Montag, 25. September 2017

Ghost Trick: Phantom Detektiv


Wenn dieses Jahr nicht noch irgendetwas überraschend Großartiges passiert, dann werde ich gleich mein voraussichtliches Spiel des Jahres beschreiben. ;) Dabei wirkt Ghost Trick auf den ersten Blick eher wie ein Titel, den man zwischendurch mal spielt um Spaß zu haben und ihn dann wieder wegzulegen. Ich wusste zwar von diversen Leuten, dass hier allgemein eine positive Meinung vorherrscht, aber das heißt ja nicht unbedingt immer etwas - außer dass die Erwartung weiter steigt.
Am Ende wurde ich dann auch wirklich überrascht, allerdings eher in die Richtung, dass ich noch begeisterter war, als ich gedacht hätte.^^ Aber bevor ich in Lobeshymnen ausbreche werde ich das Spiel einmal allgemein beschreiben, da es wieder mal so ein Titel ist, bei dem man nichts spoilern sollte. Danach kommt dann aber noch ein Teil mit Spoilern für diejenigen, die wissen wovon ich schreibe, und vor dem Unwissende zu lesen aufhören sollten.

Grundsätzlich spielt man in Ghost Trick einen Kerl namens Sissel, der zu Beginn des Spiels stirbt und als Geist weiter existiert. Er weiß aber nicht mehr, wer er zu Lebzeiten war und warum er ermordet wurde, was es nun gilt innerhalb einer Nacht herauszufinden, da Geister offenbar nur bis zum nächsten Morgengrauen in der Welt der Lebenden bleiben. Hilfreich sind dabei Sissels spezielle Geisterkräfte, mit denen er Besitz von Gegenständen ergreifen kann, um diese zu manipulieren oder sich fortzubewegen. Außerdem kann er durch Telefonleitungen reisen und die Zeit zurückdrehen - Letzteres nur, wenn jemand anderes gestorben ist. Dann kann er nämlich Besitz vom toten Körper ergreifen und zurückreisen bis zum Zeitpunkt vier Minuten vor dem Tod der Person. Es ist also natürlich ein wichtiges Element, Leuten das Leben zu retten, indem man Hergänge in der Vergangenheit mit Hilfe der anderen Kräfte so ändert, dass die Ereignisse sich ändern - und dabei etwas über Sissel herauszufinden.

Es handelt sich also vorrangig um ein Rätselspiel, bei dem man die Umgebung mit diversen Vorteilen und Einschränkungen eines Geists nutzen muss, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Der untere Bildschirm des DS zeigt immer das aktuelle Geschehen und den zu erkundene Schauplatz. Der obere Screen gibt nur zusätzlich Informationen zu den Gegenständen, in denen man sich gerade befindet. Sissel kann nämlich nirgends einfach hingehen - seine Seele sich kann nur durch herumliegendes- oder stehendes Inventar der einzelnen Umgebungen bewegen, und das auch nur in einer begrenzten Entfernung. Um das zu tun benutzt man die Geisterwelt - mit einem einfachen Klick wechselt man in eine andere Ansicht, wo besetzbare Objekte blau glühen. Dort steht praktischerweise auch die Zeit still, während man aber dafür nicht den ganzen Screen erkunden kann sondern nur die Umgebung in der man unmittelbar ist.
Man verbringt also viel Zeit damit, einen Weg zu finden, damit man beispielsweise Gespräche belauschen oder neue Locations erkunden kann. Oft zählt hier auch der Moment, weil einige Gegenstände sich bewegen oder bewegen lassen. So besetzt man zum Beispiel einen Ventilator, den man anschaltet, um eine schlaffe Fahne auf einer Fahnenstange zum Wehen zu bringen, auf die man dann schnell genug springen muss bevor sie zu weit weg ist. Angenehm ist hierbei, dass in der Gegenwart dafür gesorgt wurde, dass man sich nie in einer Sackgasse befindet, und in der Vergangenheit (also in diesen vier Minuten vor dem Tod von jemandem) lässt sich jederzeit die Zeit zurückdrehen. Das vermeidet Frust, obwohl das ganze Prinzip vor allem später schon auch ein bisschen Trial and Error ist, weil man erst einmal ergründen muss, welche Kettenreaktionen sich durch bestimmte Aktionen ergeben.

Außerdem ergeben sich mit fortlaufendem Spielverlauf neue Möglichkeiten Kräfte zu nutzen, wodurch sich das Prinzip durch die ganzen 18 Kapitel niemals wirklich abnutzt. Auch ein ansteigender Schwierigkeitsgrad lässt sich dadurch erkennen, wodurch das Spiel stellenweise wirklich fordernd wird, aber nie ZU schwer wenn man einigermaßen logisch denkt. Ich war trotzdem nicht immer mit voller Freude beim Rätseln, einfach weil die Geschichte dann so unglaublich an Fahrt aufnimmt, dass ich die auch ohne Gameplay schön durchleben hätte können und manche Rätselpassagen dafür etwas zu ausufernd waren.
Präsentiert wird die ganze Story nämlich mit viel Humor, sehr großer Liebe zum Detail und einigen interessanten Geheimnissen und Enthüllungen. Anfangs fand ich Ghost Trick einfach durch die Präsentation, das extrem liebevolle Design und die coolen Dialoge schon ganz gut, aber ich hätte nie vermutet, wie viel mehr da noch in dem Spiel steckt. Ich war halt einfach relativ angetan, aber am Ende war ich einfach nur geflasht. Selten habe ich eine so gut durchdachte Geschichte erlebt, die zwar in manchen Belangen vielleicht ein kleines Bisschen hanebüchen anmutet, aber in die Spielwelt passt. Fast jede Kleinigkeit, die erst einfach nur nach einem lustigen Witz oder einer kurzen Erwähnung für die Atmosphäre aussieht, ist relevant für die Erzählung. Manchmal dachte ich bei den Enthüllungen, wie mir gewisse Dinge nicht einfach aufgefallen sind, wo sie doch am Ende so viel Sinn ergeben - glaube aber nicht, dass das klügeren Spielern als mir sehr viel anders ging. Und alles ist so unfassbar liebenswert, detailreich, humorvoll und gleichzeitig traurig, herzzerreißend und schicksalhaft. Ich kann das gar nicht oft genug sagen. Zu den besonders tollen Sachen werde ich gleich bunt zusammengewürfelt etwas schreiben - hier endet also der spoilerfreie Teil.

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Ich glaube der Hauptgrund, warum Ghost Trick für mich nicht nur die Höchstwertung erhält, sondern sogar leicht über Zero Time Dilemma steht, wird in einem Kommentar aus meinem Stammforum erklärt:

"Haustierfreunden würde ich das Spiel übrigens besonders empfehlen."
Meine Begeisterung hat angefangen, als Missile bzw. Rakete vorgestellt wurde. Ein kleiner, niedlicher Zwergspitz, der von Sissel wiederbelebt wird und mit dem er fortan sprechen kann. Der ist auch noch so unfassbar liebenswert charakterisiert und sieht süß aus und überhaupt...  Aber ein Charakter alleine trägt ja kein ganzes Spiel - dafür aber schon mehr das Detail, dass Rakete einem später mit eigenen Geisterkräften weiterhilft und zu allem Überfluss auch noch der Grund ist, warum Sissel überhaupt versucht, alles und jeden zu retten.
Haha, also gerade Letzteres war an der Grenze zur Albernheit, weil Rakete erst alleine quasi durch die Zeit gereist ist und dann 10 Jahre warten musste, um als Lampe Anweisungen zu geben. Aber gerade in dem Moment wo ich anfing zu denken "Hm, ich weiß nicht, ob mir das nicht ein bisschen too much-", kam das Portrait von dem gealterten Rakete und ich war schon wieder voll an Bord. xD
Also alles was storytechnisch vielleicht komisch wirken könnte (beispielsweise auch die Sache mit dem Kometensplitter), haben die Entwickler mir dann trotzdem so gut gekauft, dass ich es einfach angenommen habe - beziehungsweise sogar gefeiert habe.
Und der Hund ist ja nur das offensichtliche Goodie für Haustierfreunde. Sissel selbst hat mich dann völlig weggehauen. Eigentlich hätte man wissen können, dass die Schwarze Katze, die man am Anfang sieht, nicht zufällig gezeigt wird, denn gegen Ende weiß man von Spiel ja schon, dass auch nebensächliche Details meist eine größere Bedeutung haben. Trotzdem hatte ich nicht erwartet, dass Sissel die Katze ist. Heilige Scheiße, das war eigentlich die beste Identität, die man dem Protagonisten geben hätte können. Für mich zumindest.

Es ist auch nicht nur die Tatsache, dass Tiere hier eine große Rolle spielen, sondern auch die Dinge, die da gezwungenermaßen mit hinein spielen. Es geht nun mal um jemanden, der gestorben ist und versucht, andere Tode zu verhindern. Natürlich haben da auch die Tiere diverse Tode. Aber eben auch traurige Hintergrundgeschichten ("Please look at me" ;___;) - allgemein gibt es im Spiel einige tragische Dinge zu erzählen, die wirklich herzzerreißend präsentiert werden und trotzdem hinein passen. Ernste Szenen fügen sich geschickt in das allgemein ja eher lustige Spiel ein, das wurde wirklich richtig gut gemacht. Und ich hatte auch einfach nicht erwartet, was da alles im Untergrund lauert. Ein Mädchen, das seine Mutter unabsichtlich getötet hat, ein Kommissar, der sich selbst zur Todesstrafe stellt, ein Hund, der zehn Jahre geduldig warten muss, um sein Frauchen nicht noch einmal sterben zu sehen oder ein Mann, der seinen einzigen Freund in ansonsten jahrelanger verbitterter Einsamkeit verliert (ich möchte hier noch einmal erwähnen, wie unfassbar traurig die ganze Sissel-Yomiel-Geschichte ist).
Dass einem da schwer ums Herz wird und man einfach nur möchte, dass alles gut ausgeht, liegt nicht nur an der Story an sich, sondern eben auch an den wundervollen Charakteren.
Jeder noch so kleine Nebencharakter hat besondere Eigenheiten, die meist mit bestimmten Animationen in Szene gesetzt werden. Und alles mit so unfassbar viel Liebe zum Detail (ich weiß, ich wiederhole mich)!
Mit der Zeit lernt man auch die wichtigen Charakter sehr gut kennen und ist richtig erleichtert, wenn endlich alle im Bilde sind und gemeinsame Sache machen. Ich hatte Anfangs ja erwartet, dass Sissel als Geist die meisten Gespräche belauschen wird - selbst als ich schon wusste, dass er mit Leuten kommunizieren kann, die er einmal gerettet hat. Wenn er dann aber nach und nach mehr Leute vor dem Tod bewahrt, bildet sich eine richtige "Clique". xD

Den Höhepunkt dieses wunderschönen Gruppengefühls gibt es, wenn Inspektor Cabanela stirbt, im Anschluss gerettet wird und endlich auch über Sissel Bescheid weiß. Der, also Cabanela, ist ohnehin so eine ganz eigene Sache für sich, und neben Sissel und Rakete auch mein Lieblingscharakter. Er wird die ganze Zeit über als der "Freund und Kollege" präsentiert, der aber irgendwie unsympathisch ist oder zumindest nicht wie ganz in Ordnung wirkt. Erst vielleicht nur durch die Tatsache, dass ihm sein Job wichtiger ist als alles andere, aber als geneigter Spieler glaubt man ja, dass da mehr dahinter steckt. Und das tat es auch, nur nicht in die Richtung, die ich erwartet hatte. xD Ich meine, das Spiel hat mich glauben lassen, dass es nicht besonders gut darin ist, einen kommenden Plottwist zu verschleiern - Ich dachte die ganze Zeit über, wie lahm ich es fände, wenn wirklich herauskommen würde, dass der Inspektor nicht auf unserer Seite ist. Aber der Punkt ist, dass ich trotzdem absolut nicht geglaubt habe, dass es anders sein könnte. Ich war schon vorher enttäuscht über die Auflösung, die ich erwartet hatte. xD
Und dann war der Kerl doch einer von uns. ONE OF US! ONE OF US!
Äh ja. Vielleicht bin ich einfach nur dumm, aber ich rechne es einfach mal den talentierten Entwicklern an, dass das so geschickt umgesetzt wurde. Ebenso wie die Tatsache, dass ich es nicht zu cheesy fand, dass am Ende eigentlich niemand von den wichtigen Charakteren wirklich "schlecht" ist, sondern selbst der eigentliche Antagonist noch die Kurve kriegt


Ich wurde also beim Spielen quasi am laufenden Band überrascht, von niedlichen Tieren umgarnt, von Gefühlen aller Art heimgesucht - und was am Ende dann vielleicht sogar am wichtigsten ist: Mit einer Geschichte konfrontiert, die von vorne bis hinten mit allen Details und Hinweisen in ihrer Welt zusammenhängt und eine runde Sache darstellt. Einfach nur Gänsehaut-Feeling.
Das Gameplay mag nicht immer Spaß machen oder zum Schluss einfach etwas zu ausufernd werden, aber das liegt zu einem größeren Teil an mir als an dem Spiel selbst - weil es für sich genommen frisch, ideenreich und logisch aufgebaut ist. Das ist also ein Kritikpunkt, den man vernachlässigen kann und der niemals Grund sein sollte, Ghost Trick nicht auszuprobieren. Jeder sollte es gespielt haben. Und alle sollen es lieben. :0 <3


1 Kommentar:

  1. Eeeeendlich hast du es gespielt! :D
    Ich teile deine Meinung zu 100% (außer vielleicht dass ich manche Puzzles dann doch etwas *zu* hart fand).
    So viele großartige/schreckliche/herzzerreißende Momente habe ich selten in einem Spiel erlebt. Und dann noch die Geschichte mit Missile ;_; Ich war so unglaublich emotional investiert beim Finale!
    Fantastisches Spiel.

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