Samstag, 16. Februar 2019

Sweet Lily Dreams

 

Jedes Mal wenn ich über Sweet Lily Dreams nachdenke fällt mir eigentlich als erstes immer dasselbe Wort ein: solide. Es macht einige Sachen gut und einige Sachen weniger gut, aber gerade wenn man bedenkt, dass es mit dem RPG Maker erstellt wurde und auch noch Erfahrung mit einigen alten Rollenspielen hat, muss sich das Spiel nicht verstecken. Aber es ist halt auch nicht übermäßig spannend, spritzig oder gar innovativ. Ja, „solide“ beschreibt es für mich wirklich mit Abstand am besten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten Leute Sweet Lily Dreams nicht durchspielen werden, weil es gerade im Mittelteil relativ langweilig wird und nichts – wie in anderen älteren Genrevertretern wie beispielsweise FFIV oder gar FFVI – mit der Story rausretten kann. Die ist nämlich über weite Strecken eher uninteressant, obwohl es hier und da schon auch Highlight gibt, die aber immer recht schnell abgehandelt werden.

Zu Beginn des Spiels schläft das Mädchen Lily Abends ein und erwacht in einer Traumwelt. Aus irgendwelchen Gründen ist es aber nicht wie immer und wie es normal ablaufen sollte – vielmehr scheint sie nicht gezwungenermaßen in ihrem eigenen Traum zu sein, sondern bei vollem Bewusstsein in den Welten herumreisen zu können. Ein sprechender Hund namens Faith und eine sprechende Katze namens Curly stoßen auf Lily und erkennen, dass etwas nicht stimmt. Sie nehmen das Mädchen mit in ihre Hauptstadt Rosalia, was offenbar die „Zentrale“ fürs Reisen durch Träume dient. Die Wesen dort besuchen unter Aufsicht einer Guten Fee die Träume anderer, um böse Einflüsse (Phobius) dort zu entfernen. Und die Aktivitäten der Phobius scheinen in letzter Zeit rapide zugenommen zu haben. Da Lily „normal“ aufwachen soll (dies aber offenbar laaaange Zeit nicht geschieht) ist sie erst mal gezwungen, in Rosalia zu bleiben, wo Faith, Curly und ein Stofftier namens Muggles (der BESTE <3) auf sie aufpassen sollen. Faith macht aber so schon immer Probleme und kommt auf die glorreiche Idee, eigenmächtig mit Lily nach Phobius zu suchen, um im Ansehen der Fee zu steigen. Und so reisen die vier also durch verschiedene Traumwelten, auf die ich gleich noch eingehen werde. Natürlich klappert man nicht nach und nach nur die Welten ab (aber fast) – zwischendurch passieren schon mal unvorhergesehene Dinge und es müssen Leute gerettet, Verbündete verraten oder Abstecher in unbekannte Traumwelten gemacht werden. Die Hauptcharaktere lernt man natürlich auch besser kennen und erfährt was sie im echten Leben einmal waren, und all das ist schon ganz nett. Nicht viel mehr als nett, aber zumindest gab es schon gewisse Ambitionen, bei denen es eher an der Umsetzung scheitert, weil alles sehr schnell abgehandelt wird. Taucht ein Problem auf oder gibt es eine dramatische Wendung, ist das nach ein paar Dialogzeilen meist auch schon wieder erledigt.

Die größte Stärke des Spiels ist meiner Meinung nach der Abwechslungsreichtum der Welten und Aufgaben. Es ist schon mal anzumerken, dass sämtliche Grafiken extra für Sweet Lily Dreams gemacht wurden. Die Charakterportraits, die Figuren, das Menü, die Gebäude und viele Items sind nicht nur einzigartig, sondern haben auch einen Stil, der sich vom RPG Maker leicht abhebt. Der Aufwand, der hier hineingeflossen ist, lässt sich aber nicht nur visuell feststellen, sondern eben auch beim Aufbau der Traumwelten. Hier ist jede anders als die vorige, und es gibt auch wirklich in jeder eine ganz eigene Aufgabe zu bewerkstelligen. Nicht nur rein storymäßig, sondern auch aufs Gameplay bezogen. Natürlich geht man immer mit seiner Truppe herum und kämpft gegen Gegner, aber überall hat man andere Ziele und verschiedene Minispiele. Im früheren London besucht man zum Beispiel das Herrenhaus von Dr. Jekyll und bekämpft nicht nur Mister Hyde, sondern braut auch ein paar Tränke mit den Zutaten aus dem Keller (=Dungeon). In den russischen Wäldern muss man nicht nur Lily aus den Fängen der Baba Yaga retten, sondern sich vor allem mit Hilfe einer mysteriösen Karte durch die Fauna manövrieren und für Bäume kleine Aufgaben erfüllen (das hat echt Spaß gemacht, war so ein richtiges Rätsel-Abenteuer). Im Hypercube muss man die Räume per Schieberätsel so verschieben, dass man an verschiedene Punkte gelangt und zu einem mächtigen Phobius vordringen kann.
Ehrlich, alle Welten fühlen sich irgendwie unterschiedlich an und ich hatte echt den Eindruck, dass sich da unglaublich viel Mühe gemacht wurde. Auch wenn es wirklich ein paar weniger sein hätten können, da sich das Spiel gegen Ende schon stark zieht.
Die Ideen sind aber größtenteils gut, so dass ich des Öfteren einfach gestaunt habe, dass das alles jemand in einem kleinen RPG-Maker Spiel so hingebracht hat. Auch sonstige Minispiele und Nebenquests gibt es haufenweise, wovon ich aber nicht übermäßig viele gemacht habe.
Man sieht auch schon an meiner Beschreibung, dass hauptsächlich bekannte Geschichten hergenommen wurden, da der "Writer", der große Antagonist, der die ganzen Alptraumwelten kreiert, offenbar keine eigene Fantasie hat. Blöderweise erinnert sich auch Lily selten an den Ausgang so einer Geschichte, obwohl sie die meisten irgendwie kennt, also hilft das auch nichts.^^ Jedenfalls hat man das schon tausend Mal irgendwo gesehen, aber zumindest wurden auch ein paar Nischengeschichten gewählt (eben wie die Baba Yaga). Und naja, so wie es hier ausgeführt wurde, störte es eigentlich auch gar nicht, dass so ein Konzept nicht wirklich neu ist. Besonders cool fand ich das Auftauchen von IT, also ES. :D 

