Montag, 1. Dezember 2014

The Walking Dead: Season 1 - Fazit


Ursprünglich wollte ich ein Fazit zu "The Walking Dead Season 1" schreiben, weil die ohnehin elendig langen Episodenberichte zu wenig Platz für genug Lobpreisungen ließen. Mittlerweile ist allerdings so viel Zeit vergangen (vorrangig, weil ich zu faul war), dass ich einen etwas objektiveren Blick entwickeln konnte. Und siehe da, es gibt trotzdem nicht viel zu kritisieren. Allgemein schafft es die einnehmende Geschichte ziemlich gut, annähernde Schwächen vollkommen unbedeutend zu machen - für mich zumindest. Mir ist vollkommen klar, dass das Gameplay nicht ausufernd ist, aber meiner Meinung nach braucht es das auch nicht sein. Ganz im Gegenteil, bei zu langen Abschnitten, in denen es von den Mechaniken her am ehesten wie in einem Adventure zuging, wurde ich ungeduldig. Ich glaube zu viel Gameplay hätte die Atmosphäre zu sehr zerschlagen. Die Quick Time Events haben sich dafür nahtlos eingefügt, auch wenn mir nicht immer gleich klar war, was ich jetzt genau machen muss. Ich erinnere mich an eine Aktion, in der ich mit der Maus abwechselnd links und rechts klicken musste, auf dem Bildschirm wurde mir allerdings nur ein Pfeil am jeweiligen Bildschirmrand angezeigt. Da habe ich erst mal mit den Pfeiltasten rumgefummelt, weil ich nicht genau wusste, was das Spiel von mir wollte. Aber irgendwie wurde so auch die Hektik und damit die Gefahr der Situation widergespiegelt, was in dem Fall einfach zum Spielerlebnis beigetragen hat. Was sonst also am Gameplay zu bemängeln wäre, war hier irgendwie passend. Zumindest ich habe das so erlebt.
Was sonst noch manchmal kritisiert wird, sind ja die Auswirkungen der Entscheidungen. Viele machen im Endeffekt keinen Unterschied - zumindest was das "größere" Schicksal der einzelnen Charaktere angeht. Oft hat eine Entscheidung Einfluss auf Reaktionen oder Sätze der Gesprächspartner, aber am Ende hat jeder die gleiche Sequenz auf dem Bildschirm. Nur der Weg dort hin unterscheidet sich, und das ist meiner Meinung nach auch völlig okay. Es geht weniger um Konsequenzen, als um die eigene Moral - gerade wenn man weiß, dass man wohl ohnehin mit allem davonkommt. Bringe ich also nun den Kerl um, der meinen Kumpel essen wollte, obwohl ich nichts davon habe? Einfach aus Rache? Weil ich weiß, dass kein Gericht mich verurteilen kann?
Der Zeitdruck bei den meisten Entscheidungen unterstützt das noch weiter. In der richtigen Welt kann man nicht ewig im Standbye dasitzen und überlegen was man tut oder sagt. Man reagiert. In TWD ist es genau so. Ob man einen kühlen Kopf bewahren kann, panisch wird oder einem sowieso alles egal ist - man handelt aus dem Instinkt heraus. Ich persönlich denke, dass es dem Spiel viel mehr darum geht, mit sich selbst und seinen Entscheidungen klar kommen zu müssen, als Konsequenzen aufgezeigt zu bekommen.

Aber ganz egal ob man da nun meiner Meinung ist oder nicht - am Wichtigsten ist ja, dass man eine aufregende Geschichte erlebt. Und ich kenne wirklich nur sehr wenige Leute, die nicht begeistert von den Geschehnissen in The Walking Dead waren (und diese sind, ohne Zweifel, gefühllose Monster). Auch mich hat das Spiel völlig aus den Socken gehauen und emotional tief getroffen. Deshalb werde ich jetzt nochmal genauer auf die Episoden, Charaktere, Entscheidungen und Momente eingehen, die mir so viele Stunden des Leidens beschafft haben. ;D

Die Episoden

Ich fand ja, dass jede Episode ihre Besonderheiten hatte, deshalb ist es gar nicht so leicht eine Reihenfolge festzulegen. Ich denke aber, dass Episode 2 mir insgesamt am besten gefallen hat und ich diese am intensivsten erlebt habe. Es hat einfach alles irgendwie zusammengepasst: Viele der Entscheidungen waren aufwühlend, die Gruppendynamik der Überlebenden war spannend, es gab gleichermaßen ruhige und actionreiche Momente und ein dunkles Geheimnis zu erforschen. Viele meiner Sympathien bildeten sich da erst so richtig heraus (oder auch nicht), während ich auch erstmals in die Abgründe meiner Seele blicken musste. ;0 Es war nur Episode 4 noch ein ähnlich "vollkommenes" Erlebnis, aber da habe ich das Ende ja so verkackt, dass ich die damals dann ganz füchterlich fand. Wenn ich allerdings möglichst objektiv beurteile denke ich, dass Episode 4 so ziemlich auf einer Ebene mit Episode 2 steht. Nach den beiden kommt für mich Episode 3. Sie ist insgesamt deutlich ruhiger als die restlichen Abschnitte und hatte auch etwas weniger Abwechslung zu bieten. Dafür hatte sie einen deutlich deprimierenderen Unterton, weil man ohne die krasse Action mehr Zeit hatte, um nachzudenken oder in sich zu gehen. Außerdem passierte in Episode 3 einer der absolut traurigsten Sachen im ganzen Spiel. Episode 5 kommt nur ganz, ganz knapp dahinter, weil sie prinzipiell wirklich gut war. Die Ereignisse und Szenen waren an sich wohl sogar besser als die ganze Episode 3, aber ein Punkt hat mich das alles nicht so wirklich genießen lassen: Man weiß von Anfang an, dass es für Lee nicht gut ausgehen wird. Der Biss, den er abbekommen hat, verdammt ihn und das Thema kann man dann nicht einfach verdrängen. Viele Geschehnisse werden durch diese Tatsache dann weniger gewichtet, weil man sich von vornherein ausmalen kann wie alles endet. Dass es die letzten Szenen dann trotz der fehlenden Überraschungen schaffen, so unglaublich emotional zu sein, ist schon eine Kunst und wieder ein absoluter Pluspunkt. Zu guter Letzt ist Episode 1 auch gut und hat so diesen nostalgischen Unterton - damals, wo alles begann. Aber weil danach einfach so viel abgedrehter Scheiß passiert, wird sie von allen folgenden Episoden einfach in den Schatten gestellt.

Die Charaktere

Ich würde hier gerne mit dem schlechtesten Charakter anfangen, da es hier einen Punkt gibt, den ich tatsächlich kritisieren muss: Ben ist ein echt armes Schwein. Es ist total logisch, dass es auch Leute geben muss, die nicht so gut klarkommen und aus Angst Fehler machen. Das finde ich prinzipiell gut so, aber bei Ben war es einfach extrem übertrieben. Es war nämlich immer er, der etwas falsch gemacht hat - alle anderen Charaktere haben sich eigentlich klug verhalten. Selbst wenn jemand mal einen Fehler gemacht hat, wurde das immer wieder durch positive Taten ausgeglichen oder mit dem Tod quittiert. Ben hatte bis zu seinem Ende nie auch nur einen heldenhaften Moment, er war ein einziger Fehlschlag. Das war irgendwann einfach nur noch traurig und echt übertrieben.
Dafür waren aber so gut wie alle anderen Charaktere wirklich gut. Egal ob man sie nun mochte oder nicht, sie hatten sehr oft mehrere Facetten. Kenny ist das beste Beispiel dafür.
Kenny war für mich, nach Lee und vor allem Clementine, der beste Charakter. Jetzt mal davon abgesehen, dass ich ihn natürlich als Freund und Vertrauten geliebt habe, finde ich seine Eigenarten wirklich gut umgesetzt. Er hat grundsätzlich gute Intentionen und ist kein schlechter Kerl, aber er setzt seine eigenen Prioritäten. Wenn man sich beweist und Glück hat, so wie ich, dann wird man sein Freund und kann sich seiner Treue gewiss sein. Man gehört dann zu seinen Prioritäten. Aber wenn man eine Gefahr für ihn und seine Familie ist, oder ihm völlig am Arsch vorbei geht, darf man nicht auf seine Gnade hoffen. Er ist jemand, der seine Moral der aktuellen Situation angepasst hat, also an das Überleben von denen, die ihm wichtig sind. Für mich repräsentiert Kenny recht gut das durchschnittliche Verhalten eines Menschens in so einer Umgebung. Genau aus solchen Gründen mochte ich ihn auch so sehr. Ich fand vieles von dem, was er wollte nicht gut, aber dann gab es wieder Momente, wo ich seine Ansichten brauchte. Er schlug Dinge vor, die viele sich nicht getraut hätten in den Mund zu nehmen, aber bei näherer Betrachtung oft trotzdem das Beste waren. Und wenn sie das nicht waren, war er nicht total angepisst, nur weil ich nicht tat was er wollte (zumindest nachdem ich mir bereits seine Freundschaft gesichtert hatte).
Der wirklich beste Charakter war aber natürlich Clementine. Ich fand es faszinierend, wie unglaublich toll sie war. Und das, obwohl sie ein Kind ist. Kinder-Charaktere sind meist einfach nur furchtbar (siehe Duck), aber Clem war zu absolut jeder Zeit ganz wundervoll. Sie war zwar ein kleines Mädchen, hatte aber neben ihrer Unschuld trotzdem eine gewisse Stärke. Außerdem war sie klug und mutig. Und so niedlich! Als Spieler wollte man sie einfach nur beschützen, was ja auch das Ziel sein sollte. Ich bin wirklich begeistert, wie gut die Entwickler das hinbekommen haben.
Ansonsten mochte ich Carley und Katjaa noch sehr, während ich Lilly und Larry nicht besonders gern hatte. ;P Oh, und Vernon! Ich hoffe den sieht man irgendwann wieder, um ihm in den Arsch zu treten! Aber wie gesagt, egal ob sympathisch oder nicht, authentisch waren sie eigentlich alle. Schon schlimm, dass nur ein winziger Teil von ihnen die erste Season überlebt. :(


Die Entscheidungen

Die großen Entscheidungen waren an sich zum Glück unterschiedlicher als man am Anfang vielleicht erwartet. Ich dachte schon bei der Auswahl zwischen Doug und Carley, dass es ja kaum dramatischer kommen könnte... oh, little did I know. Aber das ist ja auch gut so!
Das Spiel schafft es tatsächlich immer wieder, mit der richtigen Mischung aus unterschiedlich dramatischen Ereignissen, zu erschrecken und zu begeistern. Dabei wird wahrscheinlich auch nicht jede Szene jeden Menschen gleich berühren. Ich hatte bei ein paar heftigen Zwickmühlen wenig Probleme, eine Wahl zu treffen - zum Beispiel bei der Sache mit Larry im Kühlraum. Anderes hat mich dafür extrem aufgewühlt, was manche vielleicht nicht einmal recht nachvollziehen können.
Am allerschlimmsten war für mich natürlich die Sache mit Ben, auch wenn ich das inzwischen ja überwunden habe - weil mir sein alternativer Tod viel schlechter gefällt, was die Entscheidung an sich ja nicht wirklich besser macht. ;0
Ein richtig schlechtes Gewissen hatte ich in derselben Episode ja auch, weil ich den Biss vor den anderen - vor allem vor Kenny - verheimlicht hatte. Das ist vermutlich ein Klacks für die meisten anderen Spieler, während ich deshalb beinahe schlaflose Nächte hatte. :D Sowas kann halt nur zustande kommen, wenn man wirklich eine Bindung zur Geschichte und den Charakteren aufbaut.
Dann möchte ich auch noch die Entscheidung erwähnen, ob man in Episode 2 die Brüder töten will. Schön daran ist, dass man bei beiden unabhängig entscheiden kann und man sofort "Feedback" von den anderen Charakteren bekommt. Klar ist es nett, dass man den wehrlosen Danny umbringen kann - es hassen ihn sowieso alle und immerhin ist alles nur ein Spiel, was soll schon passieren... Die Konsequenz ist ja bloß, dass Clementine total schockiert ist, was einem im Endeffekt dann wirklich mehr erschüttert als jede andere Strafe.
Die Entscheidungen spielen also auf unterschiedliche Art und Weise mit den Emotionen, weshalb man eigentlich nie das Gefühl hat, dass sich etwas unnötig wiederholt. Obwohl man immer wieder in fünf Situationen vor eine schwierige Wahl gestellt wird, bleibt die Würze erhalten. Das muss man auch erst mal hinkriegen. ;0


Emotionale Momente

Auch unabhängig von den Geschehnissen, in die man direkt eingreift, ist The Walking Dead natürlich vollgepackt mit Emotionen. Obwohl der Grafikstil zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist, spiegeln die Gesichter der Charaktere die unterschiedlichsten Gefühle unglaublich authentisch wider. Natürlich trägt auch die Musik viel zur Atmosphäre bei, die vor allem bei den ruhigen Szenen alles extrem stimmig untermalt. Ich weiß noch wie ergriffen ich war, als Lee seinen Bruder als Zombie entdeckte - das war das erste Mal, wo ich traurig war, obwohl ich noch relativ wenig über den Protagonisten wusste. Danach wurde natürlich alles immer nur schlimmer, weil man so schnell so eine Bindung zu allem aufbaut.
Ich möchte hier vor allem Episode 3 herausheben, die insgesamt einen weniger hektischen Ton anschlägt als der Rest, dafür aber extrem traurig ist. Der spärliche Einsatz von actionreichen Szenen macht wie gesagt aber Platz, über die Geschehnisse nachzudenken und irgendwie die Hoffnung zu verlieren. Außerdem ist auch sehr tragisch, dass man in recht kurzen Abständen sehr viele Charaktere verliert, die mindestens seit dem Ende der ersten Episoden dabei waren, was einem ein extremes Gefühl der Einsamkeit gibt. Ich denke Katjaas Selbstmord ist für mich - jetzt vom Ende ausgenommen - wirklich der absolut traurigste Moment im ganzen Spiel. Ich habe auf jeden Fall mehr geweint, als ich Ben sterben habe lassen und auch als Kenny weggegangen ist, aber die Sache mit Katjaa hatte insgesamt mehr Einfluss auf mich. Das ist irgendwie wirklich der Moment, wo man einfach nicht mehr weiter weiß und selbst nach Gründen sucht, wofür man denn nun noch kämpfen soll. Und das, obwohl Katjaa und ihr Sohn sicher nicht die wichtigsten Charaktere für mich waren (vor allem Duck nicht ;0). Durch die ganze Sache habe ich aber auch umso mehr mit Kenny mitgefiebert. Der allerbeste positive Moment war für mich, als wir das Boot in Episode 4 entdeckten. Das ist irgendwie so eine Kleinigkeit, aber ich war selten so glücklich in dem Spiel. Natürlich sind gute Dinge sowieso rar gesäht, aber die Sache mit dem Boot war irgendwie mehr als das. Während man bei Katjaas Tod die Hoffnung verliert, kommt sie hier dann wieder zurück. Und alleine Kennys Gesicht wieder mit einem Lächeln zu sehen war ziemlich einmalig.
Ich könnte hier jetzt noch extrem viele Beispiele für unterschiedliche emotionale Momente bringen, aber das würde den Rahmen einfach sprengen. Viel mehr will ich sagen, dass das Spiel meiner Meinung nach auch ohne die Entscheidungen irgendwie funktioniert hätte. Sicher nicht genauso gut, aber die Atmosphäre, die so starke Emotionen erzeugt, hätte sicher trotzdem einige Spieler auch so begeistert.


Das Ende

Äh ja, das ist jetzt einfach nochmal so eine Sache für sich, weil ganz einfach nichts damit vergleichbar ist. Es ist natürlich die schlimmste und traurigste Sache im Spiel, gegen die alles andere abstinkt. Aber das finde ich auch ein bisschen schade. Ich dachte zum Beispiel immer, dass mein schlimmster Alptraum wahr werden würde, wenn Kenny stirbt (auch als ich noch nicht wusste was mit ihm passiert), aber im Nachhinein gesehen war das gar nicht so furchtbar. In dem Moment war es schon richtig scheiße, aber es hat so schnell an Bedeutung verloren, dass ich mich jetzt mit relativ wenig Schmerz daran erinnere. ;0 Das fulminante Finale hatte also auch so seine Nachteile, auch wenn es im Großen und Ganzen natürlich perfekt war. Auf beschissene Art und Weise natürlich.
Es ist auch ganz merkwürdig, weil nicht nur Lee stirbt, sondern eben auch ein Teil von einem selbst. Durch die ganzen Entscheidungen ist man ja doch irgendwie mehr die Figur als der Beobachter und mir graut jetzt schon ein bisschen davor, in Season 2 jemand anderen zu steuern. Immerhin wird es dann Clementine sein (wie ich leider jetzt schon weiß), aber ein bisschen komisch ist das auch. Sie war ein eigenständiger Charakter, den man einfach beschützen wollte. Damit war sie auch so gut wie unverwundbar. In Season 2 selbst die Kontrolle über sie zu übernehmen wird sicher erst mal merkwürdig.
Aber das ist ja etwas fürs nächste Mal. Bis dahin bleibt mir nur zu sagen, dass ich dem Spiel mit einem weinenden und einem noch mehr weinenden Auge hinterherschaue. ;P Nein ernsthaft, alles war so unfassbar traurig, hat so hoffnungslos und einsam geendet,... und trotzdem ist es eines der absolut besten Spiele aller Zeiten. Für solche einzigartigen Erlebnisse spiele ich Videospiele. Danke. <3


1 Kommentar:

  1. Erinnere mich grad nicht wie es bei mir war, aber zumindest in der zweiten Staffel dürftest du keine Probleme haben zu verstehen was für Aktionen das Spiel von dir verlangt :D

    "und diese sind, ohne Zweifel, gefühllose Monster" - puh, ein Glück gehöre ich nicht dazu xD

    Und ich glaube mir fällt schon jetzt ein Charakter ein den du in der zweiten Staffel hassen wirst. Mir hat der nämlich auch nicht wirklich gefallen :x

    "unglaublich authentisch wider." - Ich glaube da fehlt ein Buchstabe ;P

    Aber gut, dass du Fazit endlich fertigbekommen hast!

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