Freitag, 2. Oktober 2020

Lynx, you only have [OneShot]


OneShot ist mal wieder so ein Spiel über das man keinesfalls zu viel verraten sollte, um potenziellen Spielern die einzigartige Erfahrung nicht zu verwehren. Obwohl „einzigartig“ jetzt vielleicht nicht ganz stimmt, denn OneShot ist für mich eine Mischung aus Undertale und Doki Doki Literature Club (auch wenn beide später entstanden sind). Wer eines oder gar beide dieser Spiele kennt weiß schon ziemlich genau, worauf er sich einlässt, auch wenn – was ich erfreut feststellen musste – OneShot sich keineswegs verstecken muss und sich durchaus sehr eigenständig anfühlt.
Ich würde also erst einmal bitten, dass jeder mit auch nur einem Bisschen Interesse an dem Spiel hier nicht mehr weiterliest, auch wenn ich nicht alles genau ausführen werde. Aber ich muss ein bisschen von meinen Empfindungen berichten, und schwärmen muss ich auch, das ist natürlich nicht spoilerfrei. Also ja, das verrät zumindest schon, dass mir OneShot wirklich gut gefallen hat, ich würde es wärmstens weiter empfehlen und jetzt haut ab und spielt das Spiel statt hier zu lesen.

In OneShot geht es um eine Welt, deren Sonne verschwunden ist, und der Spieler muss zusammen mit der Spielfigur Niko (Geschlecht nicht spezifiziert, aber bei mir war es eine sie) quasi eine Ersatzsonne, die zu Anfang des Spiels gefunden wird, an einen bestimmten Punkt bringen. Dabei bleibt unklar, ob diese Glühbirne, die die neue Sonne darstellt, die Welt retten kann oder nicht, und auch, ob Niko damit dann wieder nach Hause zurückkehren kann. Denn diese ist, genau wie der Spieler, irgendwie da rein geraten – in eine Welt, die nicht ihre ist.
Zur Geschichte will ich jetzt erst mal gar nicht viel mehr verraten, sondern eher mit den integralen Mechaniken beginnen. Als Spieler ist man integraler Teil der Geschichte. Dies wird gleich zu Beginn klar wenn durch einen PC in der ingame Welt plötzlich jemand Kontakt mit einem aufnimmt und einen mit Namen des Nutzers des eigenen Betriebssystems anspricht. Und, was mich wirklich ab der ersten Minute quasi in Panik versetzt hat, es gibt eine klare Botschaft: „You only have one shot.“

In der ursprünglichen Version vor dem Steam Release hatte man wirklich nur einen Versuch. Hat man das Spiel außerhalb der „Speicherpunkte“ (Betten, in denen Niko schläft wonach sich das Spielefenster selbst schließt) verlassen, hat man es quasi nicht geschafft die Sonne zurückzubringen und Niko ist gemeinsam mit der Welt gestorben. Und selbst wenn man das Ende erreicht hat, konnte man das Spiel danach ohne in die Dateien-Trickkiste zu greifen nicht nochmals spielen. Was ich mir, gelinde gesagt, echt scheiße vorstelle, weil beide möglichen Enden irgendwie ein ziemlicher Downer sind.
Man kann am Ende entscheiden, ob man die Sonne zurück bringt oder diese zerstört damit Niko nach Hause gehen kann. Und das ist schon mal eine richtig beschissene Entscheidung an sich. Denn es wird klar, dass beides zusammen – die Welt retten und Niko zurückkehren lassen – nicht funktioniert. In den vier Stunden davor hatte es das Spiel auf jeden Fall geschafft, mir nicht nur eine ehrliche Bindung zur Protagonistin zu suggerieren, sondern gleichzeitig die Welt trotz aller Deprimiertheit als rettungswürdig zu vermitteln. Aber da kommen dann noch weitere Faktoren hinzu. Die Entität, die mit mir als Spieler öfter mal kommuniziert hat, sagt einem überhaupt erst, dass es nötig ist so eine Entscheidung zu treffen, während man wiederum von anderer Stelle hört, dass man reingelegt werden wird um die Sonne zu zerstören („he will trick you into shattering the sun“). Dann wiederum ist sowieso die Frage, ob die Welt überhaupt gerettet werden kann, weil einem schon vermittelt wird, dass die Leute dort mit Tageslicht vielleicht beruhigter dem Ende entgegen gehen, aber dieses trotzdem unaufhaltsam ist. Und dann gibt es auch noch einen süßen Fuchs, der ganz kurz auftaucht und einfach nur darum bittet, Niko nach Hause gehen zu lassen.
Damn, ich habe wirklich lange hin und her überlegt.