Aber genug der positiven Rede, das klingt alles doch noch etwas zu gut für das, was ich dann gegen Ende empfunden habe. Wären die Aufgaben in den Welten nicht größtenteils spaßig und halbwegs vielseitig, wäre Sweet Lily Dreams… anstrengend. Das Kampfsystem ist extrem langweilig. Es gibt gute, alte, rundenbasierte Kämpfe, bei denen die Aktion für jeden Charakter vor einer Runde gewählt wird und das läuft dann automatisch ab. Zur Auswahl gibt es normale Angriffe, (automatisch beim Leveln erlernte) Skills und (selbst hergestellte) Zauber, Verteidigung und Itemnutzung. Sehr klassisch, was ja noch nichts Schlechtes heißen muss. Vor allem wenn ich jetzt erzähle, dass die Zauber aus Zutaten gecrafted werden und dann frei an einen Charakter zu vergeben sind, hört sich das nicht mal allzu schlecht an. Aber die Auswahl ist doch sehr begrenzt, man verfällt nicht in Sammelwahn und die Elemente spielen eine viel zu große Rolle. Es gibt vier davon – Feuer, Wasser, Eis und Blitz – und natürlich ist jedes gegen ein anderes stark. Das große Problem ist, dass man mit den übrigen Elementen keinen Schaden macht (und mit demselben überhaupt den entsprechenden Gegner heilt). Also habe ich beispielsweise ein Monster, das als Element Wasser und eine Schwäche gegen Blitz hat. Wenn ich es mit irgendeinem anderen Element angreife mache ich entweder gar keinen Schaden oder heile das Ding noch. Das ist so anstrengend. Vor allem weil normale Angriffe eigentlich nur bei Faith und Muggles (der BESTE <3) was bringen – Lilys Angriff ist sowieso immer elementar, und Curly ist einfach schwach (trotzdem die wichtigste Kämpferin, weil sie so schnell ist). Und man hat nicht genug zum Craften, um alle Kämpfer mit allen Zaubern auszustatten. Also es dauert alles nicht nur eine Spur zu lange, man muss gerade in einem neuen Gebiet erst mal ohne wirklich taktisches Feingefühl rausfinden, welche Fähigkeiten man nutzen sollte. Gegner haben auch gerne mal nervige Fähigkeiten wie Gift oder Einfrieren und machen teilweise auch nicht schlecht Schaden. All das macht wirklich eher wenig Spaß und ist das große, notwendige Übel um irgendwas zu erreichen. Wenigstens werden bei einem Level-up alle geheilt und es liegen auch Healing-Orbs herum. Es ist also wenigstens so gut wie nie nötig zur Basis zurückzukehren bevor man eine Welt abgeschlossen hat.

Insgesamt war ich jedenfalls genau 18 Stunden beschäftigt, was für ein Maker-RPG Spiel schon ziemlich lang ist, aber diesem hier nicht unbedingt gut getan hat. Der Mittelteil kann sich schon ein wenig ziehen, einfach weil es eben so wenig wirklich Aufregendes gibt und das Kampfsystem so zum Schnarchen ist, aber vor allem am Ende hätte man die ein oder andere Welt echt weglassen können. Am meisten den Haitian Jungle, wo es eine Fetch-Quest gibt und die Gegner wirklich deutlich zu wenig der verlangten Items droppen. Gott, da hat bei mir wirklich jegliche Zuneigung zu dem Spiel aufgehört, die kaum wieder zurückgewonnen werden konnte. Dabei ist das Ende dann schon noch ganz nett, auch wenn der Konflikt mit dem Antagonisten bzw. der Gruppierung dahinter dann in zwei Sätzen plötzlich aufgelöst wurde. Die ganze Zeit wurden schlechte Träume erschaffen und im Prinzip ging es den Gegner darum, Rosaria ohne Rücksicht auf Verluste zu erobern. Das geht so weit, dass Muggles (der BESTE <3) sich für Lily opfern muss, weil sie als Störenfried "gelöscht" werden sollte. Das passiert ohne Witz im Ending, und dann sagt der Writer zwei Sekunden später, dass er ja doof war und einfach ein zweites bzw. größeres Rosaria erschaffen könnte wo alle Platz haben und - Schwupp - alle sind okay damit. xD Außer Muggles (der BESTE <3), der gerade quasi gestorben ist. ;0 Das war echt seltsam.


Also ja, ich fand Sweet Lily Dreams ganz nett, würde das aber wirklich niemandem empfehlen. Ich glaube echt, dass die wenigsten das bis zum Ende durchhalten. Einen Blick kann man trotzdem riskieren, und gerade für ein Maker-Spiel ist es überraschend groß, vielseitig und liebevoll gemacht. Und eben… naja, ihr wisst schon. Solide.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen