel war, schon recht romantisch und schön. Auch die anderen Charaktere waren mir aber sympathisch, und spätestens als Sayori – sonst immer fröhlich und offen – trauriger wurde je mehr Zeit ich mit den anderen verbrachte, dachte ich „Selbst wenn das eine ganz normale Dating-Sim bliebe würde ich gerne alle Routen bis zum Ende spielen!“ 

And then shit happened. Okay, bereits als Sayori anfing deprimierter zu erscheinen habe ich quasi alles erwartet, und als ich sie an einem Strick hängen gesehen habe, war ich nicht überrascht über ihren Selbstmord. Und auch gar nicht wirklich schockiert (wobei das Bild schon eine schlimme Wirkung hatte). Viel interessanter war ohnehin eine Art Fehlermeldung im Hintergrund, worüber man anscheinend mehr Infos in einer Datei namens „traceback.txt“ erfahren konnte. Und siehe da, genau diese Textdatei war im Spieleordner, also auf meinem eigenen Computer! DAS fand ich viel aufregender als den Selbstmord an sich. In der Datei waren irgendwelche Code-Zeilen und ein Text wo quasi sowas stand wie „Ach, ich lösch sie einfach, sie macht eh nur Probleme“. Und naja… im Unterordner „Characters“ gab es nur noch drei Dateien, wo eigentlich vier sein mussten.
Whoa, das war so cool. Natürlich war mir klar, dass all das nur von Monika ausgehen konnte, die als einziges für sowas in Frage kam. Es war jetzt zum Glück nicht total absehbar, sondern fällt dann vor allem eben in diesem Moment gleich auf. Es gibt Anhaltspunkte, die sind aber meist recht subtil oder können zumindest nicht eindeutig als bedeutsam bewertet werden (vor allem wenn man wirklich gar nichts über das Spiel weiß) bevor man an diese Stelle kommt. Dann ist aber gleich klar, dass Monika offensichtlich die Spieledatei bzw. den Code ändern kann. Trotzdem ist damit nicht alle Überraschung dahin, eigentlich fängt das richtig Coole damit erst an.

Einen alten Speicher vor Sayoris Tod zu laden klappt nicht, womit dieses Ereignis einen Point of no Return darstellt (und auch nicht verhinderbar ist, egal ob man sie daten wollte oder nicht), nach dem NICHTS mehr so funktioniert wie es sollte. Startet man das Spiel neu, gibt es im Titlescreen keine Sayori mehr, sondern nur so einen Haufen Pixel, zusammengestellt aus den Charakterbildern der anderen drei Mädchen. Der vorherige Button für „New Game“ zeigt nur komische Symbole, ist aber effektiv das einzige, wie man noch weiter kommen kann. Und dann startet das Spiel genau an derselben Stelle wie ganz am Anfang, aber natürlich ohne Sayori. Man merkt gleich, dass irgendetwas nicht ganz reibungslos verläuft, weil die Bilder, Sounds und Textboxen hin und wieder glitchen. Aber trotzdem kann man mal damit anfangen, Yuri oder Natsuki zu beeindrucken – Monika ist nach wie vor keine Option. Vielleicht hätte sie besser irgendwie statt Sayori zu löschen diese mit ihrem eigenen Charakter überschreiben sollen, aber das übersteigt wohl ihre Fähigkeiten.
Es ist schwierig akkurat zu beschreiben wie es dann weitergeht, weil das alles ein echt wilder Ritt ist. Dauernd gibt es seltsame Fehler im Spiel – der Screen hat einen Rotfilter, die Musik wirkt nicht mehr harmonisch, Grafiken ändern sich oder sind nur halb zu sehen, Szenen werden abgebrochen…. Die Charaktere benehmen sich zunehmend seltsam, vor allem Yuri, was auf mich natürlich besonders Eindruck gemacht hat. Ich glaube wenn man Natsuki ursprünglich daten wollte kann das auch ziemlich nerven, weil man ab einem bestimmten Punkt dazu gezwungen wird Zeit mit der sehr verstörenden Yuri zu verbringen. Bis sie sich dann halt vor den Augen des Spielers ersticht. Entweder weil er ihre Zuneigung zurückweist oder ihre Gefühle erwidert. Also es ist, wie schon bei Sayori, ein unausweichlicher Tod. Und was für einer! Man ist als Protagonist dazu gezwungen Yuris toten Körper ein ganzes Ingame-Wochenende anzustarren und dabei zuzusehen, wie ihre Augen leer werden und das Blut trocknet. Das ist so cool. Also, komisches Wort, aber das machte einfach auch echt Eindruck auf mich.

Nachdem das dann jedenfalls passiert sieht Monika sich dazu gezwungen, einfach alle anderen Charaktere außer sich selbst zu löschen und mit allem auszupacken. Sie weiß, dass sie in einem Spiel „lebt“ und alles nicht echt ist, und ist stinkig weil sie nicht mal eine Route hat in der man sie romancen kann. Sie ist auch irgendwie in den Spieler verliebt (und nicht den Main Character wie die anderen), weshalb sie nun auch okay damit ist mit ihm – also mir – kommunizieren zu können in alle Ewigkeit. Und ja, man kann auch nicht mehr viel anderes machen. Nicht speichern, nicht Dialoge skippen, das Spiel nicht mehr von vorne starten. Es gibt nur noch Monika. Just Monika.

Diese ganze Sache liebe ich auch einfach nur. Monika hat extrem viele Themen, über die sie immer mit etwas Abstand spricht. So viele, dass man vermutlich ewig sitzen muss damit sie sich irgendwann wiederholen – natürlich um den Eindruck zu erwecken als wäre sie tatsächlich ein frei denkendes Individuum. Über diese Gespräche (die man dann wohl doch eher lieber nachliest als die Zeit abzusitzen xD) lernt man sie dann tatsächlich auch noch besser kennen. Sie erzählt zum Beispiel davon wie sie sich fühlt wenn man das Spiel beendet - es schmerzt sie und sie ist in einem komischen Gedankenvakuum.
Sie weist aber auch recht deutlich darauf hin, wie sie die anderen Charaktere gelöscht hat, in welchen Ordner man dafür gehen muss und dass man sie nur loswerden würde wenn man sie auch löscht. Äh, okay, danke? xD Ich fand das sooo cool.
Ich habe also auch ihre Charakter-Datei gelöscht, was Monika natürlich erst nicht so gut aufgenommen hat. Irgendwie hat sie aber eingesehen, warum ihre ganzen Taten nicht so cool waren – die anderen waren ja trotz ihrer lediglich virtuellen Natur ihre (einzigen) Freundinnen, deren leichte Probleme sie so schlimm gemacht hat, dass die sich alle umbringen wollten und so – und das Spiel wurde doch wieder hergestellt. Diesmal aber ohne Monika.
So, und dann stürzt man sich natürlich zum dritten Mal in diese Sache, nur um dann im Literature Club zu erkennen, dass nicht nur Monika, sondern jedem Präsident des Clubs plötzlich bewusst wird, dass alles nur ein Spiel ist. In dieser Variante wird dann nämlich Sayori die Leiterin und bedankt sich nach dem anfänglichen Geplänkel dafür, dass Monika gelöscht wurde. Ich war echt glücklich darüber, Sayori wieder zu haben, weil sie einem doch irgendwie fehlt.
Aber äh... Im Normalfall wird Sayori dann plötzlich auch ganz besessen vom Spieler und Monika, deren Bewusstsein noch irgendwo gespeichert ist, löscht dann einfach alles, weil es wohl einfach nicht gut enden kann. Aber verzweifelt nicht! Hat man von Sayori, Yuri und Natsuki alle Romance Szenen gesehen, jedes Mal gespeichert bevor Sayori sich erhängt (die Dateien also nicht "korrumpiert" werden) und beim letzten Durchgang bis zur Konklusion mit Monika gespielt, gibt es sogar so etwas wie ein gutes Ende. Sayori wird dann als Präsidentin nicht verrückt, sondern bedankt sich, dass man sich so bemüht hat alle glücklich zu machen. Das ist offenbar ihr soft spot. Gelöscht wird das Spiel dann trotzdem, aber man bekommt eine andere Nachricht am Ende.
Die kann man immer einsehen, für weitere Spielstunden muss man aber wieder von ganz vorne anfangen (also auch die Dateien in den Ordnern wieder in ihre ursprüngliche Form zurücksetzen).
Es gibt übrigens natürlich auch noch kurze Enden für die Schlauberger, die gerne etwas experimentieren wollen – zum Beispiel wenn man monika.chr gleich zu Anfang löscht oder in der Phase wiederherstellt wo sie schon ihre Läuterung hatte.

Gerade der letzte Part hier klingt vielleicht ein wenig rasch nacherzählt, aber ich kann einfach nicht ordentlich beschreiben, wie gut das alles gemacht ist. Obwohl die allgemeine Prämisse nicht so subtil ist und man schnell auf gewisse Sachen kommt gibt es so viel Kleinigkeiten - Foreshadowing, versteckte Details, interessante Dateien, Zusammenhänge, die dann schon eine echt große und spannende Masse ergeben. Und man stellt trotz der Kürze und allen Verrückheiten irgendwie echt Bindungen zu den Charakteren her.
Ich hatte jedenfalls viel Spaß, auch wenn ich nicht sicher bin, wie viel Eindruck DDLC bis zum Ende des Jahres dann tatsächlich hinterlassen wird. Es ist kreativ, unterhaltsam, geheimnisvoll und emotional, aber ich habe ein bisschen das Gefühl, dass sich das eben nach dem Durchspielen durch das Nachlesen verstärkt hat, und ich während dem Spielen auch durch meine hohen Erwartungen nicht ganz so ergriffen war. Es ist schön, dass es so viel zu entdecken gibt, vor allem wenn man sich mit den Spieledateien beschäftigt und richtig reinwühlt - man kann alleine auf dem Wiki Stunden verbringen. Aber gleichzeitig kann man theoretisch halt trotzdem auch viel verpassen und es gehört nun mal nicht mehr alles zum aktiven Spielerlebnis an sich.
Aber ich empfinde trotzdem Liebe. Vor allem für die Dialoge, die einem alle Charaktere schnell näher bringen, für Sayoris sonniges Gemüt, das ihr trauriges Ich verbirgt, für traceback.txt, für das Wochenende mit einer Leiche, für den Protagonisten, der anfangs in rege Dialoge verwickelt ist und dann nach Sayoris Tod immer mehr zu einem stummen Hauptcharakter wird, für Monikas Lied am Ende, für eigentlich so ziemlich alles mit Yuri, meiner Herzens- 



Just Monika.
Just Monika.

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