Dann musste ich daran denken, dass ausgerechnet Life is Strange eine sehr ähnliche Entscheidung von mir abverlangt hat, die für mich ja ein totaler No Brainer war. Ich werde doch nicht eine Stadt/Welt zu Gunsten einer einzigen Person opfern?!
Äh doch, in OneShot schon. Ich meine, ich habe es instant bereut. Wirklich so sehr, wie ich selten etwas bereut habe. Ich habe die Credits angestarrt, musste beobachten wie alle Schauplätze plötzlich verschwanden und dachte WAS HABE ICH NUR GETAN? Ich dachte außerdem natürlich, dass es das auch wirklich war, immerhin hatte ich ja nur „one shot“.
Im Original war das Spiel auch tatsächlich damit vorbei. Und, der Vollständigkeit halber muss ich sagen, dass das andere Ende nicht sehr viel besser ist. Die Sonne gibt den Leuten irgendwie schon Hoffnung, aber im Endeffekt wird die Welt trotzdem untergehen und Niko mit ihr.
Es ist auf jeden Fall so, dass man bis zu diesem Zeitpunkt definitiv investiert in das Spiel sein kann, und viele Meta-Kniffe im Gameplay schon präsentiert wurden. Zusätzlich mit einem der Downer Endings verstehe ich, wie OneShot auch in der Urfassung für viele ein durchaus guten und emotionales Spiel sein konnte. Die Atmosphäre allgemein ist recht einnehmend, die Charaktere alle auf sympathische Art und Weise sehr eigen, Niko ist extrem niedlich und die Grafik sehr sehr stimmig und hübsch. Ich hätte alles auf jedenfall als "echt nettes Erlebnis" eingestuft.
Das Ding ist aber, dass die "Neu"fassung, die es auf Steam gibt, eine Erweiterung bekommen hat (von der ich niemals gedacht hätte, dass die nicht von Anfang an dabei war), die um ein vielfaches besser als der ganze Teil bis dahin ist.

Man erhält im Laufe des Spiels ein Journal, das eine eigene EXE Datei darstellt, und durch das der sogenannte „Autor“ mit einem kommuniziert (nicht zu verwechseln mit der Entität, die durch ingame PCs und Windows-Meldungen mit einem kommuniziert). Diese Datei enthält am Ende dann den Tipp, eine Speicherdatei im Spieleordner zu löschen, um nochmal von vorne anfangen zu können.
Aber eigentlich fängt man nicht wirklich von vorne an. Niko hat vage Erinnerungen an den ersten Durchgang, neue Gebiete werden entdeckt (die alle im „normalen“ Durchgang bereits vorhanden und teilweise geteasert werden, weshalb ich eben meinte, dass das alles wirkt als wäre es immer so beabsichtigt gewesen – wahrscheinlich wurde das Ursprungsspiel dahingehen nochmal überarbeitet?) und der Zerfall der Welt ist eine viel spürbarere Bedrohung. NPCs helfen einem plötzlich aktiv, sterben teilweise dabei und am Ende wird jede noch offene Frage aufgeklärt. Und zum Glück gibt es da dann endlich die Chance auf ein rührendes (und trotzdem ein bisschen trauriges) Happy End.

Gerade zum Schluss habe ich mich gefühlt als würde das Spiel wirklich zu mir persönlich, und nicht nur zu dem Namen von meinem Windows-Nutzer wie es auch bei allen anderen Spielern abläuft, sprechen. Einige Dialogzeilen haben mich beinahe bei meinen Reaktionen enttarnt, oder mich einfach mitten ins Herz getroffen, und damit hat OneShot das erreicht, wo Life is Strange letztes Jahr so versagt hat: Dieses Spiel hat es geschafft, dass ich so empfinde wie es das von mir möchte. Wegen dieser Realisation, dass das Konzept voll aufgegangen ist, fühlte sich das Erlebnis für mich nochmal ein bisschen anders als bei DDLC oder Undertale. Das ist super, aber trotzdem weiß ich insgesamt noch nicht wie genau ich OneShot jetzt einordne.
Es gehört auf jeden Fall zu den besten Titel, die ich dieses Jahr gespielt habe, was aber bei einer für mich relativ hohen Menge durchgespielter Spiele trotzdem nicht sehr viel aussagt. Ich denke auf jeden Fall, dass alles noch eine Zeit lang auf mich wirken muss, um dann wirklich zu sagen, wo OneShot bei mir steht – ob als unvergessliches Erlebnis oder einfach sehr emotionale Momentaufnahme. Auf jeden Fall weckt alleine die Musik schon etwas wehmütige Gefühle in mir und ich vermisse "meine" Niko auch irgendwie. Aber mal sehen, wie sich das noch entwickelt.

Übrigens kann das Spiel in der Steam-Version immer wieder gespielt werden, allerdings wird hierbei klar gemacht, dass man quasi nur eine Kopie von Niko spielt, um die Erinnerung nochmal erleben zu können – die echte wurde ja bereits gerettet und das bleibt auch so. Außerdem ist es nicht möglich, ohne aufwendige Deinstallation und Löschung von Dateien das Solstice-Ending, also eben diesen zusätzlichen Part nach den beiden Downer-Enden, nochmal zu spielen. Im Kontext des Spiels würde alles andere auch keinen Sinn machen, und mir gefällt richtig gut, dass das so gelöst wurde.
Ich ziehe also ein äußerst positives Fazit und bin selbst ein bisschen gespannt, ob das nun in meine Game of the Year Liste kommt oder nicht. ^^

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen